Mittwoch, 21.09.2016:

Wecker wieder um 7 Uhr, flott aufgestanden, alle Taschen gepackt und, da das Frühstück ja erst um 8:30 Uhr fertig ist, schon mal das Fahrrad beladen und alles verzurrt. Das Fahrrad konnte ich übrigens wunderbar im Gartenschuppen der Bergbauern Pension unterbringen. Prima. Dann noch gefrühstückt. Diesmal sogar etwas mehr als sonst und nur eine belegte Semmel eingepackt, da ich ja heute mit dem Rad nur eine Halbtagesetappe vor mir habe. Da es nämlich in Oberstdorf keine Mietwagenstation gibt, muss ich heute nach Kempten zurück.

Losgefahren bin ich dann um 9:20 Uhr, was noch gut in der Zeit war, allerdings musste ich erst noch in der Tourismus-Info vorbei, um meinen Zipfelpass abstempeln zu lassen. Der Zipfelpass ist eine Besonderheit der vier Gemeinden an den äußersten Ecken Deutschlands. Bekommen habe ich ihn damals in Görlitz in Sachsen, welches ganz im Osten liegt. Im Süden ist es Oberstdorf, und da ich hier ja übernachtet habe, konnte ich mir den entsprechenden Stempel abholen. Im Norden ist es leider nicht Flensburg, sondern List auf Sylt, und im Westen ist es die Gemeinde Selfkant. Da war ich zwar neulich zweimal auf Radtouren zum Training, aber ohne Übernachtung, weil ich dafür zu nah dran wohne. – Ist natürlich eigentlich völlig unwichtig, aber der Mensch ist ja nun mal Jäger und Sammler… daher macht Stempelsammeln natürlich schon irgendwie Spaß. Mal sehen, ob/wann ich mal nach List komme und ob vielleicht mal eine Übernachtung im Selfkant drin ist. We’ll see…

Der Weg die Iller runter lief übrigens wesentlich besser als rauf. Insbesondere die ersten ca. 20 km von Oberstdorf aus laufen super, weil es auf der Strecke ca. 70 Höhenmeter Gefälle gibt. So waren Geschwindigkeiten von z. T. über 20 km/h trotz voll beladenem Rad und Schotterstrecke möglich. Umkehrt, also Iller aufwärts, sah das vor zwei Tagen noch ganz anders aus. 😉

Und wie üblich hier der Track:

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So war ich überraschenderweise schon kurz nach 13 Uhr bei Europcar in Kempten. Leider hatte ich den Wagen erst für 15 Uhr bestellt, aber so hatte ich zumindest Zeit, ganz in Ruhe mein Rad abzuladen, mich etwas frisch zu machen und umzuziehen (verschwitzte Radklamotten aus, Jeans, T-Shirt etc. an), schon mal den heutigen Track vom Garmin zu laden und diesen Blogeintrag zu beginnen. 😉

Gegen 14:30 Uhr kam dann der für mich reservierte Wagen bei der Mietwagenstation an. Statt des eigentlich bestellten VW Passat Kombi, war es ein Kia Carens, weil man ja immer nur eine Fahrzeugklasse buchen kann und kein ganz konkretes Fahrzeug. Der Wagen ist zwar recht kurz, aber dennoch ausreichend groß – insbesondere schön hoch – für mein Rad, so dass es (zumindest mit dem vorne umgeklappten Kurbelbaum) prima hineinpasste. Und das Gepäck noch dazu.

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Der Wagen war sogar besser ausgestattet als gebucht, denn er hatte sogar Automatik. Sehr praktisch. Außerdem war es ein durchzugsstarker Diesel, der dennoch nur geringen Durst hatte, so dass die Spritkosten erfreulich gering blieben, obwohl ich den Wagen zwischenzeitlich auch mal ordentlich ausgereizt habe. Der schaffte glatt die 200 km/h und war dabei immer noch sehr gut beherrschbar. Bisher bin ich noch keine asiatischen Automodelle gefahren, aber ich muss sagen, ich bin von den Fahreigenschaften und der Fahrleistung sehr beeindruckt. Was mir jedoch nicht so gefiel, waren die Anzeigen und die Menüführung etc. – So zeigt mir z. B. der Tempomat nicht an, welche Geschwindigkeit aktuell eingestellt war. Das kann sogar mein 10 Jahre alter VW Passat schon, und der Opel Insignia von der Hinfahrt konnte das natürlich auch. Außerdem gibt es Dinge, die man in einem Auto einfach NICHT sehen will und dazu gehören ganz sicher Meldungen wie diese, welche sich noch im Stand beim Einrichten und Kennenlernen des Autos recht hartnäckig zeigte und nur schwer wieder loszukriegen war. 🙁 Irgendwann startete sich das System dann doch mal ganz neu und alles war wieder gut.

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Zum Glück tauchte die Meldung später nicht mehr auf, aber es passierte schon mal, dass das Entertainment-System plötzlich aufhörte, die Musik von meinem USB-Stick zu spielen. Dann half nur noch USB-Stick ziehen und wieder neu einstecken. Dann ging es weiter. Das ist während der Fahrt mehrfach passiert. Sowas kenne ich von meinem VW Passat oder auch dem Opel auf der Hinfahrt nicht. Insofern scheint Kia auf diesem Gebiet noch etwas an der Stabilität arbeiten zu müssen.

Um 15 Uhr bin ich dann losgefahren, und bereits um 21:15 Uhr hatte ich die 629 km lange Strecke bis zu mir nach Hause schon absolviert. Ich bin die Route über die A7 (bis Würzburg), A3 (bis Köln) und A4 gefahren, weil es – laut Google Maps – auf der A8 einige Baustellen mit Stau-bedingten Verzögerungen mehr gegeben hätte. Es lief auf meiner Route also – wie von Google Maps vorhergesagt – echt gut durch. Der kleine Stau bei Würzburg hat höchstens 15 Minuten gekostet, und später war nochmal ein bisschen stockender Verkehr vor einer Baustelle, aber auch das war nicht so schlimm.

Abendimpression auf der Autobahn.
Abendimpression auf der Autobahn.

 

Gegen 19 Uhr habe ich mir dann in Limburg sogar noch eine halbstündige Pause zum Abendessen gegönnt. Dennoch konnte ich abends noch meine Frau und überraschenderweise sogar die Kinder (so gerade noch) wach antreffen und in die Arme schließen. Ich wurde sogar mit einem selbstgemalten Willkommensschild meiner Lieben sowie mit Radler im Kühlschrank überrascht. Ein schöner Tages- und Tourabschluss! 🙂

Bis morgen 15 Uhr werden wir dann noch den Mietwagen volltanken und zu Europcar nach Aachen zurückbringen.

PS:
Ich habe jetzt mal die ganzen Sachen gewogen, die ich so auf der Reise dabei hatte. Ich komme – inkl. voller Getränkevorräte etc. – auf ein morgendliches Startgewicht von ca. 50 kg Gepäck. Dadurch, dass über den Tag einiges weggetrunken und weggegessen wird, wurde es zum Abend hin etwas weniger, aber mehr als 45 kg werden es dennoch zu jedem Zeitpunkt gewesen sein. Durch die Erfahrungen, die ich jetzt gemacht habe, könnte ich in Zukunft bei ähnlichen Touren – sofern es sowas denn nochmal geben sollte – ein paar Dinge einsparen, allerdings muss ich schon sagen, dass ich das meiste, was ich dabei hatte, auch irgendwann mal gebraucht habe. Das gilt für das Werkzeug und Ersatzteile nur eingeschränkt, aber da sollte man – denke ich – nicht zu sehr sparen, da ich ja festgestellt habe, dass auch sehr unerwartete Dinge kaputt gehen können. 😐

PPS: Ich hatte ja ab Tag 7 (oder so) das Problem, dass mein Notebook plötzlich keine richtige Internetverbindung mehr bekam, obwohl die Verbindung stand (IP zugewiesen, Gateway und DNS-Server auch) und sogar ping funktionierte, klappten Web-Zugriffe nicht. Hier zuhause habe ich dann mal alles wichtige von meinem Notebook gesichert und wollte ihn schon komplett zurücksetzen, aber über das “Netzwerk- und Freigabe-Center” und das Status-Fenster habe ich zuvor nochmal die (Windows-Netzwerk-)Diagnose aufgerufen und konnte dort veranlassen, dass (nur) alle Netzwerk-Interfaces zurückgesetzt werden. Ich meine, dass ich die Diagnose auch unterwegs schon mal aufgerufen hätte und da nichts dergleichen angeboten wurde, aber egal… jedenfalls, hat das Zurücksetzen und ein anschließender Reboot das Problem tatsächlich behoben! Hey, ich kann wieder übers Notebook ins Internet. Endlich. 🙂

 

Montag, 19.09.2016:

Wecker heute ausnahmsweise mal auf 7:30 Uhr gestellt, weil die Fahrradläden eh nicht so früh aufmachen. Im Frühstücksraum des Hotels “St. Raphael im Allgäu” wieder mal Brötchen für die Fahrt geschmiert und eingepackt und ansonsten nicht viel gegessen, aber O-Saft getrunken. Lecker. Da das Zimmer bis spätestens 11 Uhr geräumt sein muss und ich nicht genau weiß, wie lange die Reparatur braucht, habe ich sicherheitshalber schon mal alles gepackt und ausgecheckt. Meine ganzen Taschen konnte ich im Hotel lassen. Ich habe nur den Liegerad-Rucksack aufs Rad geschnallt, um ein paar Dinge mitnehmen zu können. Um 9:15 Uhr fuhr ich dann zum nächstgelegenen Fahrradladen, der so früh auch schon auf hat. Der Fahrradladen, der meine erste Wahl gewesen wäre, macht nämlich leider erst um 10 Uhr auf. Für mich zu spät. Der Besitzer des Ladens “Zweirad Süssner” machte zwar einen eher missmutigen Eindruck. So, als ob er keine große Lust habe, mein Rad zu reparieren, aber er hat es trotzdem gemacht und alles wieder hinbekommen. Das Hinterrad hat jetzt 4 neue Speichen und keine Acht mehr. Er äußerte sich allerdings etwas skeptisch, ob das besonders lange hält, weil er einige der Speichen wohl schon sehr stark anziehen musste, um die gewaltige Acht aus dem Rad rauszukriegen. Möglicherweise hat sich die ganze Felge etwas verzogen. Er empfahl jedenfalls, die später nochmal komplett neu einzuspeichen oder evtl. sogar eine neue Felge in Betracht zu ziehen. Naja, mal sehen… Hauptsache ich komme jetzt erst mal nach Oberstdorf und in ein paar Tagen wieder zurück nach Kempten, um von da aus mit dem Rad im Mietwagen zurück nach Hause zu fahren. Ach ja, ich hatte gestern übrigens völlig vergessen zu erwähnen, dass schon vor der kapitalen Speichen-/Reifenpanne der rechte Schaltzug (für die 9-fach-Schaltung hinten) anfing, sich aufzulösen; d.h. 3 der kleinen verzwirbelten Drähte des Schaltzuges waren schon gerissen, aber die überwiegende Mehrheit hielt zum Glück noch. Da ich ja gestern den festen Plan hatte, in Oberstdorf anzukommen, konnte bzw. wollte ich mir keine Reparaturverzögerung leisten, und hoffte, dass das noch bis Oberstdorf hält. Ich bin daher gestern sicherheitshalber etwas schaltfauler gefahren, um den Schaltzug etwas zu schonen. Ich hatte sogar zwei Ersatz-Schalt-/Bremszüge dabei, die ich dann in Oberstdorf (oder vielleicht auch erst zuhause) eingebaut hätte. Da aber eh alles anders kam und ich sowieso in die Werkstatt musste, habe ich den Schaltzug ebenfalls dort austauschen lassen. Geht einfach schneller, wenn die es machen. Die haben mehr Routine und das bessere Werkzeug griffbereit. Nach etwas mehr als einer Stunde Arbeit war alles fertig, das Rad wieder in gutem Zustand und die Reparatur bezahlt (38,- €). Hinzu kam noch ein Ersatzschlauch, da ja einer komplett hinüber war. Leider hatten sie keinen Ersatz-Faltreifen in 20 Zoll da, so dass ich die letzten Kilometer ohne Reservereifen auskommen muss… aber das wäre schon wirklich seeehr großes Pech, wenn ich auf den wenigen Restkilometern noch einen zweiten Reservereifen benötigen sollte. Wird schon schiefgehen…

Um 11 Uhr war dann also das Rad fertig. Dann schnell zurück zum Hotel, alle Taschen und Beutel etc. wieder auf dem Rad verzurren und erst mal ein Brötchen auf der Bank vor dem Hotel “früh”stücken. Die Bank ist wohl primär für Raucher gedacht, aber zum Glück kam gerade kein Raucher.

Richtig aufgebrochen Richtung Oberstdorf bin ich dann um 11:45 Uhr, was noch OK war, denn ich wollte bis 12 Uhr weg sein, um noch rechtzeitig in Oberstdorf anzukommen. Die aktuelle Höhe bei Abfahrt in Kempten war 700 m ü. NN.

Zunächst ging es wieder nach Google Maps Fahrrad-Navigation aus Kempten raus. Das hat aber mit reinen Ansagen über Kopfhörer – d.h. ohne die Route vor Augen zu haben – diesmal nur bedingt funktioniert, weil Radwege an Straßen leider öfter mal Haken schlagen und Google dann ansagt “Links abbiegen”, obwohl es eigentlich geradeaus bzw. sogar leicht rechts meint. Ich musste immer mal wieder anhalten, das Handy in die Hand nehmen und die Route checken, weil die Anweisung nicht zu den Richtungsangaben auf den Schildern passten. Besser wurde es erst, als ich weiter aus der Stadt rauskam und es keine abgetrennten Radwege mehr gab. 😉 Meine Taktik war, zunächst weiterhin eher auf Google und Straßen zu vertrauen als auf den Track vom Illerradweg, aber einerseits waren die Ansagen teilweise weiterhin kurios und andererseits führten die Straßen jetzt immer häufiger auf und ab an den Hängen neben der Iller. Daher beschloss ich dem Illerradweg eine zweite Chance zu geben. Genau in dem Moment, wo ich auf meine Route und damit den Illerradweg einbiegen wollte, entdeckte ich jedoch das folgende Schild:

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Ja, nee, is klar… ok, dann also zweite Chance vertagt und erst mal der Umleitung folgen. Irgendwann gab es ein Umleitungsschild, das auf den Illerradweg zurückführen sollte, aber dieser Umleitungsweg bestand wieder nur aus 2 Schotterspuren und hohem Gras in der Mitte. Vielen Dank, ich bleibe dann mal weiter auf der Straße. *seufz* Etwas später gab es dann aber nur noch die Entscheidung zwischen richtig steil die Straße rauf und einen recht großen Umweg fahren oder auf den Ilerradweg zurück. Hier nun bekam der Illerradweg endlich seine zweite Chance. Und siehe da, es war nicht mehr so schlimm wie zwischen Neu-Ulm und Memmingen, d.h. so gut wie kein Gras in der Mitte, aber es blieb leider bei einem reinen Schotterweg. Manchmal war der Schotter recht lose und unangenehm, aber meist ausreichend fest, um mit einigermaßen erträglicher Geschwindigkeit voranzukommen. Immerhin ging es ja weiter den Fluss aufwärts und die Steigung schien auch ein bisschen anzuziehen, aber dennoch bleiben Flusssteigungen natürlich i.d.R. einigermaßen moderat.

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Ich bin also immer noch nicht begeistert von diesem Radweg, aber er ist – auch mit dem Liegedreirad – größtenteils erträglich geworden, so dass ich beschloss, auf dem Illerradweg zu bleiben und nicht wieder zurück auf die Straßen zu fahren. Das “Radelvergnügen” ist aber nicht so groß, wie auf den Schildern angekündigt.

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So kamen die hohen Berge immer näher… und um 16:30 Uhr bin ich auf 813 m ü. NN in Oberstdorf angekommen! HALLELUJA!!! Ich bin tatsächlich am Ziel. Mission “Nord-Süd-Durchquerung Deutschland”, meine kleine Abenteuerreise von Flensburg bis Oberstdorf, habe ich nach 17 Tagen Fahrt erfolgreich per Liegedreirad mit eigener Muskelkraft bewältigt! Hier das Beweisfoto:

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Ehrlich gesagt kann es es selbst noch gar nicht so richtig fassen! Irgendwie kommt es mir einerseits so vor, als ob ich gerade erst in Flensburg gestartet wäre und ich daher noch gar nicht am Ziel sein kann, denn die Zeit ist für mich so wahnsinnig schnell vorbeigegangen. Es gab ja keine Verschnaufpausen oder gar Langeweile. Jede Minute des Tages war vollgepackt mit Aktivität. Dazu noch 6 – 7 Stunden Schlaf, das musste reichen. Andererseits sind Flensburg und der Anfang der Tour gefühlt aber auch schon ewig lang her, weil es seither so unglaubliche viele Eindrücke, Erlebnisse, Höhen und Tiefen (gefühlsmäßig und in Höhenmetern), interessante Bekanntschaften usw. gab, dass es mir vorkommt. als sei ich schon ein Jahr unterwegs. Diese Intensität und Menge an Eindrücken lässt sich – glaube ich – im “normalen” Leben oder in “normalen” Urlauben nicht erreichen. Es war also genau der Abenteuer-Urlaub, der Selbsterfahrungstrip, den ich mir gewünscht hatte, auch, wenn ich vorher natürlich nicht wusste, was da wirklich genau auf mich zukommt. Zwar hatte ich die Reise so gut es geht geplant, denn die Route stand fest und eine Liste der Campingplätze und Jugendherbergen entlang der Route hatte ich mir auch erstellt, aber es gab eben vorher keine feste Tagesplanung. Die hat sich dann eben immer spontan ergeben, je nachdem was so passierte. Mal gab es keine Unterkünfte und es musste eine besonders lange Etappe werden, mal wurde die Wäsche nur langsam trocken oder das Rad wollte nicht mehr und es wurde eine kurze Etappe, mal spielte das Wetter nicht mit und statt Camping bin ich auf Jugendherberge oder Gästehaus umgeschwenkt. Wobei ich sagen muss, dass das Zelten auf Campingplätzen (bei gutem Wetter) immer am meisten Spaß gemacht hat. Fahrradfahren und Zelten passt einfach sehr gut zusammen, denn wenn man schon den ganzen Tag an der frischen Luft ist, warum dann nicht auch nachts. Klar, in den festen Unterkünften hat man einigen Luxus mehr, aber für mich passt das naturverbundene Radfahren besser mit dem naturverbundenen Zelten zusammen. Einmal habe ich ja notgedrungen auch im Regen gezeltet. Das geht natürlich auch, macht aber weniger Spaß.

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Bergbauern Pension Eltrich im Herzen von Oberstdorf.

In Oberstdorf bin ich dann zur Touristen-Info und habe nach einer günstigen Unterkunft für zwei Nächte gefragt. Sie haben mir dann drei ausgedruckt und ich habe einfach das günstigste genommen. Ein einfaches kleines Zimmer mit Waschbecken und Dusche, aber Etagen-WC, in einem alten Bauernhaus direkt im Zentrum von Oberstdorf, so dass Restaurants, Geschäfte und sogar die Thermen in Laufreichweite sind. Praktisch. Die etwas spartanische Einrichtung des Bauernhauses kommt dem Abenteuer-Charakter des Trips schon wieder etwas näher als das Luxus-Zimmer mit TV, WLAN und Spitzenbad gestern in Kempten. Das Hotel war echt toll, aber irgendwie “too much”. In dem schon fast edlen Ambiente (obwohl es ja gar nicht mal soo teuer war) fühlte ich mich mit meinen Radfahr-/Treckingklamotten auch irgendwie fehl am Platze. – Nachdem das Zimmer in Oberstdorf bezogen hatte und ich geduscht war, ging es erstmal kurz zum Einkaufen (ein bisschen was zum Naschen: Kekse, Haribo & Co.), weil meine Vorräte aufgebraucht waren.

p1020229Anschließend habe ich im Zentrum nach einem Restaurant gesucht. Die außen aushängenden Karten versprachen allerlei Köstlichkeiten, aber ich konnte mich noch nicht so recht entscheiden. Dann aber entdeckte ich ein Restaurant, dass doch tatsächlich ein echtes Wiener Schnitzel, d.h. mit Kalbfleisch, auf der Speisekarte hat. Dazu muss man wissen, dass die meisten Restaurants leider nur Schweineschnitzel als “Wiener Art” anbieten, weil es billiger ist. Ein echtes Kalbschnitzel ist natürlich etwas teuerer, schmeckt – gut gemacht – aber auch um Welten besser; finde ich. Daher war klar, dass ich heute in der “Oberstdorfer Einkehr” essen werde. Da der Laden recht voll war, fragte man mich, ob es mir recht sei, wenn man mich an einen Tisch mit dazu setzt. Ja, kein Problem. Am Tisch saßen bereits ein älters Ehepaar aus dem Ländle, das bereits das Essen vor sich hatte, und ein noch älterer Herr aus Hessen(?), der wohl schon gegessen hatte und nicht dazu gehörte. Wir haben uns alle gut unterhalten und natürlich habe ich einiges von meiner Reise erzählt. – Das Essen: Zunächst wurde etwas Brot mit Kräuterquark gereicht, dann kam ein sehr leckerer kleiner Salat und schließlich das Wiener Schnitzel. Hauchdünn geschnitten (wie es sein muss!), lecker paniert und damit man satt wird, gleich zwei große Stücke; dazu Pommes und ein Radler. Ich bin ja kein großer Gourmet, aber das war echt lecker. Die Bedienung war auch noch sehr freundlich und das Essen kam – trotz vollem Lokal – recht schnell. Super! => Absolute Empfehlung!

Bevor ich’s vergesse: Der Gesamtkilometerstand der Tour beträgt jetzt 1440 km!
Am Mittwoch kommen nochmal fast 50 km für die Rückfahrt nach Kempten hinzu, so dass es insgesamt also knapp 1.500 km sein werden. Nicht schlecht, was!? 😉

Fazit:
Auch wenn die Aufgabe – hier: eine über zwei Wochen lange Reise allein mit dem Rad über mehr als 1.400 km quer durch Deutschland – noch so groß klingt, vor allem, wenn man sowas vorher noch nie gemacht hat… eigentlich ist alles ganz einfach. Alles ergibt sich… man macht am Anfang Fehler aus Unerfahrenheit, aber daraus lernt man, und man gewöhnt sich sehr schnell an die neuen Herausforderungen im Tourenradlerleben und meistert sie. Es geht immer irgendwie weiter…

Um es nochmal mit Julia Engelmann zu sagen: Ich bin stolz, dass es in meinem Leben einen traurigen Konjunktiv weniger gibt! Ich werde meinen Enkeln (ich hoffe doch, ich werde mal welche haben) erzählen können, dass ich mit dem Rad einmal von Nord nach Süd durch Deutschland geradelt bin und dass es ein unvergessliches Erlebnis war.

Lebt Eure Träume! Schiebt nicht immer alles auf! Traut Euch und macht aus Konjunktiven Realitäten. Schreibt Eure eigene Geschichte!
Dabei wünsche ich viel Erfolg und Spaß!

Und das Wichtigste zum Schluss:
DANKE! Ich möchte Danke sagen… meiner lieben Frau, weil sie mich – nach kurzer anfänglicher Ablehnung – dann doch hat fahren lassen und zuhause die Stellung hält… meinen Kindern Julia und Sophie, meiner Mutter und meinen Schwiegereltern für die moralische Unterstützung… meinem Chef Pascal/meiner Firma, die mir erlaubt haben, (unbezahlten) Urlaub für die Reise zu nehmen… meinem Kollegen Cölestin für den Schubs Richtung Liege(drei)rad und die vielen anderen guten Tipps… dem unbekannten Karlsruher Pärchen für den Fahrradtransport in ihrem Wohnmobil im Regen… allen Menschen, die ich unterwegs getroffen habe, für die netten Gespräche und/oder die Gastfreundschaft… allen Bloglesern und Kommentatoren (habe mich sehr über Euer Feedback gefreut)… und alle, die mich auf andere Weise unterstützt haben, die ich jetzt aber vergessen habe. Sorry, keine böse Absicht. 😉

Und wie üblich noch der Track:
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PS: Es werden jetzt voraussichtlich keine täglichen Berichte mehr kommen, aber zumindest 1 – 2 Blogs mit “Nachberichterstattung” und Lustigem von der Fahrt sind noch geplant, also schaut hin und wieder mal rein. Danke.

Sonntag, 18.09.2016:

Wecker 7 Uhr. Dann sehr motiviert aufgestanden und so flott wie möglich alles gepackt, weil Oberstdorf nur noch ca. 85 km entfernt ist. Also heute durchaus machbar, wenn ich rechtzeitig starte. Da beim Gästehaus Schmid das Frühstück im Zimmerpreis schon mit drin ist, schnell noch in den Frühstücksraum. Ein Ei und einen kleinen Erdbeerjoghurt habe ich mir sofort gegönnt; zwei Brötchen – pardon – Semmeln (wir sind ja in Bayern 😉 machte ich mir für später und packte sie ein.

So bin ich heute schon um 8:45 Uhr im leichten Regen, d.h. in kompletten Regenklamotten, losgefahren. Aufgrund der gestrigen, negativen Erfahrung mit dem Bodenbelag des Illerradwegs habe ich die Strategie geändert und folge nun nicht mehr meinem Track bzw. dem Illerradweg, sondern der Fahrrad-Navigation von Google-Maps. Dazu habe ich das Handy an eine Powerbank (Sanyo Mobile Booster mit 5000 mAh) angeschlossen und in eine wasserdichte Hülle verpackt. Naja, 100%ig wasserdicht war es nicht mehr, weil ich noch das Kopfhörerkabel herausführen musste, damit ich die Ansagen auch auf einem Ohr hören kann, aber es hat gereicht.

Auf diese Weise ging es fast zu 100% auf schön geteerten und (zumindest am heutigen Sonntag) wenig befahrenen Straßen gut vorwärts. Eine Wohltat nach dem langsamen Vorankommen gestern. Ein paar kleinere Steigungen und Gefälle gab’s zwar, aber mittlerweile alles sehr gut machbar.

So hatte ich um 11 Uhr schon 25 km zurückgelegt, als auf einer geraden, ebenen, wenig befahrenen Teerstraße plötzlich mit einem spektakulären Knall nicht nur mein Hinterreifen, sondern auch mein Traum von der heutigen Ankunft in Oberstdorf zerplatzte. – Tja, was will man machen. Also schnell gebremst, rechts rangefahren und angefangen im Regen das ganze Gepäck abzuladen, um den Schaden zu reparieren. Als ich das Hinterrad ausgebaut hatte, sah ich die ganze Bescherung: Es waren mehrere Speichen gebrochen (wie sich später herausstellte, vier Stück), von denen eine sich durch den Schlauch gebohrt haben muss. Der plötzliche Druckverlust hat sogar den Reifen an der Seite aufplatzen lassen, so dass ich nicht nur den Schlauch, sondern auch den Reifen ersetzen musste; siehe Fotos.

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Während einige Autos vorbeifuhren, hielt ein zum Wohnmobil umgebauter Kleinbus mit einem Pärchen aus Karlsruhe, das gerade Urlaub im Allgäu macht, an und fragte, ob alles in Ordnung sei oder sie irgendwie helfen könnten. Das einzige was mir in der Situation helfen würde, wäre jedoch, mich zu einem Fahrradladen in der nächsten Stadt zu bringen, aber sie hatten ohnehin keinen Platz für einen solchen Transport, da hinten kein Laderaum ist, sondern die Betten. Ich meinte also, dass wohl nur ein leerer Kleinbus oder ein Wagen mit Anhänger helfen könnte, und sie daher weiterfahren könnten, was sie dann auch taten.

Zwei Ersatzschläuche, Reifenheber, Luftpumpe, Multitool und ein paar andere Kleinigkeiten habe ich immer griffbereit im Liegerad-Rucksack. Das weitere Werkzeug und auch der Ersatz(falt)reifen (Schwalbe Marathon Supreme), also die Dinge, die man bei normalen Reifenpannen eigentlich nie braucht, sind allerdings gut verstaut in einer der großen Ortlieb-35-Liter-Taschen ganz unten. Darüber jede Menge Beutel mit Klamotten usw., die möglichst nicht nass werden sollten.

Während ich noch überlegte, wie ich im Regen an den benötigten Reifen komme, ohne dass alles nass wird, kam das Wohnmobil aus Karlsruhe wieder zurück. Sie hielten wieder an, und der Mann stieg sogar aus und schlug beherzt vor, dass wir das Rad schon irgendwie ins Wohnmobil kriegen würden und sie mich zu einer Scheune fahren würden, die sie in der Nähe entdeckt haben, damit ich meine Reparatur wenigstens im Trockenen durchführen kann. Das ist natürlich extrem nett und kam mir sehr gelegen, denn ich musste ja – wie gesagt – eine Tasche komplett ausräumen. Ich klappte also schnell den Vorderbau mit der Tretkurbel ein, damit das Rad etwas kürzer wird und besser hinten ins Wohnmobil passt. Die Frau fing schon an, ihr Bett mit Tüchern abzudecken, aber ich hatte ja zum Glück meine Baumarktplane dabei, die ich sonst immer unters Zelt lege. Außen war sie zwar nass vom Regen, aber innen war sie noch trocken, so dass sie ihr Bettzeug damit gut schützen konnte. Das Rad passte ganz gut und alle Taschen noch dazu. Dann fuhren wir zwei, drei Kurven einen halben bis ganzen Kilometer zurück und sie setzten mich an der Scheune ab. – Echt klasse! An dieser Stelle nochmal vielen lieben Dank an dieses selbstlose, hilfsbereite Paar aus Karlsruhe!!! Kurz bevor wir das Rad ins Wohnmobil einluden, hielt übrigens noch eine andere Frau an, stieg aus und fragte mich, ob alles (körperlich) OK sei mit mir. Sie hatte wohl gedacht, dass ich einen Unfall gehabt hätte, weil das teilweise zerlegte Liegerad am Rand stand und alle Sachen auf dem Grünstreifen verteilt waren. Da konnte ich sie zum Glück beruhigen. Auch Ihr ein Danke für die Hilfsbereitschaft. – Solche Menschen wie Euch braucht das Land! Danke!!!

Zwei Stunden nach dem verhängnisvollen Knall hatte ich dann schließlich alles – so weit möglich – repariert, d.h. neuen Schlauch und Reifen aufgezogen und die gebrochenen Speichen abgeknipst, damit sie nicht stören, alles wieder aufgeladen und verzurrt sowie mein Mittagsbrötchen gegessen, da es mittlerweile schon 13 Uhr war. So sah es während der Reparatur aus:

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Ersatzspeichen und einen entsprechenden Schlüssel zum Spannen von Speichen habe ich leider nicht dabei. Ohne die vier defekten Speichen hatte ich natürlich eine extrem starke Acht in meinem Reifen. Durch etwas Feintuning an der Schutzblechhalterung konnte ich zumindest verhindern, dass der Reifen scheuert, aber durch die Acht rollte der Hinterreifen natürlich sehr unruhig. Da ich aufgrund der angeschlagenen Speichen und der schweren Beladung weitere Schäden befürchtete, bin ich nur noch sehr langsam weitergefahren, d.h. meist nicht viel schneller als mit 10 km/h; bergab kurz auch mal 20 – 25 km/h, aber dann habe ich schnell wieder gebremst, damit die Belastungen fürs Hinterrad nicht zu groß werden. So habe ich mich dann bis kurz vor 15 Uhr noch 17 Kilometer weiter bis nach Kempten (Allgäu) gerettet, wo es mehrere Fahrradläden gibt… allerdings hatte heute natürlich keiner auf, weil Sonntag ist. 🙁 Zumindest habe ich schon mal geschaut, wo die Läden sind, und mir dann ein Zimmer in der Nähe gesucht. Fündig wurde ich im Hotel St. Raphael im Allgäu” welches recht neu und top eingerichtet ist. Mein Fahrrad konnte ich in der Tiefgarage abstellen. Dann wurde erstmal alles aufs Zimmer geschafft, geduscht und gegessen. Das Restaurant hatte sonntags zwar zu, aber an der Bar habe ich immerhin ein Radler bekommen und sie waren so nett, mir mit ihrem Wasserkocher das Wasser für meine Instantnudelsuppe warm zu machen.

Und wie üblich noch der Track:

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