Dienstag, 06.09.2016:

Wie? Nicht mal ganz 33 km? Schwächelt der jetzt schon?

Nein, natürlich nicht, aber den Grund seht Ihr auf dem folgenden Bild vom direkt an der Weser gelegenen Campingplatz in Drakenburg.

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In der Mitte mein Zelt auf der ansonsten leeren Zeltwiese. Überhaupt scheint dort auf dem Campingplatz – zumindest werktags – nicht so besonders viel los zu sein. Vielleicht liegt’s daran, dass er zu einem Wassersportverein gehört und in dem Sinne kein ganz normaler Campingplatz ist? Aber mich hat die Ruhe nicht gestört; im Gegenteil! Rechts seht Ihr zwischen den Bäumen die Weser; das Weiße gehört zu einem Boot, das dort am Steg festgemacht war. Mein Zelt stand höchstens 5 Meter von der Weser entfernt. 🙂 Der Grund für die wenigen Kilometer ist aber der Wäscheständer dazwischen. Ich hatte gestern immer noch die nassen/klammen Klamotten vom Regentag vorgestern dabei, weil die in Zeven nicht über Nacht im Zelt getrocknet sind, obwohl ich sie mit praktischen Reisefaltbügeln aufgehangen hatte. Außerdem hatte ich auf dem Campingplatz abends noch ein paar Sachen in die Waschmaschine geschmissen. Leider sind die Sachen in der Abendsonne nicht schnell genug getrocknet und dann stieg auch schon bald Nebel auf und machte alles eher wieder feuchter als trockener. Die Außenzelte waren natürlich auch noch sehr nass. Um nun alles mal richtig trocken werden zu lassen, habe ich beschlossen, der Wäsche und dem Zelt so lange die schöne Morgensonne zu gönnen, bis alles trocken ist.

In der Zwischenzeit habe ich dann noch den gestrigen Blogeintrag hochgeladen. Der war zwar abends noch fertig geworden, aber die Internet-Verbindung vom Notebook aus über das Handy hatte irgendwie nicht mehr funktioniert. Morgens ging es dann wieder. Dann habe ich mich noch etwas ausgeruht, ein paar Kekse gefrühstückt (mehr gab der Fundus nicht mehr her) und dann irgendwann mal so langsam alles eingepackt, als die Sachen versprachen, bald trocken zu sein. Losgekommen bin ich daher heute erst gegen 13:30 Uhr.

Vorteil des späten Losfahrens: Alles konnte schön in der Sonne trocknen. Der Nachteil ist aber, dass das Zusammenpacken bei höheren Temperaturen in der Sonne schweißtreibender ist als am frühen, kühlen Morgen. Wenn möglich, bevorzuge ich daher die frühere Abreise. 😉

Dann suchte ich in Nienburg erst mal eine Bäckerei, fand aber als erstes eine Tankstelle. Ich dachte mir, dass ich da wenigstens schon mal kühle Getränke (Cola und ein Radler für später) bekommen würde (war auch so), aber die belegten Minibaguettes sahen auch gut aus, so dass ich auch diese mitnahm und eines davon auf einem schattigen Plätzchen neben der Tankstelle um 14 Uhr verspeiste, als Frühst… äh, Mittagessen. Beim Losfahren sah ich dann, dass direkt dahinter zwei Bäckereien waren, aber da hätte ich vermutlich kein Radler bekommen und außerdem waren die beiden Tankstellen-Baguettes überraschend gut.

Auf dem Weserradweg gibt es immer mal wieder diese – siehe Foto – schönen, recht neuen Rasthäuschen, die bei Sonne – so wie heute – Schatten spenden und auch bei Regen zu einer Rast einladen. Echt super für Radwanderer. Hier habe ich gegen 16 Uhr das zweite Minibaguette und den Rest der Cola vertilgt.

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Durch die Rast war ich eigentlich gut gestärkt für einige weitere Kilometer, aber obwohl ich heute Morgen… äh, Mittag… na gut, Nachmittag… erst spät losgekommen bin, wollte ich dennoch heute mal früher Schluss machen, damit sich der ganze Rhythmus aus Fertigmachen, Losfahren, Zelt aufbauen, Duschen, Essen, und Bloggen sich etwas nach vorne verschiebt, denn es wurde die letzten Abende manchmal doch recht spät, was für einen frühen Aufbruch nicht gerade hilfreich ist.

Daher habe bereits um kurz nach 17 Uhr den Campingplatz in Stolzenau angesteuert, der ebenfalls direkt an der Weser liegt. Der nächste Campingplatz auf meiner Liste wäre in Petershagen gewesen, aber dafür hätte ich noch fast 2 Stunden fahren müssen. 19 Uhr auf dem Campingplatz war mir dann aber zu spät, da es mittlerweile doch recht früh dunkel wird.

Die letzten Tage gab es immer Nudeln mit Würstchen in verschiedenen Variationen, weil ich die Sachen hatte und insbes. die Würstchen sich ja auch nicht ewig halten. Heute jedoch habe ich mir ein paar Kartoffeln gekauft und dazu fertige Bolognese-Sauce. Klingt jetzt ungewöhnlich, ist es wahrscheinlich auch, aber nach 3 Tagen Nudeln wollte ich mal was anderes und lecker war’s auf jeden Fall. Ich koche immer auf meinem schwedischen Trangia-Brennspiritus-Kocher. Das geht wirklich prima. Das folgende Foto zeigt mich beim Kartoffelschneiden, während das Wasser schon mal heiß wird. Damit’s schneller geht, steht die Pfanne als Deckel auf dem Topf drauf. Das silberne ist der Windschutz. – Mein Zelt ist übrigens hinten rechts vor dem Weg, aber ganz knapp nicht mehr zu sehen. Das einzige, was man davon sieht ist ein kleines gelbes Fähnchen von einer der Abspannschnüre, damit niemand drüber stolpert.

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Das Foto hat übrigens eine Norwegerin gemacht, die ebenfalls mit dem Rad unterwegs ist und dort ihr Zelt aufgeschlagen hat. Sie fährt allerdings ein normales Zweirad, dafür mit einrädrigem Anhänger, hat also insgesamt auch drei Räder. Wir haben uns auf Englisch unterhalten und sie erzählte dann, dass sie die ganze Strecke von Norwegen bis hier gefahren ist und weiterfahren möchte bis nach Spanien und Portugal und dann wohl noch nach Italien. Dafür hat sie sich ein Jahr Zeit genommen. Außerdem erzählte sie, dass sie, als ihr Sohn 13 Jahre alt war, ihm versprochen hat, mit ihm ins Disneyland nach Paris zu gehen, wenn – ja wenn(!) – sie dahin mit dem Rad fahren. Und das haben sie dann wohl auch tatsächlich so gemacht; mit täglichen Etappen von ca. 100 km. Tolle Leistung, schon für einen Erwachsenen, aber erst recht für einen 13-Jährigen. Wow.

Bisher ist es mir immer gelungen Strom ins Zelt legen zu können, so dass ich abends problemlos bloggen und alle meine Akkus (Garmin GPS sowie Fahrradlampen vorne und hinten) und das Handy aufladen konnte. Notfalls käme ich aber auch mal eine Nacht ohne Strom aus, weil das Notebook (Surface 3 Pro) ganz gut durchhält, ich einige vollgeladene Ersatzakkus sowie eine 5000 mAh PowerBank (Sanyo Mobile Booster) für das Handy dabei habe. Mein “Arbeitszimmer” zum Bloggen sieht dann allabendlich so aus:

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Ich sitze dabei übrigens auf meiner Isomatte, einer Thermarest Trail Pro in Größe L, auf der ich auch immer sehr gut schlafe. Da ich selbst 1,80 m groß bin, wäre die normale Größe (“regular”) mit einer Länge von 183 cm etwas knapp. Daher habe ich mich für die 196 cm lange und 63 cm breite “Large”-Variante mit 5 cm Dicke entschieden, was ich nicht bereut habe. Der blaue Schlafsack im Hintergrund ist ein Frilufts Leera Comfort; ebenfalls in Größe L, d.h. für Körpergrößen von 175 – 190 cm. Es handelt sich dabei um einen Kunstfasterschlafsack. Daune wäre zwar kleiner und leichter gewesen, aber da ich recht leicht schwitze und Kunstfaser schneller trocknet, habe ich mich gegen Daune entschieden. Zum Schlafen wird das ganze noch abgerundet durch ein praktisches, aber bequemes, aufblasbares Kissen (Sea To Summit Aeros Ultralight Pillow), welches gut in das Kopfteil des Schlafsacks passt und so nachts nicht wegrutscht. Super. Schlafprobleme habe ich im Zelt im Prinzip keine, da es wirklich sehr bequem ist, aber dennoch bin ich nachts schon öfter aufgewacht als im heimischen Bett; allerdings auch immer schnell wieder eingeschlafen.

Und hier noch der obligatorische GPS-Track der heutigen Strecke. Die Farben des Tracks zeigen wieder die relativen Höhen: Blau für tief und je heller das grün, desto höher.

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Last, but not least: Das linke Knie hat sich zwar anfangs wieder gemeldet, aber nicht allzu schlimm, da es über den Tag ja eher besser wird.

Montag, 05.09.2016:

Da ich heute wieder “nur” eine Strecke von 100 km oder vielleicht sogar eher weniger schaffen wollte, hatte ich den Wecker wieder auf 8 Uhr gestellt. Abfahrt um 10 Uhr war OK, aber dadurch, dass ja auch noch das Zelt mitsamt Schlafsack, Isomatte etc. eingepackt werden musste, hat alles noch ein bisschen länger gedauert. Als ich gerade im Zelt dabei war, die Sachen in die Taschen zu packen, regnete es übrigens noch, so dass das Zelt nochmal richtig schön nass wurde. 🙁 Und zur Rezeption musste ich ja auch noch, um die Übernachtung zu bezahlen (10,- €). Dabei wollte die nette Dame von der Rezeption unbedingt mal auf dem Liegerad probesitzen. Nun ja, letztlich bin ich dann erst nach 10:30 Uhr losgekommen. 🙁

Von gestern waren ja alle Sachen, die ich am Körper trug, klamm bis klatschnass. Ich habe die dann zum Trocknen auf Bügel in mein Zelt gehängt. Ja, mein Zeltanbau, der eigentlich primär als Fahrradgarage gedacht war, hat mir gestern schon gute Dienste als großzügige und vor allem trockene Kochstelle geleistet hat, ist hoch genug und hat passende Ösen, um die Sachen dort hinzuhängen; siehe Bild.

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Nur leider war die Luftfeuchtigkeit durch den anhaltenden Regen in der Nacht so hoch, dass die Sachen keine Chance hatten, trocken zu werden. Schade, vor allem, weil auch noch die gute Regenjacke so nass war, dass es keinen großen Spaß machen würde, das klamme Ding wieder anzuziehen. Zum Glück habe ich eine zweite, wenn auch weniger gute Regenjacke eingepackt. Sie hat leider keine Kapuze, sitzt deutlich enger und hat auch keine so tolle variable Lüftungsmöglichkeiten wie die andere Jacke… aber besser als nichts. 😉 Die nassen Sachen habe ich erst mal in eine Tüte verpackt, um sie heute Abend – bei hoffentlich besserem Wetter – trocknen zu lassen.

Das Wetter war erst trüb, also stark bewölkt, aber immerhin trocken. Gegen Mittag kam sogar mal leichter Nieselregen runter, so dass ich meine Zweitregenjacke rausgekramt und angezogen habe. Etwas später wurden die Wolkenlücken immer größer und die Sonne kam immer mehr raus, so dass es mir in der Regenjacke bald schon wieder zu warm wurde und ich sie bei der nächsten Rast ausgezogen habe. Das gute Wetter hielt sich dann bis zum Abend. Es geht wettermäßig also deutlich bergauf. Juchu!

Eine Bäckerei habe ich schon kurz nach dem Start direkt in Zeven gefunden. Um die Suche zu beschleunigen, fragte ich eine Radfahrerin, wo denn die nächste Bäckerei sei. Eine war quasi direkt gegenüber, aber sie empfahl mir stattdessen eine, die 2 Straßen weiter lag, weil es da weniger voll sei. Netter Tipp. Ich kam wirklich sofort dran und die belegten Brötchen waren die besten, die ich bisher auf der Tour gegessen habe. Ähnlich war es übrigens gestern in Glückstadt. Da hatte ich auch einen Passanten (Mann mit Tochter) gefragt. Er verwies mich auf die beiden Bäckereien auf dem Platz gegenüber. Allerdings warnte er mich auch direkt, dass das die nicht so gut seien, weil es eben so System-Bäckereien seien, also kein richtiger alteingesessener Bäcker, der noch vieles/alles selbst macht. Er sollte damit übrigens recht behalten. Der Laden war eine Katastrophe! Die junge Bedienung hatte keine Ahnung und es hat alles sehr lange gedauert. Zur Krönung haben sie die auch noch den Belag so dermaßen in Remoulade ertränkt, dass bei jedem zweiten Biss etwas davon rausquoll und mir auf die Klamotten und/oder den Boden tropfte. Bei meiner Stammbäckerei in Aachen fragen sie wenigstens, ob man Remoulade oder Butter möchte. Ergo: Am besten Passanten fragen, die sich vor Ort auskennen, sich was empfehlen lassen und für einen Geheimtipp lieber einen kleinen Umweg in Kauf nehmen.

Mein Laune war auf der ersten Etappe von Zeven bis Sottrum mal wieder etwas gedrückt. Vielleicht weil ich noch später als bisher losgekommen bin. Vielleicht weil die Klamotten über Nacht nicht trocken geworden sind. Vielleicht weil ich gehofft hatte, dass es trocken bleibt, aber es nicht so aussah. Vielleicht weil… ach, was weiß ich. – Diesmal habe ich die schlechte Laune jedoch nicht einfach so hingenommen, sondern aktiv dagegen angekämpft, in dem ich Lieder gesungen habe. Keine Sorge, nur, wenn keiner in der Nähe war. 😉 Blöd, wenn einem zunächst nur melancholische Spirituals und Gospels einfallen oder Lieder von denen man neben dem Refrain höchstens noch Fragmente der Strophen zusammenbekommt. Aber gut ist, wenn es trotzdem funktioniert. 😉 Als ich dann mit Sottrum nicht nur die erste Teilstrecke des heutigen Tages erreicht, sondern noch dazu eine Tankstelle mit einer sehr freundlichen und sehr an der Tour interessierten Bedienung gefunden und je ein Radler für Mittagspause und Abendessen eingekauft hatte, war meine Laune wieder gut. Dazu trug allerdings auch das Wetter deutlich bei, denn die Sonne kam raus.

Das nächste große Ziel war Verden an der Aller bzw. die Weser, die kurz dahinter liegt. Bedeutend ist das für mich vor allem deshalb, weil sich die Gesamtstrecke in 4 unterschiedlich lange Teilstücke aufteilt. Die erste Etappe geht von Flensburg nach Verden bzw. die Weser. Diese Etappe habe ich quasi frei – anhand von OpenStreetMap-Karten und den darin verzeichneten Radwegen – geplant. Ab der Weser beginnt für mich das zweite und längste Teilstück der gesamten Tour, denn von der Weser bei Verden bis nach Donauwörth an der Donau (klar, oder?) folge ich dem Deutschland-Radweg D9. Danach folge ich als 3. Etappe bis Ulm dem D6 die Donau hinauf und schließlich folgt als viertes und letztes noch der Illerradweg bis Oberstdorf. Auch, wenn die 4 Etappen sehr unterschiedliche Länge haben, ist es doch ein sehr gutes Gefühl, das erste ca. 300 km lange Teilstück erfolgreich und recht schnell absolviert zu haben. Daher tanzten beim Anblick der Weser die Glückhormone. 😉

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Ursprünglich wollte ich heute bis zum Campingplatz Drakenburg bei/vor Nienburg kommen, was wieder ca. 100 km gewesen wären. Das hätte ich zwar konditionell problemlos geschafft, aber irgendwann am Nachmittag habe ich mir doch überlegt, dass es vielleicht besser wäre, heute nur bis Hoya zu fahren, was dann nur 75 km gewesen wären. Meinen angepeilten Schnitt von 100+ Kilometern pro Tag hätte das nicht gefährdet, weil der erste Tag ja mit 132 km zu Buche schlug. Außerdem würde ich dann mal vor 18 Uhr auf einem Campingplatz eintrudeln und so hoffentlich noch jemanden an der Rezeption antreffen. Außerdem könnte ich aufgrund der früheren Ankunft auch mal früher ins Bett, könnte früher aufstehen, früher losfahren und am nächsten Tag mehr wieder mehr Kilometer schaffen und trotzdem früh einen Campingplatz ansteuern. Es gab also eigentlich fast nur Argumente für einen früheren Halt in Hoya, statt Nienburg. In Hoya schaute ich dann mal genau nach, wo der Campingplatz ist, denn ich war mir nicht sicher, ob der direkt an der D9-Route, die hier zugleich der Weserradweg ist, liegt oder wenigstens ausgeschildert ist. Es stellte sich dann heraus, dass der Campingplatz, den ich in meiner Etappenliste Hoya zugeordnet hatte, in Wirklichkeit einiges vor(!) Hoya liegt. Ich war jetzt aber schon in(!) Hoya. Das hatte ich mir sogar notiert, aber wohl beim letzten Check der Liste nicht bemerkt. Um also zu dem “Hoya-Campingplatz” zu kommen, hätte ich fast 8 km zurück(!) fahren müssen. Aber das wollte ich natürlich auf keinen Fall! Lieber fahre ich nochmal 20 km weiter zum Campingplatz Drakenburg. Das ist dann auch genau der Campingplatz, den ich eigentlich mal als ursprüngliches Ziel des heutigen Tages ausgesucht und den ich mir außerdem als besonders empfehlenswert erachtet hatte, nachdem ich bei der Planung der Übernachtungsmöglichkeiten deren Webseite studiert hatte.

Am ersten Tag habe ich lange gezweifelt, ob ich Hodorf erreiche, aber ich habe es erreicht. Am zweiten Tag wollte ich ursprünglich zelten, hatte mir aufgrund des Regens aber schon vorgenommen, nach einer Unterkunft mit festem Dach zu fragen, aber letztlich blieb mir nichts anderes übrig als – wie geplant – zu zelten. Am dritten Tag hatte ich den Campingplatz Drakenburg als Wunschziel im Hinterkopf, habe dann aber aus guten Gründen den festen Entschluss gefasst, nicht dort hinzufahren, und bin doch dort gelandet. Komisch, bisher sind viele – naja zumindest einige – Pläne nur durch Zufall wahr geworden. Aber das Warum ist ja eigentlich egal, die Hauptsache ist, dass es geklappt hat.

An der Anmeldung war zwar niemand, aber unter der angegebenen Handynummer meldete sich sofort jemand und versprach, mich abzuholen, was dann auch sogleich geschah. Ein netter, älterer Herr kam auf dem Fahrrad angefahren, hat mich freundlich willkommen geheißen und mir alles gezeigt. Super! Und die Übernachtung kostet sogar nur 7,- € für eine Person mit Zelt. Dazu habe ich noch für 2,50 € eine Münze für die Waschmaschine gekauft. Direkt neben meinem Zelt, für das ich auch wieder Stromanschluss habe, steht außerdem eine fest installierte Wäschespinne. Ich habe die feuchten Sachen sofort aufgehängt, allerdings waren sie bis zum endgültigen Sonnenuntergang noch nicht trocken und als ich das nächste Mal geprüft habe, war schon erster Nebel aufgestiegen und die Sachen eher noch feuchter als vorher. Ich habe jetzt die frisch gewaschenen Sachen dazu gehängt und hoffe, dass morgen früh die ersten Sonnenstrahlen die Feuchtigkeit schnell wieder vertreiben. Ein Grund mehr, nicht allzu früh aufzubrechen, damit die Klamotten noch Sonne tanken können. 😉

Thema Gesundheit: Mir geht’s prima! Vorgestern hatte ich zwar einmal ganz kurz ein kleines Zwicken im linken Knie und einmal kurz im Oberschenkel, aber dann war das auch sofort wieder weg. Heute Morgen meldete sich dann aber das linke Knie wieder; nur das linke. Ich habe dann aber ruhig weitergetreten, nochmal verstärkt darauf geachtet, an Steigungen rechtzeitig runterzuschalten und z. B. beim Anfahren oder an Steigungen etwas stärker mit rechts zu treten. Das hat gut funktioniert. Je länger ich fuhr, desto seltener meldete sich das linke Knie und am Ende hatte ich es schon fast vergessen. Vielleicht habe ich gestern auch einfach nur zu viel gekniet im Zelt? Wer weiß… – Ich denke jedenfalls nicht, dass es was Schlimmes ist, denn ich habe ja heute immerhin auch 95 km geschafft, wobei es sogar immer besser wurde.

Und hier noch er GPS-Track der heutigen Strecke. Die Farben des Tracks zeigen wieder die relativen Höhen: Blau für tief und je heller das grün, desto höher. – Alles sehr entspannt heute. Kaum Steigungen, kein andauerndes Auf und Ab. Wunderbar. 🙂

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Sonntag, 04.09.2016:

Da es gestern Abend recht spät wurde, habe ich mir gegönnt, den Wecker auf 8 Uhr zu stellen. Aufgewacht bin ich sogar schon um 7:55 Uhr. Am liebsten hätte ich mich zwar wieder umgedreht und weitergeschlafen, aber es sollte ja mit der Tour weitergehen. Es hatte fast die ganze Nacht geregnet und auch am Morgen noch gelegentlich.

Ich hatte gehofft, am Tag 2 schneller zu sein mit Packen, Beladen usw… und das war ich auch, aber nur wenige Minuten, so dass ich doch erst wieder knapp 2 Stunden nach dem Wecker losfuhr. Diesmal also sogar erst um 10 Uhr, dennoch war ich vorsichtig optimistisch, die 100 km bis zum Campingplatz in Zeven zu schaffen und nicht erst wieder nach 20 Uhr anzukommen. Vorher hatte ich eh keine Unterkunft auf meiner Liste.

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Abfahrbereit vor dem Campingwagen am Fährhaus Hodorf.

Von Hodorf ging es zunächst nach Glücksstadt, wo ich mir zwei belegte Brötchen und – wie gestern schon – eine kleine 0,5 l Flasche Cola geholt habe. Das eine Brötchen habe ich auf der Fähre gegessen, um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Von der Zeit her war das allerdings eher ein Mittagessen statt ein Frühstück… also, ich hatte quasi ein Frikadellenbrötchen zum Brunch. 😉

Das andere Brötchen ist für später gedacht, weil – wie schon gestern – zu befürchten war, dass es unterwegs keine/kaum Orte gibt, die groß genug sind, um einen Bäcker zu haben, der noch dazu am Sonntag auf hat. Tankstellen sind auf dem Land scheinbar auch eher rar gesät. Und so war es dann auch. Daher war ich froh, ca. 2,5 Stunden später eine Rast in einem Bushäuschen zu machen und das Käsebrötchen zu essen. Weitere 2 Stunden später fand ich in Bremervörde eine Tankstelle und füllte die Energievorräte mit einem großen Twix und einem Radler wieder auf, um für die heutige Schlussetappe nach Zeven gerüstet zu sein. Natürlich kam ein zweites Radler fürs Abendessen mit. 🙂 Beim Neukauf von Getränken an den Tankstellen habe ich meist die alten, leeren Flaschen oder Dosen zurückgegeben, um Platz zu schaffen und das Pfand zurück zu erhalten.

Apropos Bushäuschen, kurz hinter Hodorf fand ich das folgende Bushäuschen. Sowas habe ich noch nie gesehen. Gemütlicher geht’s wohl kaum! p1000250

p1000257Die Fahrt mit der Elbfähre war prima. Es gab in Glückstadt eine lange Schlange mit Autos, die darauf warteten übersetzen zu können. Ich musste mich jedoch nicht hinten anstellen, sondern konnte auf dem Fuß- und Radweg bis ganz nach vorne vorfahren. Als ich ankam, war auch schon eine Fähre dabei anzulegen. Nachdem alle Fahrzeuge die Fähre verlassen hatten, konnte ich mit meinem Rad als erstes die Fähre entern.

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Stefan auf der Elbfähre

Auf der Fähre gab es – neben dem schon erwähnten Brötchen – auch ein nettes Gespräch mit zwei älteren Herren, die wohl öfters Touren zusammen unternehmen. Diesmal zwar nur eine kurze 2-Tagestour, aber den Weserradweg kannten sie wohl auch schon. Nach der Überfahrt durfte ich wiederum die Fähre als erster verlassen. 🙂

Thema Steigungen: Gestern hat mich das ständige Auf und Ab, ja noch kräftig geärgert. Heute waren die ersten ca. 50 Kilometer fast topfeben. Die zweiten 50 km hatten zwar ein paar Steigungen und Gefälle mit drin, aber wesentlich weniger als gestern. Sehr angenehm. Auch das trug zur guten Laune bei.

Heute bin ich den ganzen Tag nur in Regenklamotten gefahren, und es hat auch immer mal wieder kurze Schauer gegeben… aber auch sonnige Abschnitte, die allerdings in den Regenklamotten eher unangenehm waren. Regensachen ausziehen war aber auch keine Option, da die nächsten dunklen Wolken nie weit waren. Die Regensachen haben sich auch super bewährt, denn bei den diversen “normalen” Schauern ist kein Regen in die Kleidung eingedrungen. – Der Härtetest in Sachen Regen für meine Ausrüstung begann dann sehr plötzlich gegen 17:15 Uhr zwischen Bremervörde und Zeven. Da hat mich eine Starkregengewitterfront erwischt, bei der es wie aus Kübeln goss, allerdings kam der Regen selten von oben, sondern meist von rechts horizontal angerauscht. Zu dem Zeitpunkt fuhr ich gerade auf dem Radweg neben der B71 und es ging eben (oder sogar leicht bergab) immer nur geradeaus, so dass ich trotz schlechter Sicht durch den Starkregen mit vollem Tempo weiterfahren konnte. Das Ziel lag ja nur noch eine Stunde entfernt. – Die Regenklamotten kamen dabei dann doch an ihre Grenzen. Alle Taschen haben jedoch perfekt dicht gehalten. Das ist ja das Wichtigste. – Nach dem kräftigen Guss kam übrigens sofort strahlender Sonnenschein raus; genau genommen sogar noch während des ausklingenden Regens, denn es gab einen schönen kompletten Regenbogen.

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Als ich dann gegen 18:30 Uhr endlich auf dem Campingplatz Sonnenkamp in Zeven ankam, war natürlich niemand mehr an der Rezeption (Sonntags nur bis 17:30 besetzt). Kein Problem, denke ich und rufe die angegebene 24-h-Rufnummer an, aber auch nach zwei Versuchen ging dort niemand ran. 🙁 Die einzige Hoffnung war, dass man in dem italienischen Restaurant neben dem Gelände eine Nummer hatte, unter der wirklich noch jemand zu erreichen ist. Die hatte der Inhaber zwar nicht, aber er meinte, ich könne einfach aufs Gelände fahren und mir einen Platz aussuchen. Es gäbe überall Strom und Wasseranschlüsse etc. und die Anmeldung könne ich dann ja morgen früh nachholen, wenn wieder jemand da ist. – Aufgrund des Regens hatte ich ja wieder ein bisschen mit einer festeren Behausung geliebäugelt, aber das ging jetzt natürlich nicht. Also habe ich in einer trockenen Phase mein Zelt aufgebaut. Zum Glück habe ich auch den Zeltanbau als Fahrradgarage mit, denn als ich gerade alles aufgebaut hatte, fing es wieder an zu regnen. Also habe ich nur noch schnell das noch bepackte Rad ins Zelt geschoben und konnte dann in Ruhe alles im Trockenen auspacken und mir dort – neben meinem Rad – nach dem Duschen auch mit dem Trangia ein Abendessen kochen. Sehr praktisch. – Das einzig unangenehme waren nur die vielen Schnaken, also diese harmlosen, aber lästigen, langbeinigen, fliegenden Viecher, die sich scharenweise um meine kleine Deckentaschenlampe bzw. später dann um den ausbrennenden Trangia versammelt haben. Den Kontakt mit dem Feuer haben die meisten nicht überlebt. Doofe, lebensmüde Viecher! Im Gegensatz zu meinem Schlafzelt, hat der Anbau nämlich kein Innenzelt zum Schutz vor Insekten, aber praktisch ist er dennoch sehr, da er Platz satt bietet.

Zur Stimmungslage: Die war heute ganztägig prima! 🙂

Ich habe morgens wieder länger gebraucht als gehofft und bin erst spät losgefahren, aber ich fand es nicht schlimm. Es hat immer wieder geregnet, aber ich fand es nicht schlimm. Ich bin wieder spontan von der vorher geplanten Route abgewichen, aber es war nicht schlimm. – All die Dinge, die mich gestern noch gestört hätten, waren mir heute egal, denn es gehört dazu und irgendwie wird’s schon klappen.
Und wenn man dem Körper regelmäßig Energienachschub liefert, beschwert er sich auch gar nicht so. 😉

Mit dem heutigen Tag war ich also noch viel zufriedener als gestern und ich habe so langsam das Gefühl, einigermaßen auf der Tour angekommen zu sein. Morgen werde ich schon die Weser erreichen, so dass sogar die spontane Routenumplanerei weitestgehend wegfallen sollte, da ich – entsprechend dem Radweg D9 – für eine ganze Zeit lang einfach immer an der Weser fahren möchte. Entlang der Weser gibt es auch mehr größere Orte und mehr Campingplätze als hier oben im Norden, so dass die Fahrt grundsätzlich entspannter wird, da ich nicht unbedingt eine bestimmte km-Zahl bis zu einem Ziel erreichen muss, sondern wirklich ziemlich frei fahren kann, bis ich keine Lust mehr habe bzw. es Zeit wird für das Nachtlager. – Ursprünglich dachte ich, dass es gerade am ersten Tag kein Problem ist, eine besonders lange Strecke zu fahren, weil man da noch besonders motiviert und fit ist, aber jetzt weiß ich, dass man – zumindest, wenn man (wie ich) noch keine Erfahrung mit solchen Touren hat – es gerade am Anfang etwas ruhiger angeben lassen sollte, da das unbedingte Erreichen-Müssen weit entfernter Ziele Stress verursacht, weil – wie man gestern gesehen hat – gerne mal unvorhergesehene Probleme auftreten.

Und hier noch er GPS-Track der heutigen Strecke. Die Farben des Tracks zeigen wieder die relativen Höhen: Blau für tief und je heller das grün, desto höher.

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Und noch ein Tipp zum Schluss: Wer eine gut zu fahrende Strecke sucht, ist mit der Rad-Navigation von Google Maps nicht immer gut bedient. 🙁 Kurz vor dem Campingplatz hat mich die Google-Rad-Navigation über eine vermeintliche Abkürzung zum Campingplatz gelotst. Kurz war sie vermutlich, aber dafür ging es sandige Feldwege bergauf, schlammige Waldwege bergab usw. Ich glaube, da wäre ich in diesem Fall mit der Auto-Navigation besser gefahren…

Samstag, 03.09.2016:

Startfoto vor der Haustür meiner AirBnB-Unterkunft
Startfoto vor der Haustür meiner AirBnB-Unterkunft.

Heute war nun endlich der erste richtige Tourentag, d. h. es ging endlich los!

Die ersten paar Meter in Flensburg....
Die ersten paar Meter in Flensburg….

Gestern Abend ist es dann leider doch kurz nach Mitternacht geworden, bevor ich endlich ins Bett fiel und sofort einschlief. Der Wecker stand auf 7 Uhr, weil ich um 8 Uhr starten wollte. Ich dachte, dass eine Stunde für Umziehen, Zähneputzen, Sachen packen, runterschleppen und Fahrrad beladen reichen sollte. Letztlich hat es 2 Stunden gedauert und ich bin erst um ziemlich genau 9 Uhr losgefahren. 🙁 Zu meiner Ehrenrettung muss ich aber auch sagen, dass ich es mit dem Packen gar nicht sooo eilig hatte, weil es morgens – auch um 8 Uhr noch – in Strömen regnete, aber zum Glück hörte der Regen dann bald auf. So konnte ich entgegen der Befürchtung die Regensachen sofort wieder einpacken und bin den ganzen Tag nur mit meinem dünnen Langarmschirt gefahren, was völlig ausreichte. Etwas trüb war der Himmel am Anfang aber trotzdem noch.

Damit startete der Tag jedenfalls schon mal denkbar schlecht, denn ich hatte ja eigentlich das – laut Planung – 147 km entfernte Hodorf (süd-westlich von Itzehoe; am Fluss Stör gelegen) als Ziel und wollte bis 18 Uhr da sein, damit ich noch genug Zeit habe, um im Hellen mein Zelt auf dem Campingplatz aufzubauen und mein Essen auf dem Trangia zu kochen. Der Trangia ist ein legendärer, schwedischer Brennspitituskocher, der durch seine Technik und den Windschutz selbst bei Sturm noch funktionieren soll und vor allem als sehr kompaktes Komplettset inkl. zweier Töpfe und einer Pfanne daherkommt. Das ganze Kochsystem hat nur 22 cm Durchmesser und 10 cm Höhe, da alle Teile wunderbar ineinander passen; inkl. des optionalen Wasserkessels und dem Schneidebrett. Daher ist es optimal zur Selbstversorgung auf solchen Reisen.

Es ging also in Flensburg los. Das erste Etappenziel hieß Schleswig; ebenfalls direkt an der Ostsee gelegen. Wie geplant, bin ich ohne Frühstück gestartet, wollte mir aber nach ca. einer Stunde Fahrt ein belegtes Brötchen beim Bäcker holen. Noch in Flensburg kam ich zwar an einer Bäckerei vorbei, aber die ließ ich links – d.h. eigentlich rechts 😉 – liegen, denn der Plan war ja, mir nach einer Stunde in einem der nächsten Orte was zu holen. Tja, dumm nur, dass danach seeehr lang keine Orte oder nur kleine Käffer ohne Bäckerei kamen. 🙁 Ich habe sogar in einem Dorf einen Anwohner gefragt, ob es hier eine Bäckerei gäbe bzw. wo die nächste Bäckerei in Richtung Schleswig sei. Dazu fiel im nichts Konkretes ein und er meinte nur, dass ich da aber noch eine ganze Weile fahren müsste. Aber in Richtung Flensburg wisse er was. Danke, aber da komme ich gerade her und fahre bestimmt nicht nochmal zurück. Es blieb mir also nicht anderes übrig, ein paar Kilometer später an meine Notration (Bifi & Bifi Roll) zu gehen, die mir über den ersten kleinen Hunger halfen. Kurze Zeit danach kam überraschend eine Tankstelle mit Shop. Ich war zwar nicht drin, aber ich vermute, dass ich da was bekommen hätte. *grummel*

Nun ja, Bäckereien oder sonstige Läden für Verpflegung habe ich auf meiner Route tatsächlich dann erst wieder in Schleswig gefunden. Apropos “meine Route”. Ich hatte mir anhand der OpenStreetmap-basierten Radkarten (“OpenCyleMap” und “Sigma Cycle”) auf GPSies.com eine Route von Flensburg nach Hodorf (sowie natürlich die ganze Strecke nach Oberstdorf) geplant. Da mir allerdings von Anfang an eine Stunde fehlte, bin ich nur anfangs meiner Route gefolgt. Der Plan war eigentlich, mich von der Bundesstraße fernzuhalten und auf schöneren Radwegen rechts und links mehr oder weniger parallel der Bundesstraße zu fahren. Ich habe jedoch schnell festgestellt, dass a) die geplante Route einiges länger ist und außerdem die Wege nicht alle sooo wahnsinnig gut zu fahren sind. Daher habe ich mich ab da primär an den Wegweiser für Radfahrer in Richtung Schleswig gehalten. Das hat so einigermaßen funktioniert, aber manchmal fehlte die Beschilderung, so dass ich mich dann sicherheitshalber auf dem Garmin orientiert habe. Für Umwege durch Verfahren hatte ich weder Zeit noch Lust.

Mein Gemütszustand auf dem Weg nach Schleswig war nicht so toll, obwohl ich doch eigentlich hätte froh sein sollen, dass es endlich losgeht. Irgendwie lief bis dahin halt jede Menge schief. Ich habe morgens zu lange gebraucht und bin schon mit Verzögerung gestartet, dann habe ich kein Frühstück bekommen (Hunger ist immer schlecht für die Stimmung) und musste schon am ersten Morgen an die Notverpflegung (eigentlich nicht schlimm, weil man die ja nachkaufen kann, aber trotzdem gefiel mir das nicht). Die Strecke von Flensburg nach Schleswig war auch noch sehr hügelig. Zwar befand sich alles zwischen 0 und 50 Höhenmeter, aber wenn man die dauernd rauf und runter muss, ist das ganz schön kräftezehrend, aber vor allem geht es stark zu Lasten der Geschwindigkeit, weil man bergab gar nicht so viel aufholen kann, wie man bergauf verliert. Um das auszugleichen, bin ich dann ja auch noch von meiner liebevoll geplanten Route abgewichen und habe mich quasi auf unbekanntes Gelände begeben, so dass ich öfter mal stehen bleiben und mich neu orientieren musste, was zusätzlich Zeit kostete; aber sicher weniger als die geplante, längere Route. Ich habe dann mal die Durchschnittsgeschwindigkeit auf die geplante Strecke von 147 km hochgerechnet und heraus kam, dass ich es heute wohl kaum bis zum geplanten Ziel Hodorf schaffen würde. 🙁 Das wäre ja nicht sooo schlimm, wenn es auf dem Weg dorthin ausreichend andere Unterkünfte gegeben hätte, aber – zumindest in den Karten, die ich zum Recherchieren benutzt habe, gibt es im hinteren Teil (z. B. bei um die 100 km) keine Campingplätze und keine Jugendherberge… und in ein teueres Hotel wollte ich nicht. Im Notfall also vielleicht wild zelten? Hmm, die erste Zeltübernachtung auf der Tour sollte nicht gerade wild und bei für die Nacht angekündigtem Regen sein. Da wollte ich mich erst mal langsam rantasten und zunächst auf einen Campingplatz vertrauen. Ergo: Irgendwie alles doof! 😉

Aber lustige Dinge gibt es am Wegrand zu sehen. Es kennt ja sicher jeder Wetterhähne auf Kirchtürmen, aber Wetterkühe auf Scheunen kannte ich bisher nicht. Finde ich aber super! 🙂

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Wetterkuh

Oder die folgenden Heu(?)-Ballen in rosa Verpackung. Eigentlich kenne ich sowas nur in weiß oder dunkelgrün, aber rosa…!? Also entweder gehört der Hof einer Bäuerin oder der Bauer ist vom anderen Ufer… 😉

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Nach 3 Stunden und (aufgrund der Abkürzung über die Radwege von dickeren Straßen) nur 39 km – geplant waren mal 50 km – kam ich dann jedoch endlich in Schleswig an, fand sofort eine Bäckerei und deckte mich mit einem süßen Teilchen und einem Frikadellenbrötchen sowie einer kalten Cola ein. Mittlerweile war auch die Sonne rausgekommen und ich habe einen wunderschönen Platz auf einer Bank direkt am Schloss Schleswig mit Blick auf den Weiher und allerlei interessanter, zeitgenössischer, lebensgroßer Menschenskulpturen gefunden, wo ich mich über das Teilchen und die Cola hermachte, da mein Körper schon eine ganze Weile nach schneller Energie in Form von Zucker rief. Das Frikadellenbrötchen habe ich mir für später aufgehoben.

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Skulptur im Garten des Schloß Schleswig

Als ich da so saß und aß, kam ein Pärchen (vielleicht so um die 50 Jahre) an und der Mann begutachtete intensiv mein Rad. Zunächst sagte er nichts, aber dann meinte er: “Aha, ein Wild One. Habe ich erst gar nicht erkannt, bei all dem Gepäck.” Er war also offensichtlich ein Kenner, denn welcher “normale” Mensch kennt schon Liegedreirad-Marken bzw. -Modellbezeichnungen? Es stellte sich raus, dass er auch ein Liege-Trike hat. Seines ist allerdings von einer englischen Firma und ein mit nur 63(?) cm sehr schmales – wie er sagte – Renn-Trike. Mein Trike ist 80 cm breit und liegt sehr stabil in der Kurze. Bei nur 63 cm ist das ganze deutlich kippeliger, so dass er sich in Kurven sehr stark in die Kurve legen muss, um nicht umzukippen. Mag ja für ihn geeignet sein, aber für längere Touren mit Gepäck wäre das nichts. Das ist dann ein reines Sport-Trike; aber man nimmt ja auch kein Rennrad, wenn man mit Gepäck unterwegs ist.

Nachdem ich mich also gestärkt, die Sonne und die schöne Gegend genossen hatte, machte ich mich auf die zweite Etappe des Tages von Schleswig nach Rendsburg, wo es dann unter dem Nord-Ostsee-Kanal durchgehen sollte.

In Schleswig gab es dann vor dem Gericht noch eine Figur mit demütig gesenktem Kopf. Wie passend!

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Nach dem Verlassen von Schleswig zeigte ein Blick zurück das folgende schöne Panorama:

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p1000207Dieser zweite Streckenteil hat meine Laune erheblich verbessert! Das Wetter war weiterhin schön sonnig, ich war satt und hatte daher neue Kräfte gewonnen und die Strecke selbst wurde auch wesentlich besser. Es ging nämlich deutlich weniger auf und ab, sondern viel mehr in der Ebene oder teilweise sogar mit leichtem Gefälle. Herrlich! Hier konnte ich endlich wieder Tempo machen, was die Durchschnittsgeschwindigkeit steigerte, so dass das Ziel Hodorf vielleicht doch wieder in Reichweite rückte? Als ich dann auch noch den Fluß “Sorge” überquerte und somit – Achtung, schlimmes Wortspiel – die Sorge(n) hinter mir lassen konnte, ging es mir endgültig gut. Meine Laune war super und ich freute mich unterwegs zu sein. Was kann es besseres geben? – Puh, was für ein Kontrast zu meinen Gedanken von heute Vormittag! – Eine unglaubliche Erfahrung… und das schon am ersten Tag. Wow!

Nach ca. 2,5 Stunden und insgesamt (von Flensburg aus) knapp 73 km kam ich dann um 15 Uhr in Rendsburg an. Ich fand eine Tankstelle und holte mir zwei Dosen gekühltes Radler, welche zunächst in meiner kleinen Kühltasche verstaut wurden. Eines ist für heute Abend gedacht und eines für die nächste Pause, denn mittlerweile meldete sich der Hunger wieder. Ich fand eine schöne Bank mit Blick aufs Wasser – genauer die “Untereider” – gönnte mir das Frikadellenbrötchen und ein Radler. Die Eider ist ein Fluß, der neben dem Nord-Ostsee-Kanal durch Rendsburg fließt, wobei die Untereider ein Seitenarm der Eider zu sein scheint.

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Untereider-Panorama in Rendsburg

Spannender ist hier jedoch, wie man über den Nord-Ostsee-Kanal kommt, denn es gibt in Rendsburg nur zwei sehr hohe Brücken, damit die großen Schiffe drunter durchpassen. Die eine ist für die Autobahn und die andere für die Bahn. Für Fußgänger und Radfahrer haben sich die Rendsburger aber was ganz Tolles einfallen lassen! Es gibt einen Tunnel unter dem Nord-Ostsee-Kanal durch, der nur für Fußgänger und Radfahrer gedacht und geeignet ist. Man gelangt mit einem Aufzug nach unten in den Tunnel, fährt dann unterdisch ein kurzes Stück mit dem Rad und fährt auf der anderen Seite mit einem anderen Aufzug wieder hoch. Das ganze ist auch noch kostenlos! Echt klasse. 🙂

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Meine Laune war zunächst gut, als ich zur dritten Teiletappe aufbrach, von Rendsburg nach Hohenwestedt, verschlechterte sich aber sehr bald wieder aus diversen Gründen. Erstens gab es ein mehrere Kilometer langes Teilstück, welches sogar als offizieller Radweg ausgeschildert war, das für mich als Trike-Fahrer aber extrem unangenehm zu fahren war, denn es gab nur rechts und links jeweils eine gepflasterte Spur und in der Mitte einen breiten, lockeren Grünstreifen mit recht hohem Gras, so dass immer mindestens ein Reifen auf Erde/Gras fahren musste, was extrem stark gebremst hat. Das kostete wieder ordentlich Kraft, und fürs schnelle Vorankommen war das natürlich auch Gift.

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Damit aber nicht genug. Als die Fahrbahnbeschaffenheit endlich besser wurde, ging es wieder dauernd leicht rauf und wieder runter und wieder rauf und wieder runter. Und dann haben sie mich auch noch veralbert. Es kam ein Schild, das besagte Hohenwestedt sei nur noch 11 km entfernt und wenige Hundert Meter weiter stand plötzlich ein Schild, das besagt, es seien noch 16 km. What the f*ck? Zum dem Zeitpunkt verstand ich bzgl. Entfernungen zu meinem nächsten Ziel echt keinen Spaß mehr! An der nächsten Kreuzung kam dann aber die Auflösung. Es gibt zwei ausgeschilderte Routen nach Hohenwestedt: eine 16 km lange über Nindorf und eine 11 km lange über Brinjahe. Es dürfte nicht schwer sein zu erraten, welche der beiden Routen ich genommen habe. 😉 Zu guter Letzt verdunkelte sich auch noch der Himmel vor mir, so dass ich schon damit gerechnet hatte, dass ich heute doch noch die Regensachen anziehen muss. In diesem Punkt hatte ich allerdings Glück, denn die Wolken, die mit Sicherheit auch Regen gebracht haben, zogen südlich vor mir vorbei und von Westen wurde es wieder heller. Die letzten Steigungen (Hohenwestedt, da ist der Name Programm) haben mir den Rest gegeben und so habe ich inständig gehofft, dass es dort – im Gegensatz zu den meisten Orten bzw. Örtchen nach Rendsburg doch bitte bitte ein Geschäft oder wenigstens eine Tankstelle geben möge. Um 18 Uhr – gut 2,5 Stunden nach dem Aufbruch in Rendsburg – erreichte ich Hohenwestedt, sah eine Tankstelle und stürmt hinein, um mich mit Schokolade, Plätzchen und einer weiteren Cola einzudecken, welche ich sofort draußen vor der Tankstelle in mich hineinstopfte, um meinen tiefentladenen Energiespeicher wieder aufzufüllen. 18 Uhr war der Zeitpunkt, zu dem ich eigentlich schon auf dem Campingplatz in Hodorf sein wollte, was aber nach meiner Hochrechnung noch ca. zwei Stunden entfernt lag. Ankunft um 20 Uhr war etwas spät, um dann noch in die Dämmerung hinein das Zelt aufzubauen und zu kochen; außerdem war ja Regen für die Nacht und den Morgen angekündigt. Daher rief ich erst mal beim Campingplatz an, weil ich in Erinnerung hatte, dass sie – außer Platz für Wohnwagen und Zelt – auch Zimmer und einen Wohnwagen vermieten. Alles OK, ein Zimmer und der Wohnwagen sind noch frei. Also, sagte ich zu und kündigte meine Ankunft für ca. 20 Uhr an. Im Aldi kaufte ich noch schnell eine Packung Würstchen fürs Abendessen, da ich vor hatte, mir abends eine Packung Nissin-Nudeln, welche ich noch bei den mitgebrachten Vorräten hatte, aufzukochen und dann die Würstchen reinzuschnippeln.

So beginnt dann das vierte und letzte Teilstück der heutigen Tagesetappe von Hohenwestedt über Itzehoe nach Hodorf. Und zum zweiten Mal bessert sich meine Laune deutlich, weil ich keinen Heißhunger mehr habe, weil die Strecke wieder besser ist (deutlich mehr bergab als bergauf) und – entgegen meinen bisherigen Befürchtungen – es nun scheinbar doch noch möglich sein wird, mein ursprünglich geplantes Ziel zu erreichen. Das hatte ich bis Hohenwestedt eigentlich zu keinem Zeitpunkt mehr für möglich gehalten, aber es hat doch geklappt. 🙂

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Fährhaus Hodorf

Ankommen bin ich dann am Fährhaus Hodorf um 20:20 Uhr nach insgesanmt 132,0 km. Für die Übernachtung habe ich mich dann für den Wohnwagen entschieden, weil ich noch nie in einem Wohnwagen übernachtet habe und ich das Fahrrad direkt vor dem Wohnwagen unter dem Vorzelt abstellen kann. Außerdem habe ich den noch etwas günstiger bekommen, weil ich meinen eigenen Schlafsack verwende und so keine Bettwäsche brauche.

Dass ich hier duschen, meine Trinkbeutel mit Leitungswasser auffüllen, mein Abendessen mit dem Trangia kochen und sogar meine Wäsche waschen konnte, rundet das ganze noch ab.

Fazit: Es war ein ereignisreicher, anstrengender, aber letztlich schöner und erfolgreicher Tag. Ich habe viel gelernt; vor allem, dass ich alle 2 (höchstens 3) Stunden eine Essenspause machen muss, denn sonst rächt sich der Körper mit schlechten Leistungen und – eigentlich schlimmer noch – schlechter Laune. Und wer will schon einen Körper mit schlechter Laune haben? 😉

Und hier noch er GPS-Track der heutigen Strecke. Die Farben des Tracks zeigen wieder die relativen Höhen: Blau für tief und je heller das grün, desto höher.

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Und das Höhenprofil, welches sehr gut beweist, dass es wirklich dauert leicht rauf, leicht runter ging:

2016-09-03_hoehenprofil

PS: Mittlerweile regnet es. Mal sehen, was der morgige Tag bringt. Die Wetterprognose ist jedenfalls sehr durchwachsen… die Regensachen werden also ziemlich sicher zum Einsatz kommen.

Freitag, 02.09.2016:

Den Mietwagen haben meine Frau Tina und ich gestern Abend noch bei Europcar in Aachen abgeholt. Eigentlich war ein VW Passat Kombi geplant, da ich da sicher weiß, dass mein Liegedreirad reinpasst. Bekommen habe ich dann einen Opel Insignia Kombi. Der ist zwar auch nicht gerade klein, aber sicherheitshalber hatten wir das Rad mitgenommen und haben sofort vor Ort das Rad umgeladen, um zu testen, ob es passt. Nun, offensichtlich hat der Opel einen etwas niedrigeren Laderaum, so dass zunächst der Fahrradsitz am Dach anstieß, aber zum Glück fehlte nicht viel, so dass mit etwas kräftigerem Druck doch noch alles passend gemacht werden konnte. Das Rad hat ja einiges an Federweg. *puh*

Die Fahrradtaschen und auch das Auto habe ich alle gestern schon in Ruhe gepackt, so dass es heute früh um kurz nach 8 Uhr losgehen konnte. Die Fahrt verlief prima. Auf den 623 km gab es nur zwei kurze Staus – einer bei Bremen und einer hinter Hamburg – aber die haben jeweils nur wenige Minuten zusätzlich gekostet. Mit allen Pausen habe ich daher nur ca. 7 Stunden benötigt und war schon um kurz nach 15 Uhr in Flensburg. Mit Tanken, Wagen abgeben und Fahrrad bepacken war es dann aber schon 16 Uhr, ehe ich zur dänischen Grenze gefahren bin, um das “offizielle” Startfoto am nördlichsten Punkt meiner Tour zu machen.

Stefan an der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg
Stefan an der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg

Danach ging es wieder zurück in die Flensburger Altstadt in der Nähe des Hafens, wo ich über AirBnB ein schönes, kleines Zimmer gebucht hatte. Insgesamt war die Strecke 22,1 km lang und hatte immerhin ca. 150 / 170 Höhenmeter rauf und runter. In Norddeutschland ist das Land ganz flach haben sie gesagt… da gibt es keine Berge haben sie gesagt… nun, Berge vielleicht nicht, aber viele Hügel und das summiert sich ganz schön. Aber egal… so bin ich die Strecke eben recht gemütlich mit knapp über 12 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit angegangen und habe dafür 1:50 h zzgl. eine gute halbe Stunde für Pausen zum Gegend anschauen und Fotografieren gebraucht. Da hielt sich die Anstrengung in Grenzen, obwohl mich einige Hügel schon ganz gut schön ins Schwitzen gebracht haben.

Die Farben des Tracks zeigen hier übrigens die relativen Höhen auf der Strecke an: Blau für tief (hier: bis runter auf Meereshöhe = 0 m über NN) und je heller das grün, desto höher (hier: max. Höhe 54 m ü. NN).

2016-09-02_Track_1097x1228Interaktive Karte: OpenStreetMap (lokaler GPXViewer)

Hinweis/Tipp: Der küstennahe Radweg von Wassersleben zum Ostseebad ist aufgrund eines Erdrutsches durch Schilder als Sackgasse markiert. Man kann aber trotzdem dort fahren, denn das Fahrrad lässt sich recht problemlos über die Abrutschung schieben.

Ich habe hier in Norddeutschland übrigens einige sehr schöne, alte Reed-gedeckte Häuser gesehen. Ein besonders schönes Exemplar ist das folgende von 1747:

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In der Norderstraße in Flensburg – nur 50 Meter von meinem Zimmer entfernt – habe ich das folgende Foto aufgenommen:

2016-09-02_shoefiti_p1000123Als ich vor Ort war, konnte ich mir keinen Reim darauf machen und habe immer vergessen meine Vermieterin nach dem Sinn zu befragen, aber mittlerweile habe ich herausgefunden, dass es sich um ein “Shoefiti” handelt (-> Wikipedia). Lustig! 🙂

Nach Bezug des Zimmers und der dringend benötigten Dusche brauchte ich natürlich noch was zu essen. Wenn ich schon mal in Flensburg – also an der Ostsee(!) bin – möchte ich natürlich auch fangfrischen Ostseefisch essen. Eine vorheriger Check der Speisekarte eines in der Nähe gelegenen Restaurants förderte hauptsächlich Nordsee- und Atlantikfische zutage, was irgendwie nicht so recht zu einer Ostsee-Stadt passt. 2016-09-02_jessens-fischperle_p1000128Daraufhin fragte ich meine Gastgeberin, und sie empfahl mir für wirklich guten, fangfrischen Fisch das Restaurant “Jessen’s Fischperle” auf der gegenüberliegenden Hafenseite. Also habe ich einen kleinen Abendspaziergang um die Hafenspitze gemacht (15 – 20 Minuten) und das empfohlene Restaurant besucht. Man kann drinnen, aber auch sehr schön draußen sitzen und den Hafenblick sowie die frische Luft genießen. Blöd war nur, dass der einzige kurze, aber heftige und fast waagerechte Regenschauer genau in dem Moment kam, als ich noch das Notebook auf dem Tisch hatte, um schon mal die Bilder von der Kamera herunterzuladen, und das Essen ebenfalls schon auf dem Tisch war. Ich hatte gerade alle Sachen hektisch zusammengepackt, um sie vor dem plötzlichen Regen zu schützen, da hat der Wirt zum Glück die Markise auf der Terrasse ausgefahren, so dass einige andere Gäste und ich doch draußen bleiben und weiter essen konnten. Der Regen hörte nur wenig später genauso schnell auf, wie er gekommen war. Mein Rückweg war daher wieder trocken, so dass ich noch einige schöne Aufnahmen vom Flensburger Hafen bei Nacht machen konnte. Hier eines der schönsten:

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Flensburger Hafen bei Nacht (Westseite; fotografiert vom Restaurant Jessen’s Fischperle aus, welches auf der Ostseite liegt)

Wettermäßig war also heute (fast) alles gut, denn sowohl die Radtour als auch die Spaziergänge waren ja trocken. 🙂

Seit einigen Jahren geistert bei mir im Hinterkopf die Idee herum, mal eine Tour von Nord nach Süd quer durch Deutschland zu machen.

Vermutlich hat sich diese Idee unter­schwellig durch die beiden folgenden, sehr lesenswerten Büchern entwickelt, die ich dringend zur Lektüre empfehlen möchte.

Den tatsächlichen Schubs habe ich aber durch den Poetry Slam “One Day / Reckoning Song” von Julia Engelmann bekommen, welcher irgendwie genial einfach, aber mit einer großen Kraft daher kommt. Hier ein kurzer Text­ausschnitt, aber schaut Euch unbedingt das YouTube-Video komplett an. Es lohnt sich!

Eines Tages, Baby, werden wir alt sein,
oh Baby, werden wir alt sein,
und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können.
[…]
Ich denke zu viel nach,
ich warte zu viel ab,
ich nehm mir zu viel vor und
ich mach davon zu wenig
[…]
ich würd gern so vieles tun,
meine Liste ist so lang,
aber ich werd eh nie alles schaffen,
also fang ich gar nicht an.
[…]
Eines Tages, Baby, werden wir alt sein,
oh Baby, werden wir alt sein,
und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können.
und die Geschichten, die wir dann statt dessen erzählen,
werden traurige Konjunktive sein, wie…
einmal bin ich fast einen Marathon gelaufen
und hätte fast die Buddenbrocks gelesen …
[…]
Und das wir bloß faul und feige waren,
das werden wir verschweigen,
und uns heimlich wünschen,
noch ein bisschen hier zu bleiben.

Wenn wir dann alt sind – und unsere Tage knapp –
und das wird sowieso passiern´,
dann erst werden wir kapiern´,
wir hatten nie was zu verliern´.

Das Leben, dass wir führen wollen, das können wir selber wählen.
Also, los, schreiben wir Geschichten, die wir später gern erzählen.

Und eines Tages, Baby, werden wir alt sein,
oh Baby, werden wir alt sein,
Und an all die Geschichten denken, die für immer unsere sind.

Ich kannte das Stück schon einige Jahre, aber als ich es zufällig Anfang 2016 wieder entdeckt und nochmal gesehen habe, wusste ich plötzlich, was ich zu tun habe. 🙂

Die Grundidee, die in meinem Kopf spukte, war ja eine Deutschland-Durchquerung von Nord nach Süd. Also fing ich an, darüber nachzudenken, wie man das Vorhaben anpacken könnte, was ich dafür tun muss.

Deutschland-Tour "Flensburg - Oberstdorf" (Luftlinie)
Deutschland-Tour “Flensburg – Oberstdorf” Luftlinie
[modifizierte “Deutschland Übersichtskarte” / Lizenz: CC BY-SA 3.0 /
Urheber: Wikipedia, User “Lencer” und “NordNordWest“]

Zunächst mal geht es um die Strecke und die Fort­bewegungs­art. Die nördlichste Stadt Deutsch­lands ist Flens­burg und die südlichste ist Oberst­dorf. Damit stehen Start und Ziel schon mal fest. Natürlich möchte ich die Strecke komplett aus eigener Kraft zurück­legen, d.h. ohne Motor und fremde Hilfe. Da die Strecke sogar länger wäre als die von Joey Kelly, ich aber wg. Familie und Job nicht monate­lang dafür brauchen kann und außer­dem auf langen Strecken nicht sooo wahn­sinnig gut zu Fuß bin, scheidet wandern (oder gar joggen) aus. Bleibt also eigentlich nur das Fahrrad.
Später habe ich ge­lesen, dass es auch Leute gibt, die Touren durch Deutsch­land auf Inlinern, mit Kajaks oder ähnlichem absolviert haben, aber das ist alles nicht so mein Ding.

Also fing ich sofort im Januar zuhause auf dem Heim­trainer mit dem Rad-Training an, um fit zu werden. Etwas später arbeitete ich mir eine Route von zuhause bis zu meiner Arbeits­stelle im Norden von Aachen aus und testete Hin- und Rückweg an einem Samstag auf seine Tauglich­keit. Eine Strecke liegt bei etwas über 16 km und ist in ca. 1 h gut zu bewältigen; also gut 32 km und 2 h insgesamt pro Tag. Eigentlich ganz gut machbar, allerdings hatte ich sehr schnell wieder die üblichen Probleme auf dem Rad:

  1. Hände: Trotz guter Radhandschuhe mit Gelpolster schmerzen die Stellen, mit denen ich mich auf dem Lenker abstütze, immer recht schnell und/oder es stellt sich ein Taubheits­gefühl ein, weil die Blutzufuhr abgeklemmt und/oder die Nerven gereizt werden. 🙁
  2. Po: Druckstellen am Hintern machen längere Touren für mich ebenso zur Qual.

Hmm, erst mal keine allzu guten Voraussetzungen für eine tage-/wochenlange Radtour. 🙁

Ich hatte die leise Hoffnung, dass es etwas besser würde, wenn ich mein vorhandenes Trecking­rad für die Tour noch etwas tune (neue Griffe, neuer Sattel), vielleicht noch etwas an meiner Körper­haltung arbeite und mehr trainiere…

… aber als ich darüber mit einem Kollegen sprach, von dem ich wusste, dass er jahrelang täglich ca. 35 km mit dem Rad zur Arbeit und abends den gleichen Weg wieder zurück gefahren ist, eröffnete sich eine viel bessere Lösung.

Der Kollege ist die ca. 70 km täglich nämlich meist mit seinem (zweirädrigen) Liegerad gefahren. Da Liegeräder nämlich keinen Sattel haben, sondern einen komfortablen Sitz, in dem man halb liegt, gibt es prinzip­bedingt keine Probleme mehr mit dem Hintern und auch keine mit den Händen. Die Sitz­fläche ist wesentlich größer ist als bei einem schmalen Sattel und man stützt sich auch nicht mehr auf dem Lenker ab, sondern hält diesen nur locker fest.

Also habe ich angefangen, mich mit Liege­rädern zu beschäftigen. Insbesondere bin ich mal das zwei-rädrige Liegerad meines Kollegen und beim Steintrike Center Niederrhein in Heinsberg-Unterbruch ein drei-rädriges Liegerad, das “Wild One” des österreichischen Herstellers Bike Revolution, gefahren.

Zwar ist ein zwei-rädriges Liegerad leichter und damit wäre man sicher etwas schneller und agiler unterwegs, aber ich suche ja ein bequemes und sicheres Rad für gemütliches Cruisen auf langen Touren. Daher war ich sofort von dem drei-rädrigen Liegerad begeistert, weil man damit immer eine sichere Straßenlage hat und es – auch voll beladen – nicht umkippt. Sehr praktisch ist beim Liege-Dreirad auch, dass man bei einem Halt – z. B. an einer Ampel – die Fahrradschuhe nicht ausklicken muss. (Klickpedale bin ich vorher noch nie gefahren, möchte sie jedoch beim Liegedreirad nicht mehr missen. => Dringende Empfehlung, um Abrutschen durch Nässe und/oder müde Beine zu verhindern!)

Nun ja, nach einer ersten kurzen 15 km Probefahrt durch Heinsberg im Januar (zusammen mit Jörg vom Steintrike Center sowie meinem Kollegen und meinem Schwiegervater), habe ich zusammen mit meinem Schwiegervater im Februar dann eine 73 km lange Probefahrt gemacht, was problemlos geklappt hat. Das ist eine Streckenlänge, die ich mit einem normalen Aufrecht-Zweirad zwar auch noch so gerade geschafft hätte, jedoch wohl nur mit großem Stöhnen über Probleme mit Händen und Hintern. Aber mit dem Liegerad gab es diese Probleme eben gar nicht. Super!

Zugegebenermaßen hatte ich anschließend allerdings einige Tage ziemliche Knie­probleme. Zum einen lag das wohl daran, dass der Kurbel­ausleger nicht ganz die richtige Länge für meine Körpergröße hatte, aber meine Kniee mussten sich schon auch ein bisschen an die ungewohnte Bein­haltung gewöhnen. Dafür waren 73 km als erste Tour dann wohl doch etwas zu viel. 😉
=> Tipp: Fangt mit kurzen Strecken an und steigert Euch langsam.

Es war also klar! So ein Liegerad muss ich haben, damit ich die Deutschland­tour gut überstehe und Freude dabei habe.

Liegedreiräder sind keine billige Massenware, sondern werden individuell angefertigt. Das macht sie leider recht teuer und bringt auch eine Lieferzeit von z. T. Monaten mit sich. Daher war ich sehr froh, das Vorführ­rad, welches ich ja schon von den Probe­fahrten kannte, etwas vergünstig und recht kurzfristig übernehmen zu können. Am 28. Februar war es dann endlich soweit: Ich konnte das Rad auf der Fahrrad­messe in Essen abholen.

Stefan auf Ligedreirad
(c) by Stefan & Tina Leupers

Nachtrag (Mai 2016):
Ab März fahre ich jetzt zu Trainings­zwecken regelmäßig an drei von fünf Tagen mit dem Fahrrad zur Arbeit (ca. 32 km); egal, ob bei 20 °C und Sonne (bevorzugt!) oder 2 °C und Schneeregen (geht mit der richtigen Kleidung problemlos, ohne dass einem kalt wird). Dazu gelegentlich – d.h. wenn die Familie mich am Wochenende entbehren kann – noch Touren von 40, 60, zweimal schon um die 100 und einmal sogar 150 km! – Noch vor wenigen Monaten hätte ich nicht geglaubt, dass ich in der Lage wäre auf einem Fahrrad 150 km an einem Tag zu fahren, aber mit etwas Training und auf meinem Liegedreirad ist das überhaupt kein Problem mehr.

Natürlich sind 150 km anstrengend und nicht jedes Wetter macht gleich viel Spaß, aber so grundsätzlich stellt sich eigentlich immer sofort ein Dauergrinsen ein, wenn ich auf meinem Liegedreirad sitze. 🙂 🙂 🙂