Sonntag, 04.09.2016:

Da es gestern Abend recht spät wurde, habe ich mir gegönnt, den Wecker auf 8 Uhr zu stellen. Aufgewacht bin ich sogar schon um 7:55 Uhr. Am liebsten hätte ich mich zwar wieder umgedreht und weitergeschlafen, aber es sollte ja mit der Tour weitergehen. Es hatte fast die ganze Nacht geregnet und auch am Morgen noch gelegentlich.

Ich hatte gehofft, am Tag 2 schneller zu sein mit Packen, Beladen usw… und das war ich auch, aber nur wenige Minuten, so dass ich doch erst wieder knapp 2 Stunden nach dem Wecker losfuhr. Diesmal also sogar erst um 10 Uhr, dennoch war ich vorsichtig optimistisch, die 100 km bis zum Campingplatz in Zeven zu schaffen und nicht erst wieder nach 20 Uhr anzukommen. Vorher hatte ich eh keine Unterkunft auf meiner Liste.

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Abfahrbereit vor dem Campingwagen am Fährhaus Hodorf.

Von Hodorf ging es zunächst nach Glücksstadt, wo ich mir zwei belegte Brötchen und – wie gestern schon – eine kleine 0,5 l Flasche Cola geholt habe. Das eine Brötchen habe ich auf der Fähre gegessen, um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Von der Zeit her war das allerdings eher ein Mittagessen statt ein Frühstück… also, ich hatte quasi ein Frikadellenbrötchen zum Brunch. 😉

Das andere Brötchen ist für später gedacht, weil – wie schon gestern – zu befürchten war, dass es unterwegs keine/kaum Orte gibt, die groß genug sind, um einen Bäcker zu haben, der noch dazu am Sonntag auf hat. Tankstellen sind auf dem Land scheinbar auch eher rar gesät. Und so war es dann auch. Daher war ich froh, ca. 2,5 Stunden später eine Rast in einem Bushäuschen zu machen und das Käsebrötchen zu essen. Weitere 2 Stunden später fand ich in Bremervörde eine Tankstelle und füllte die Energievorräte mit einem großen Twix und einem Radler wieder auf, um für die heutige Schlussetappe nach Zeven gerüstet zu sein. Natürlich kam ein zweites Radler fürs Abendessen mit. 🙂 Beim Neukauf von Getränken an den Tankstellen habe ich meist die alten, leeren Flaschen oder Dosen zurückgegeben, um Platz zu schaffen und das Pfand zurück zu erhalten.

Apropos Bushäuschen, kurz hinter Hodorf fand ich das folgende Bushäuschen. Sowas habe ich noch nie gesehen. Gemütlicher geht’s wohl kaum! p1000250

p1000257Die Fahrt mit der Elbfähre war prima. Es gab in Glückstadt eine lange Schlange mit Autos, die darauf warteten übersetzen zu können. Ich musste mich jedoch nicht hinten anstellen, sondern konnte auf dem Fuß- und Radweg bis ganz nach vorne vorfahren. Als ich ankam, war auch schon eine Fähre dabei anzulegen. Nachdem alle Fahrzeuge die Fähre verlassen hatten, konnte ich mit meinem Rad als erstes die Fähre entern.

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Stefan auf der Elbfähre

Auf der Fähre gab es – neben dem schon erwähnten Brötchen – auch ein nettes Gespräch mit zwei älteren Herren, die wohl öfters Touren zusammen unternehmen. Diesmal zwar nur eine kurze 2-Tagestour, aber den Weserradweg kannten sie wohl auch schon. Nach der Überfahrt durfte ich wiederum die Fähre als erster verlassen. 🙂

Thema Steigungen: Gestern hat mich das ständige Auf und Ab, ja noch kräftig geärgert. Heute waren die ersten ca. 50 Kilometer fast topfeben. Die zweiten 50 km hatten zwar ein paar Steigungen und Gefälle mit drin, aber wesentlich weniger als gestern. Sehr angenehm. Auch das trug zur guten Laune bei.

Heute bin ich den ganzen Tag nur in Regenklamotten gefahren, und es hat auch immer mal wieder kurze Schauer gegeben… aber auch sonnige Abschnitte, die allerdings in den Regenklamotten eher unangenehm waren. Regensachen ausziehen war aber auch keine Option, da die nächsten dunklen Wolken nie weit waren. Die Regensachen haben sich auch super bewährt, denn bei den diversen “normalen” Schauern ist kein Regen in die Kleidung eingedrungen. – Der Härtetest in Sachen Regen für meine Ausrüstung begann dann sehr plötzlich gegen 17:15 Uhr zwischen Bremervörde und Zeven. Da hat mich eine Starkregengewitterfront erwischt, bei der es wie aus Kübeln goss, allerdings kam der Regen selten von oben, sondern meist von rechts horizontal angerauscht. Zu dem Zeitpunkt fuhr ich gerade auf dem Radweg neben der B71 und es ging eben (oder sogar leicht bergab) immer nur geradeaus, so dass ich trotz schlechter Sicht durch den Starkregen mit vollem Tempo weiterfahren konnte. Das Ziel lag ja nur noch eine Stunde entfernt. – Die Regenklamotten kamen dabei dann doch an ihre Grenzen. Alle Taschen haben jedoch perfekt dicht gehalten. Das ist ja das Wichtigste. – Nach dem kräftigen Guss kam übrigens sofort strahlender Sonnenschein raus; genau genommen sogar noch während des ausklingenden Regens, denn es gab einen schönen kompletten Regenbogen.

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Als ich dann gegen 18:30 Uhr endlich auf dem Campingplatz Sonnenkamp in Zeven ankam, war natürlich niemand mehr an der Rezeption (Sonntags nur bis 17:30 besetzt). Kein Problem, denke ich und rufe die angegebene 24-h-Rufnummer an, aber auch nach zwei Versuchen ging dort niemand ran. 🙁 Die einzige Hoffnung war, dass man in dem italienischen Restaurant neben dem Gelände eine Nummer hatte, unter der wirklich noch jemand zu erreichen ist. Die hatte der Inhaber zwar nicht, aber er meinte, ich könne einfach aufs Gelände fahren und mir einen Platz aussuchen. Es gäbe überall Strom und Wasseranschlüsse etc. und die Anmeldung könne ich dann ja morgen früh nachholen, wenn wieder jemand da ist. – Aufgrund des Regens hatte ich ja wieder ein bisschen mit einer festeren Behausung geliebäugelt, aber das ging jetzt natürlich nicht. Also habe ich in einer trockenen Phase mein Zelt aufgebaut. Zum Glück habe ich auch den Zeltanbau als Fahrradgarage mit, denn als ich gerade alles aufgebaut hatte, fing es wieder an zu regnen. Also habe ich nur noch schnell das noch bepackte Rad ins Zelt geschoben und konnte dann in Ruhe alles im Trockenen auspacken und mir dort – neben meinem Rad – nach dem Duschen auch mit dem Trangia ein Abendessen kochen. Sehr praktisch. – Das einzig unangenehme waren nur die vielen Schnaken, also diese harmlosen, aber lästigen, langbeinigen, fliegenden Viecher, die sich scharenweise um meine kleine Deckentaschenlampe bzw. später dann um den ausbrennenden Trangia versammelt haben. Den Kontakt mit dem Feuer haben die meisten nicht überlebt. Doofe, lebensmüde Viecher! Im Gegensatz zu meinem Schlafzelt, hat der Anbau nämlich kein Innenzelt zum Schutz vor Insekten, aber praktisch ist er dennoch sehr, da er Platz satt bietet.

Zur Stimmungslage: Die war heute ganztägig prima! 🙂

Ich habe morgens wieder länger gebraucht als gehofft und bin erst spät losgefahren, aber ich fand es nicht schlimm. Es hat immer wieder geregnet, aber ich fand es nicht schlimm. Ich bin wieder spontan von der vorher geplanten Route abgewichen, aber es war nicht schlimm. – All die Dinge, die mich gestern noch gestört hätten, waren mir heute egal, denn es gehört dazu und irgendwie wird’s schon klappen.
Und wenn man dem Körper regelmäßig Energienachschub liefert, beschwert er sich auch gar nicht so. 😉

Mit dem heutigen Tag war ich also noch viel zufriedener als gestern und ich habe so langsam das Gefühl, einigermaßen auf der Tour angekommen zu sein. Morgen werde ich schon die Weser erreichen, so dass sogar die spontane Routenumplanerei weitestgehend wegfallen sollte, da ich – entsprechend dem Radweg D9 – für eine ganze Zeit lang einfach immer an der Weser fahren möchte. Entlang der Weser gibt es auch mehr größere Orte und mehr Campingplätze als hier oben im Norden, so dass die Fahrt grundsätzlich entspannter wird, da ich nicht unbedingt eine bestimmte km-Zahl bis zu einem Ziel erreichen muss, sondern wirklich ziemlich frei fahren kann, bis ich keine Lust mehr habe bzw. es Zeit wird für das Nachtlager. – Ursprünglich dachte ich, dass es gerade am ersten Tag kein Problem ist, eine besonders lange Strecke zu fahren, weil man da noch besonders motiviert und fit ist, aber jetzt weiß ich, dass man – zumindest, wenn man (wie ich) noch keine Erfahrung mit solchen Touren hat – es gerade am Anfang etwas ruhiger angeben lassen sollte, da das unbedingte Erreichen-Müssen weit entfernter Ziele Stress verursacht, weil – wie man gestern gesehen hat – gerne mal unvorhergesehene Probleme auftreten.

Und hier noch er GPS-Track der heutigen Strecke. Die Farben des Tracks zeigen wieder die relativen Höhen: Blau für tief und je heller das grün, desto höher.

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Und noch ein Tipp zum Schluss: Wer eine gut zu fahrende Strecke sucht, ist mit der Rad-Navigation von Google Maps nicht immer gut bedient. 🙁 Kurz vor dem Campingplatz hat mich die Google-Rad-Navigation über eine vermeintliche Abkürzung zum Campingplatz gelotst. Kurz war sie vermutlich, aber dafür ging es sandige Feldwege bergauf, schlammige Waldwege bergab usw. Ich glaube, da wäre ich in diesem Fall mit der Auto-Navigation besser gefahren…

Samstag, 03.09.2016:

Startfoto vor der Haustür meiner AirBnB-Unterkunft
Startfoto vor der Haustür meiner AirBnB-Unterkunft.

Heute war nun endlich der erste richtige Tourentag, d. h. es ging endlich los!

Die ersten paar Meter in Flensburg....
Die ersten paar Meter in Flensburg….

Gestern Abend ist es dann leider doch kurz nach Mitternacht geworden, bevor ich endlich ins Bett fiel und sofort einschlief. Der Wecker stand auf 7 Uhr, weil ich um 8 Uhr starten wollte. Ich dachte, dass eine Stunde für Umziehen, Zähneputzen, Sachen packen, runterschleppen und Fahrrad beladen reichen sollte. Letztlich hat es 2 Stunden gedauert und ich bin erst um ziemlich genau 9 Uhr losgefahren. 🙁 Zu meiner Ehrenrettung muss ich aber auch sagen, dass ich es mit dem Packen gar nicht sooo eilig hatte, weil es morgens – auch um 8 Uhr noch – in Strömen regnete, aber zum Glück hörte der Regen dann bald auf. So konnte ich entgegen der Befürchtung die Regensachen sofort wieder einpacken und bin den ganzen Tag nur mit meinem dünnen Langarmschirt gefahren, was völlig ausreichte. Etwas trüb war der Himmel am Anfang aber trotzdem noch.

Damit startete der Tag jedenfalls schon mal denkbar schlecht, denn ich hatte ja eigentlich das – laut Planung – 147 km entfernte Hodorf (süd-westlich von Itzehoe; am Fluss Stör gelegen) als Ziel und wollte bis 18 Uhr da sein, damit ich noch genug Zeit habe, um im Hellen mein Zelt auf dem Campingplatz aufzubauen und mein Essen auf dem Trangia zu kochen. Der Trangia ist ein legendärer, schwedischer Brennspitituskocher, der durch seine Technik und den Windschutz selbst bei Sturm noch funktionieren soll und vor allem als sehr kompaktes Komplettset inkl. zweier Töpfe und einer Pfanne daherkommt. Das ganze Kochsystem hat nur 22 cm Durchmesser und 10 cm Höhe, da alle Teile wunderbar ineinander passen; inkl. des optionalen Wasserkessels und dem Schneidebrett. Daher ist es optimal zur Selbstversorgung auf solchen Reisen.

Es ging also in Flensburg los. Das erste Etappenziel hieß Schleswig; ebenfalls direkt an der Ostsee gelegen. Wie geplant, bin ich ohne Frühstück gestartet, wollte mir aber nach ca. einer Stunde Fahrt ein belegtes Brötchen beim Bäcker holen. Noch in Flensburg kam ich zwar an einer Bäckerei vorbei, aber die ließ ich links – d.h. eigentlich rechts 😉 – liegen, denn der Plan war ja, mir nach einer Stunde in einem der nächsten Orte was zu holen. Tja, dumm nur, dass danach seeehr lang keine Orte oder nur kleine Käffer ohne Bäckerei kamen. 🙁 Ich habe sogar in einem Dorf einen Anwohner gefragt, ob es hier eine Bäckerei gäbe bzw. wo die nächste Bäckerei in Richtung Schleswig sei. Dazu fiel im nichts Konkretes ein und er meinte nur, dass ich da aber noch eine ganze Weile fahren müsste. Aber in Richtung Flensburg wisse er was. Danke, aber da komme ich gerade her und fahre bestimmt nicht nochmal zurück. Es blieb mir also nicht anderes übrig, ein paar Kilometer später an meine Notration (Bifi & Bifi Roll) zu gehen, die mir über den ersten kleinen Hunger halfen. Kurze Zeit danach kam überraschend eine Tankstelle mit Shop. Ich war zwar nicht drin, aber ich vermute, dass ich da was bekommen hätte. *grummel*

Nun ja, Bäckereien oder sonstige Läden für Verpflegung habe ich auf meiner Route tatsächlich dann erst wieder in Schleswig gefunden. Apropos “meine Route”. Ich hatte mir anhand der OpenStreetmap-basierten Radkarten (“OpenCyleMap” und “Sigma Cycle”) auf GPSies.com eine Route von Flensburg nach Hodorf (sowie natürlich die ganze Strecke nach Oberstdorf) geplant. Da mir allerdings von Anfang an eine Stunde fehlte, bin ich nur anfangs meiner Route gefolgt. Der Plan war eigentlich, mich von der Bundesstraße fernzuhalten und auf schöneren Radwegen rechts und links mehr oder weniger parallel der Bundesstraße zu fahren. Ich habe jedoch schnell festgestellt, dass a) die geplante Route einiges länger ist und außerdem die Wege nicht alle sooo wahnsinnig gut zu fahren sind. Daher habe ich mich ab da primär an den Wegweiser für Radfahrer in Richtung Schleswig gehalten. Das hat so einigermaßen funktioniert, aber manchmal fehlte die Beschilderung, so dass ich mich dann sicherheitshalber auf dem Garmin orientiert habe. Für Umwege durch Verfahren hatte ich weder Zeit noch Lust.

Mein Gemütszustand auf dem Weg nach Schleswig war nicht so toll, obwohl ich doch eigentlich hätte froh sein sollen, dass es endlich losgeht. Irgendwie lief bis dahin halt jede Menge schief. Ich habe morgens zu lange gebraucht und bin schon mit Verzögerung gestartet, dann habe ich kein Frühstück bekommen (Hunger ist immer schlecht für die Stimmung) und musste schon am ersten Morgen an die Notverpflegung (eigentlich nicht schlimm, weil man die ja nachkaufen kann, aber trotzdem gefiel mir das nicht). Die Strecke von Flensburg nach Schleswig war auch noch sehr hügelig. Zwar befand sich alles zwischen 0 und 50 Höhenmeter, aber wenn man die dauernd rauf und runter muss, ist das ganz schön kräftezehrend, aber vor allem geht es stark zu Lasten der Geschwindigkeit, weil man bergab gar nicht so viel aufholen kann, wie man bergauf verliert. Um das auszugleichen, bin ich dann ja auch noch von meiner liebevoll geplanten Route abgewichen und habe mich quasi auf unbekanntes Gelände begeben, so dass ich öfter mal stehen bleiben und mich neu orientieren musste, was zusätzlich Zeit kostete; aber sicher weniger als die geplante, längere Route. Ich habe dann mal die Durchschnittsgeschwindigkeit auf die geplante Strecke von 147 km hochgerechnet und heraus kam, dass ich es heute wohl kaum bis zum geplanten Ziel Hodorf schaffen würde. 🙁 Das wäre ja nicht sooo schlimm, wenn es auf dem Weg dorthin ausreichend andere Unterkünfte gegeben hätte, aber – zumindest in den Karten, die ich zum Recherchieren benutzt habe, gibt es im hinteren Teil (z. B. bei um die 100 km) keine Campingplätze und keine Jugendherberge… und in ein teueres Hotel wollte ich nicht. Im Notfall also vielleicht wild zelten? Hmm, die erste Zeltübernachtung auf der Tour sollte nicht gerade wild und bei für die Nacht angekündigtem Regen sein. Da wollte ich mich erst mal langsam rantasten und zunächst auf einen Campingplatz vertrauen. Ergo: Irgendwie alles doof! 😉

Aber lustige Dinge gibt es am Wegrand zu sehen. Es kennt ja sicher jeder Wetterhähne auf Kirchtürmen, aber Wetterkühe auf Scheunen kannte ich bisher nicht. Finde ich aber super! 🙂

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Wetterkuh

Oder die folgenden Heu(?)-Ballen in rosa Verpackung. Eigentlich kenne ich sowas nur in weiß oder dunkelgrün, aber rosa…!? Also entweder gehört der Hof einer Bäuerin oder der Bauer ist vom anderen Ufer… 😉

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Nach 3 Stunden und (aufgrund der Abkürzung über die Radwege von dickeren Straßen) nur 39 km – geplant waren mal 50 km – kam ich dann jedoch endlich in Schleswig an, fand sofort eine Bäckerei und deckte mich mit einem süßen Teilchen und einem Frikadellenbrötchen sowie einer kalten Cola ein. Mittlerweile war auch die Sonne rausgekommen und ich habe einen wunderschönen Platz auf einer Bank direkt am Schloss Schleswig mit Blick auf den Weiher und allerlei interessanter, zeitgenössischer, lebensgroßer Menschenskulpturen gefunden, wo ich mich über das Teilchen und die Cola hermachte, da mein Körper schon eine ganze Weile nach schneller Energie in Form von Zucker rief. Das Frikadellenbrötchen habe ich mir für später aufgehoben.

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Skulptur im Garten des Schloß Schleswig

Als ich da so saß und aß, kam ein Pärchen (vielleicht so um die 50 Jahre) an und der Mann begutachtete intensiv mein Rad. Zunächst sagte er nichts, aber dann meinte er: “Aha, ein Wild One. Habe ich erst gar nicht erkannt, bei all dem Gepäck.” Er war also offensichtlich ein Kenner, denn welcher “normale” Mensch kennt schon Liegedreirad-Marken bzw. -Modellbezeichnungen? Es stellte sich raus, dass er auch ein Liege-Trike hat. Seines ist allerdings von einer englischen Firma und ein mit nur 63(?) cm sehr schmales – wie er sagte – Renn-Trike. Mein Trike ist 80 cm breit und liegt sehr stabil in der Kurze. Bei nur 63 cm ist das ganze deutlich kippeliger, so dass er sich in Kurven sehr stark in die Kurve legen muss, um nicht umzukippen. Mag ja für ihn geeignet sein, aber für längere Touren mit Gepäck wäre das nichts. Das ist dann ein reines Sport-Trike; aber man nimmt ja auch kein Rennrad, wenn man mit Gepäck unterwegs ist.

Nachdem ich mich also gestärkt, die Sonne und die schöne Gegend genossen hatte, machte ich mich auf die zweite Etappe des Tages von Schleswig nach Rendsburg, wo es dann unter dem Nord-Ostsee-Kanal durchgehen sollte.

In Schleswig gab es dann vor dem Gericht noch eine Figur mit demütig gesenktem Kopf. Wie passend!

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Nach dem Verlassen von Schleswig zeigte ein Blick zurück das folgende schöne Panorama:

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p1000207Dieser zweite Streckenteil hat meine Laune erheblich verbessert! Das Wetter war weiterhin schön sonnig, ich war satt und hatte daher neue Kräfte gewonnen und die Strecke selbst wurde auch wesentlich besser. Es ging nämlich deutlich weniger auf und ab, sondern viel mehr in der Ebene oder teilweise sogar mit leichtem Gefälle. Herrlich! Hier konnte ich endlich wieder Tempo machen, was die Durchschnittsgeschwindigkeit steigerte, so dass das Ziel Hodorf vielleicht doch wieder in Reichweite rückte? Als ich dann auch noch den Fluß “Sorge” überquerte und somit – Achtung, schlimmes Wortspiel – die Sorge(n) hinter mir lassen konnte, ging es mir endgültig gut. Meine Laune war super und ich freute mich unterwegs zu sein. Was kann es besseres geben? – Puh, was für ein Kontrast zu meinen Gedanken von heute Vormittag! – Eine unglaubliche Erfahrung… und das schon am ersten Tag. Wow!

Nach ca. 2,5 Stunden und insgesamt (von Flensburg aus) knapp 73 km kam ich dann um 15 Uhr in Rendsburg an. Ich fand eine Tankstelle und holte mir zwei Dosen gekühltes Radler, welche zunächst in meiner kleinen Kühltasche verstaut wurden. Eines ist für heute Abend gedacht und eines für die nächste Pause, denn mittlerweile meldete sich der Hunger wieder. Ich fand eine schöne Bank mit Blick aufs Wasser – genauer die “Untereider” – gönnte mir das Frikadellenbrötchen und ein Radler. Die Eider ist ein Fluß, der neben dem Nord-Ostsee-Kanal durch Rendsburg fließt, wobei die Untereider ein Seitenarm der Eider zu sein scheint.

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Untereider-Panorama in Rendsburg

Spannender ist hier jedoch, wie man über den Nord-Ostsee-Kanal kommt, denn es gibt in Rendsburg nur zwei sehr hohe Brücken, damit die großen Schiffe drunter durchpassen. Die eine ist für die Autobahn und die andere für die Bahn. Für Fußgänger und Radfahrer haben sich die Rendsburger aber was ganz Tolles einfallen lassen! Es gibt einen Tunnel unter dem Nord-Ostsee-Kanal durch, der nur für Fußgänger und Radfahrer gedacht und geeignet ist. Man gelangt mit einem Aufzug nach unten in den Tunnel, fährt dann unterdisch ein kurzes Stück mit dem Rad und fährt auf der anderen Seite mit einem anderen Aufzug wieder hoch. Das ganze ist auch noch kostenlos! Echt klasse. 🙂

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Meine Laune war zunächst gut, als ich zur dritten Teiletappe aufbrach, von Rendsburg nach Hohenwestedt, verschlechterte sich aber sehr bald wieder aus diversen Gründen. Erstens gab es ein mehrere Kilometer langes Teilstück, welches sogar als offizieller Radweg ausgeschildert war, das für mich als Trike-Fahrer aber extrem unangenehm zu fahren war, denn es gab nur rechts und links jeweils eine gepflasterte Spur und in der Mitte einen breiten, lockeren Grünstreifen mit recht hohem Gras, so dass immer mindestens ein Reifen auf Erde/Gras fahren musste, was extrem stark gebremst hat. Das kostete wieder ordentlich Kraft, und fürs schnelle Vorankommen war das natürlich auch Gift.

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Damit aber nicht genug. Als die Fahrbahnbeschaffenheit endlich besser wurde, ging es wieder dauernd leicht rauf und wieder runter und wieder rauf und wieder runter. Und dann haben sie mich auch noch veralbert. Es kam ein Schild, das besagte Hohenwestedt sei nur noch 11 km entfernt und wenige Hundert Meter weiter stand plötzlich ein Schild, das besagt, es seien noch 16 km. What the f*ck? Zum dem Zeitpunkt verstand ich bzgl. Entfernungen zu meinem nächsten Ziel echt keinen Spaß mehr! An der nächsten Kreuzung kam dann aber die Auflösung. Es gibt zwei ausgeschilderte Routen nach Hohenwestedt: eine 16 km lange über Nindorf und eine 11 km lange über Brinjahe. Es dürfte nicht schwer sein zu erraten, welche der beiden Routen ich genommen habe. 😉 Zu guter Letzt verdunkelte sich auch noch der Himmel vor mir, so dass ich schon damit gerechnet hatte, dass ich heute doch noch die Regensachen anziehen muss. In diesem Punkt hatte ich allerdings Glück, denn die Wolken, die mit Sicherheit auch Regen gebracht haben, zogen südlich vor mir vorbei und von Westen wurde es wieder heller. Die letzten Steigungen (Hohenwestedt, da ist der Name Programm) haben mir den Rest gegeben und so habe ich inständig gehofft, dass es dort – im Gegensatz zu den meisten Orten bzw. Örtchen nach Rendsburg doch bitte bitte ein Geschäft oder wenigstens eine Tankstelle geben möge. Um 18 Uhr – gut 2,5 Stunden nach dem Aufbruch in Rendsburg – erreichte ich Hohenwestedt, sah eine Tankstelle und stürmt hinein, um mich mit Schokolade, Plätzchen und einer weiteren Cola einzudecken, welche ich sofort draußen vor der Tankstelle in mich hineinstopfte, um meinen tiefentladenen Energiespeicher wieder aufzufüllen. 18 Uhr war der Zeitpunkt, zu dem ich eigentlich schon auf dem Campingplatz in Hodorf sein wollte, was aber nach meiner Hochrechnung noch ca. zwei Stunden entfernt lag. Ankunft um 20 Uhr war etwas spät, um dann noch in die Dämmerung hinein das Zelt aufzubauen und zu kochen; außerdem war ja Regen für die Nacht und den Morgen angekündigt. Daher rief ich erst mal beim Campingplatz an, weil ich in Erinnerung hatte, dass sie – außer Platz für Wohnwagen und Zelt – auch Zimmer und einen Wohnwagen vermieten. Alles OK, ein Zimmer und der Wohnwagen sind noch frei. Also, sagte ich zu und kündigte meine Ankunft für ca. 20 Uhr an. Im Aldi kaufte ich noch schnell eine Packung Würstchen fürs Abendessen, da ich vor hatte, mir abends eine Packung Nissin-Nudeln, welche ich noch bei den mitgebrachten Vorräten hatte, aufzukochen und dann die Würstchen reinzuschnippeln.

So beginnt dann das vierte und letzte Teilstück der heutigen Tagesetappe von Hohenwestedt über Itzehoe nach Hodorf. Und zum zweiten Mal bessert sich meine Laune deutlich, weil ich keinen Heißhunger mehr habe, weil die Strecke wieder besser ist (deutlich mehr bergab als bergauf) und – entgegen meinen bisherigen Befürchtungen – es nun scheinbar doch noch möglich sein wird, mein ursprünglich geplantes Ziel zu erreichen. Das hatte ich bis Hohenwestedt eigentlich zu keinem Zeitpunkt mehr für möglich gehalten, aber es hat doch geklappt. 🙂

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Fährhaus Hodorf

Ankommen bin ich dann am Fährhaus Hodorf um 20:20 Uhr nach insgesanmt 132,0 km. Für die Übernachtung habe ich mich dann für den Wohnwagen entschieden, weil ich noch nie in einem Wohnwagen übernachtet habe und ich das Fahrrad direkt vor dem Wohnwagen unter dem Vorzelt abstellen kann. Außerdem habe ich den noch etwas günstiger bekommen, weil ich meinen eigenen Schlafsack verwende und so keine Bettwäsche brauche.

Dass ich hier duschen, meine Trinkbeutel mit Leitungswasser auffüllen, mein Abendessen mit dem Trangia kochen und sogar meine Wäsche waschen konnte, rundet das ganze noch ab.

Fazit: Es war ein ereignisreicher, anstrengender, aber letztlich schöner und erfolgreicher Tag. Ich habe viel gelernt; vor allem, dass ich alle 2 (höchstens 3) Stunden eine Essenspause machen muss, denn sonst rächt sich der Körper mit schlechten Leistungen und – eigentlich schlimmer noch – schlechter Laune. Und wer will schon einen Körper mit schlechter Laune haben? 😉

Und hier noch er GPS-Track der heutigen Strecke. Die Farben des Tracks zeigen wieder die relativen Höhen: Blau für tief und je heller das grün, desto höher.

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Und das Höhenprofil, welches sehr gut beweist, dass es wirklich dauert leicht rauf, leicht runter ging:

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PS: Mittlerweile regnet es. Mal sehen, was der morgige Tag bringt. Die Wetterprognose ist jedenfalls sehr durchwachsen… die Regensachen werden also ziemlich sicher zum Einsatz kommen.