D-Tour 2022 – Tag 29 – Schermbeck – Mönchengladbach

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Bericht – So, 12.06.2022

Nachtrag zu gestern: Ich habe übrigens nicht vergessen, etwas über die Speichen im Hinterrad zu schreiben. Es gab nichts zu berichten, denn sowohl beim morgentlichen Check vor Abfahrt auf dem alten als auch bei einem abendlichen Check nach Ankunft auf dem neuen Campingplatz waren alle Speichen intakt und fest. Auch heute ist das so geblieben. – Toll, jetzt habe ich endlich genug Ersatzspeichen, da brauche ich plötzlich keine mehr… aber besser so als anders herum.

Der letzte Campingplatz dieser Tour war wirklich prima. Morgens zwar kaum Schatten beim Zeltabbau, aber auch kaum Insekten. Nur eine Nacktschnecke hatte sich auf meine blaue Plane, die ich immer als Unterlage/Boden benutze, begeben und musste mit einem Blatt gepackt und umgesetzt werden. Kein Problem. – Da ich relativ früh im Bett war, war dann heute Abfahrt schon um kurz vor halb 10 Uhr. Ich hatte heute ja auch einiges vor. Es waren wieder um die 100 km sowie einige Verwandschaftsbesuche geplant. Letztlich geworden sind es dann 93 km und alle kurzfristig geplanten Besuche haben geklappt! Juhu! 🙂

Aber von vorne: Auf der 2016er Deutschland-Nord-Süd-Tour hatte ich irgendwo im Norden schon mal eine Wetterkuh auf einem Stall fotografiert. Diesmal habe ich auch eine entdeckt. Finde ich echt liebevoll, wenn ein Kuh-Bauer sowas auf sein Dach stellt. (Sorry, für die Bildqualität, aber ich musste ziemlich ranzoomen, da sie doch recht weit weg vom Weg stand.)

Sehr bald schon kam ich an den Rhein bei Wesel… dachte ich, musste/durfte aber erst noch die Lippe überqueren, die hier in den Rhein mündet (hinten im Bild zu sehen). Wusste ich bisher auch noch nicht, dass die Lippe in den Rhein mündet und das in Wesel tut. Wieder was gelernt. Überhaupt lernt man über sein Heimatland eine ganze Menge – vor allem geographisch – wenn man eine solche Tour macht. In der Schule kommt sowas ja i.d.R. zu kurz… aber vermutlich wissen Schüler solches Wissen weniger zu schätzen als man es im späteren Leben tut.

Dann kam aber die große Rheinbrücke mit seiner eleganten, schlanken Tragkonstruktion. Beeindruckend, dass das reicht, um die schwere Brücke zu tragen. Außer der B58 führen beidseitig Rad-/Fußwege über die Brücke. Prima.

Und von der Brücke hat man einen herrlichen Blick auf den Rhein und die Frachtschiffe, die hier verkehren. (Hinten rechts ist noch die Mündung der Lippe zu erahnen.)

Übrigens, mutmaßlich im Krieg zerstörte Brücken nicht wieder aufbauen, kann man auch am Rhein, nicht nur an Neiße und Oder.

Ich war heute übrigens außerdem noch in den Alpen… äh… ich meine im Städtchen Alpen am Niederrhein… dort hatte man allerdings eine böse Überraschung für mich bereit. Da gibt es eine Sackgasse, die zu einem Firmengelände führt und einen begleitenden Radweg hat… aber dieser Radweg endet dann quasi hier an dem Drängelgitter, das einen Durchlass von nur ca. 60 cm hat. Da wird es für jedes Rad sehr eng… und für Liegeräder und/oder Anhänger, aber auch für Kinderwagen o.ä. keine Chance. Selbst die Alternativroute 50-100 m daneben ist mit der gleichen Konstruktion verrammelt… aber ich konnte mein Rad mit etwas Mühe über das Mäuerchen daneben drüberwuchten, denn die Alternative wäre gewesen einige Hundert Meter zurückzufahren und den anderen Radweg außen rum zu nehmen. OK, wenn man das weiß, kann man das ja frühzeitig machen, aber dann hätte man da besser durch Schilder drauf hinweisen sollen. 🙁

In Issum habe ich dann dieses sehr schön bemalte Haus entdeckt. Aber fällt Euch außer dem schön bemalten Haus noch was auf? – Ja, genau, ich bin ausnahmsweise mal wieder mit Rad auf dem Bild zu sehen… und das Bild wurde nicht(!) mit Stativ und Selbstauslöser aufgenommen. Und das kam so… – Als ich das Wandgemälde entdeckte, bin ich sofort rechts rangefahren, um erst mal Verkehr hinter mir durchzulassen und wollte dann in Ruhe die Straßenseite wechseln. Direkt hinter und dann neben mir hielt ein Radfahrer an. Ich dachte erst, dass ich ihn mit meinem spontanen Rechtsranfahren und Bremsen vielleicht irritiert hätte… aber der Grund war ein anderer. Der nette junge Mann sprach mich nämlich direkt auf meine Tour an, weil er wohl offensichtlich mein Tour-Schild hinten am Anhänger gesehen hatte und stellte einige interessierte Fragen zur Tour. Wie weit, wie lang, ob ich sowas öfter mache usw. – Nach einiger Zeit fing er dann an zu erzählen, dass er auch schon lange Touren gemacht habe. So sei er 2016 hier aus der Region um die halbe Welt bis nach Singapur gefahren. Insgesamt 18.000 km in 2 Jahren! Dann weiter nach Australien, wo er für weitere zwei Jahre geblieben, aber weniger Rad gefahren ist, sondern hauptsächlich gearbeitet hat, um die ganze Reise auch irgendwie zu bezahlen. 2020 musste er dann (also nach 4 Jahren) wegen Corona zurück in die Heimat. Seitdem sei er nicht mehr so viel gefahren. Nur einmal nach Venedig. Aktuell gibt es wohl keine ganz großen Reisepläne, aber vielleicht geht’s demnächst mal nach Österreich, wobei er vermutlich zunächst mit der Bahn nach Frankfurt oder Würzburg fahren würde, um etwas Kilometer und Zeit zu sparen. – Mittlerweile habe ich seinen Namen (Tobias Bausch aus Kamp-Lintfort) und seine Webseite (http://radelman.de/) herausgefunden. Dort findet man auch Links zu Facebook und Instagram. Falls jemand mal schauen will, wo er so gefahren ist und wie seine Erfahrungen mit Radwegen, Grenzübertritten usw. waren. Sein absolute Empfehlung für Radfahrer ist übrigens Taiwan. Da war das Radfahren eine große Freude, weil die so eine gute Radinfrastruktur haben. – Am Ende bot er mir dann noch an, dass er das Foto von dem bemalten Haus macht, damit ich auch mal mit aufs Bild komme. Er kennt ja das Problem gut, dass man selbst auf Tourbildern meist gar nicht auftaucht, obwohl man ja eigentlich die Hauptperson ist.

Und bevor jetzt einer meckert. Nicht nur in Brandenburg und Westfalen, sondern auch am Niederrhein gibt es sehr schöne Alleen.

Die Überquerung des Rheins war schon ein kleines Highlight, da meine Wurzeln am linken Niederrhein liegen. Der Bauernhof, auf dem mein Vater und seine zwei Brüder geboren und aufgewachsen sind, liegt bei Wachtendonk im Kreis Kleve, wo noch immer viele Verwandte wohnen. Und ich selbst bin ja in Mönchengladbach großgeworden, der größten Stadt am linken Niederrhein. Die echten Highlights waren heute aber die Begegnungen mit Menschen. Einerseits fand ich das Gespräch mit dem Rad-Weltreisenden Tobias interessant… und zum anderen habe ich heute viele liebe Familienmitglieder besucht. Zuerst eine meiner Cousinen, die heute sogar Geburtstag hat, und ihren Mann. Dann eine meiner Tanten und einen Cousin mit Frau und den beiden Söhnen. Das war super, da wir uns wg. Corona leider schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatten. An dieser Stelle nochmal Danke, dass das heute so spontan geklappt hat!

Danach ging es weiter zum Hof bei Wachtendonk, auf dem mein Vater geboren und aufgewachsen ist. Leider ist der Hof aktuell unbewohnt und steht zum Verkauf, so dass nur ein Besichtigung von außen möglich war. (Wer Interesse hat, das Objekt zu kaufen, darf sich gerne bei mir melden. Ich vermittle provisionsfrei weiter.) – Vor vielen Jahren hat meine Oma den Hof malen lassen und das Gemälde ihrem Sohn, meinem Vater, geschenkt. Seither hing dieses Bild immer in meinem Elternhaus in Mönchengladbach im Flur an der Wand. Ich habe das Bild immer schon gemocht und bin sehr froh, dass meine Mutter es mir irgendwann überlassen hat, nachdem mein Vater gestorben war. Seither hängt es im Schlafzimmer auf meiner Seite des Bettes. Es ist meine Verbindung zu den Wurzeln meiner Familie und damit auch zu meinen eigenen Wurzeln, obwohl ich selbst nicht auf dem Land aufgewachsen bin. Aber ich bin sehr froh, dass ich in Baesweiler recht ländlich wohne und im Sommer die Kühe auf der Weide direkt hinter unserem Garten sind. Da schließt sich der Kreis, und das ist schön. – Damit hat mich diese Tour übrigens sowohl zum Geburtsort meines Vaters (Wachtendonk an der Niers am Niederrhein) als auch meines (im letzten Jahr verstorbenen) Schwiegervaters (Heidenau an der Elbe bei Dresden) geführt. Ich hoffe, die Beiden sitzen irgendwo zusammen auf einer Wolke und freuen sich.

Ich habe dann noch versucht, das Gemälde von damals als Foto nachzustellen. Der Winkel und die Entfernung sind nicht ganz die Gleichen, aber ich wollte auch keine Pflanzen im Feld platttreten. Außerdem fehlen natürlich die Kühe und man sieht auch, dass sich in den Jahrzehnten zwischen Erstellung des Gemäldes und meinem aktuellen Foto doch ein paar Dinge verändert haben. Finde die Unterschiede… 😉

In Wachtendonk habe ich noch kurz das Familiengrab besucht, wo meine Großeltern väterlicherseits begraben liegen.

Auf der Niers bei Wachtendonk kann man offensichtlich gut Kanufahren. Sieht jedenfalls nach Spaß aus. 🙂 Übrigens ist die Niers auch wieder so eine Verbindung zwischen der Heimat meines Vaters (Wachtendonk) und meiner Heimat (Mönchengladbach), weil die Niers nämlich im Süden von Mönchengladbach entspringt, wir im Norden von Mönchengladbach früher unsere Joggingstrecke an der Niers hatten, die wir problemlos zu Fuß erreichen konnten, und die Niers eben auch durch Wachtendonk fließt.

Die Niersbrücke zwischen Mönchengladbach und Neersen, über die ich schon als Kind so oft mit dem Rad und später – als ich älter war – beim Jogging überquert habe, ist mittlerweile für den Autoverkehr gesperrt. – Von dort aus bin ich unsere alte Jogging-Strecke zu meinem Elternhaus zurückgefahren. Die ist zwar immer noch so uneben und steinig, wie sie immer war, und daher nicht optimal für mein Gespann, aber die Strecke musste aus Nostalgiegründen genau so gefahren werden. Und, ich glaube sogar, ich habe den großen Stein in der Mitte des Weges im Wald wiedergefunden, auf den ich als Kind beim Joggen immer getreten und von dort einen möglichst weiten Sprung gemacht habe. Manche Dinge ändern sich eben auch in über vier Jahrzehnten nicht.

Der Abschluss und damit das letzte Highlight der heutigen 93 km Etappe war dann die Ankunft bei meiner Mutter in meinem Elternhaus, wo ich eine Dusche, ein Abendessen, gute Gespräche und ein Bett bekommen habe. (Danke, Mama!)

Mann-o-mann, die letzten Tage der Tour sind ganz schön nostalgisch geworden. Erst die Reise in meine Bundeswehrzeit gestern, dann Familienbesuche und der Besuch des Geburtshauses/-hofs meines Vaters, die Joggingstrecke meiner Kindheit und nicht zuletzt der Besuch meiner Mutter in meinem Elternhaus. Tage zum Grübeln und Genießen…

Schön, wenn einem eine solche Tour nicht nur diese Besuche ermöglicht, sondern auch noch den Kopf freimacht von all dem üblichen Ballast, so dass man dies wirklich aus tiefster Seele genießen kann. – Ich muss zugeben, als ich den Schluss der Reise so geplant habe, habe ich nicht damit gerechnet, dass es so emotional tiefschürfend wird, aber das ist eben das Schöne, dass eine solche Reise oft Dinge zu Tage fördert, die man nicht erwartet… und die normalerweise im Alltagsstress untergehen.

Am morgigen Montag dann Endspurt! Die letzten knapp 60 km nach Hause…

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.