Sonntag, 18.09.2016:

Wecker 7 Uhr. Dann sehr motiviert aufgestanden und so flott wie möglich alles gepackt, weil Oberstdorf nur noch ca. 85 km entfernt ist. Also heute durchaus machbar, wenn ich rechtzeitig starte. Da beim Gästehaus Schmid das Frühstück im Zimmerpreis schon mit drin ist, schnell noch in den Frühstücksraum. Ein Ei und einen kleinen Erdbeerjoghurt habe ich mir sofort gegönnt; zwei Brötchen – pardon – Semmeln (wir sind ja in Bayern 😉 machte ich mir für später und packte sie ein.

So bin ich heute schon um 8:45 Uhr im leichten Regen, d.h. in kompletten Regenklamotten, losgefahren. Aufgrund der gestrigen, negativen Erfahrung mit dem Bodenbelag des Illerradwegs habe ich die Strategie geändert und folge nun nicht mehr meinem Track bzw. dem Illerradweg, sondern der Fahrrad-Navigation von Google-Maps. Dazu habe ich das Handy an eine Powerbank (Sanyo Mobile Booster mit 5000 mAh) angeschlossen und in eine wasserdichte Hülle verpackt. Naja, 100%ig wasserdicht war es nicht mehr, weil ich noch das Kopfhörerkabel herausführen musste, damit ich die Ansagen auch auf einem Ohr hören kann, aber es hat gereicht.

Auf diese Weise ging es fast zu 100% auf schön geteerten und (zumindest am heutigen Sonntag) wenig befahrenen Straßen gut vorwärts. Eine Wohltat nach dem langsamen Vorankommen gestern. Ein paar kleinere Steigungen und Gefälle gab’s zwar, aber mittlerweile alles sehr gut machbar.

So hatte ich um 11 Uhr schon 25 km zurückgelegt, als auf einer geraden, ebenen, wenig befahrenen Teerstraße plötzlich mit einem spektakulären Knall nicht nur mein Hinterreifen, sondern auch mein Traum von der heutigen Ankunft in Oberstdorf zerplatzte. – Tja, was will man machen. Also schnell gebremst, rechts rangefahren und angefangen im Regen das ganze Gepäck abzuladen, um den Schaden zu reparieren. Als ich das Hinterrad ausgebaut hatte, sah ich die ganze Bescherung: Es waren mehrere Speichen gebrochen (wie sich später herausstellte, vier Stück), von denen eine sich durch den Schlauch gebohrt haben muss. Der plötzliche Druckverlust hat sogar den Reifen an der Seite aufplatzen lassen, so dass ich nicht nur den Schlauch, sondern auch den Reifen ersetzen musste; siehe Fotos.

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Während einige Autos vorbeifuhren, hielt ein zum Wohnmobil umgebauter Kleinbus mit einem Pärchen aus Karlsruhe, das gerade Urlaub im Allgäu macht, an und fragte, ob alles in Ordnung sei oder sie irgendwie helfen könnten. Das einzige was mir in der Situation helfen würde, wäre jedoch, mich zu einem Fahrradladen in der nächsten Stadt zu bringen, aber sie hatten ohnehin keinen Platz für einen solchen Transport, da hinten kein Laderaum ist, sondern die Betten. Ich meinte also, dass wohl nur ein leerer Kleinbus oder ein Wagen mit Anhänger helfen könnte, und sie daher weiterfahren könnten, was sie dann auch taten.

Zwei Ersatzschläuche, Reifenheber, Luftpumpe, Multitool und ein paar andere Kleinigkeiten habe ich immer griffbereit im Liegerad-Rucksack. Das weitere Werkzeug und auch der Ersatz(falt)reifen (Schwalbe Marathon Supreme), also die Dinge, die man bei normalen Reifenpannen eigentlich nie braucht, sind allerdings gut verstaut in einer der großen Ortlieb-35-Liter-Taschen ganz unten. Darüber jede Menge Beutel mit Klamotten usw., die möglichst nicht nass werden sollten.

Während ich noch überlegte, wie ich im Regen an den benötigten Reifen komme, ohne dass alles nass wird, kam das Wohnmobil aus Karlsruhe wieder zurück. Sie hielten wieder an, und der Mann stieg sogar aus und schlug beherzt vor, dass wir das Rad schon irgendwie ins Wohnmobil kriegen würden und sie mich zu einer Scheune fahren würden, die sie in der Nähe entdeckt haben, damit ich meine Reparatur wenigstens im Trockenen durchführen kann. Das ist natürlich extrem nett und kam mir sehr gelegen, denn ich musste ja – wie gesagt – eine Tasche komplett ausräumen. Ich klappte also schnell den Vorderbau mit der Tretkurbel ein, damit das Rad etwas kürzer wird und besser hinten ins Wohnmobil passt. Die Frau fing schon an, ihr Bett mit Tüchern abzudecken, aber ich hatte ja zum Glück meine Baumarktplane dabei, die ich sonst immer unters Zelt lege. Außen war sie zwar nass vom Regen, aber innen war sie noch trocken, so dass sie ihr Bettzeug damit gut schützen konnte. Das Rad passte ganz gut und alle Taschen noch dazu. Dann fuhren wir zwei, drei Kurven einen halben bis ganzen Kilometer zurück und sie setzten mich an der Scheune ab. – Echt klasse! An dieser Stelle nochmal vielen lieben Dank an dieses selbstlose, hilfsbereite Paar aus Karlsruhe!!! Kurz bevor wir das Rad ins Wohnmobil einluden, hielt übrigens noch eine andere Frau an, stieg aus und fragte mich, ob alles (körperlich) OK sei mit mir. Sie hatte wohl gedacht, dass ich einen Unfall gehabt hätte, weil das teilweise zerlegte Liegerad am Rand stand und alle Sachen auf dem Grünstreifen verteilt waren. Da konnte ich sie zum Glück beruhigen. Auch Ihr ein Danke für die Hilfsbereitschaft. – Solche Menschen wie Euch braucht das Land! Danke!!!

Zwei Stunden nach dem verhängnisvollen Knall hatte ich dann schließlich alles – so weit möglich – repariert, d.h. neuen Schlauch und Reifen aufgezogen und die gebrochenen Speichen abgeknipst, damit sie nicht stören, alles wieder aufgeladen und verzurrt sowie mein Mittagsbrötchen gegessen, da es mittlerweile schon 13 Uhr war. So sah es während der Reparatur aus:

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Ersatzspeichen und einen entsprechenden Schlüssel zum Spannen von Speichen habe ich leider nicht dabei. Ohne die vier defekten Speichen hatte ich natürlich eine extrem starke Acht in meinem Reifen. Durch etwas Feintuning an der Schutzblechhalterung konnte ich zumindest verhindern, dass der Reifen scheuert, aber durch die Acht rollte der Hinterreifen natürlich sehr unruhig. Da ich aufgrund der angeschlagenen Speichen und der schweren Beladung weitere Schäden befürchtete, bin ich nur noch sehr langsam weitergefahren, d.h. meist nicht viel schneller als mit 10 km/h; bergab kurz auch mal 20 – 25 km/h, aber dann habe ich schnell wieder gebremst, damit die Belastungen fürs Hinterrad nicht zu groß werden. So habe ich mich dann bis kurz vor 15 Uhr noch 17 Kilometer weiter bis nach Kempten (Allgäu) gerettet, wo es mehrere Fahrradläden gibt… allerdings hatte heute natürlich keiner auf, weil Sonntag ist. 🙁 Zumindest habe ich schon mal geschaut, wo die Läden sind, und mir dann ein Zimmer in der Nähe gesucht. Fündig wurde ich im Hotel St. Raphael im Allgäu” welches recht neu und top eingerichtet ist. Mein Fahrrad konnte ich in der Tiefgarage abstellen. Dann wurde erstmal alles aufs Zimmer geschafft, geduscht und gegessen. Das Restaurant hatte sonntags zwar zu, aber an der Bar habe ich immerhin ein Radler bekommen und sie waren so nett, mir mit ihrem Wasserkocher das Wasser für meine Instantnudelsuppe warm zu machen.

Und wie üblich noch der Track:

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Samstag, 17.09.2016:

Wecker 7 Uhr. Dann war erst mal einiges zu tun, da ich ja in einer Jugendherberge übernachtet habe: Bett abziehen, Wäsche aus Trockenraum im Keller einsammeln (alles trocken!), Brötchen schmieren im Frühstücksraum und natürlich das Übliche (Zähne putzen, Taschen packen etc.). Das Frühstücksbuffet war OK, aber insgesamt war die Auswahl in der JH in Fulda besser und der O-Saft schmeckte dort auch wesentlich leckerer, dabei war die JH Fulda sogar ein bisschen günstiger (32,- € inkl. Waschen, statt jetzt 38,80 € zzgl. 3,- € fürs Waschen). Aber deshalb konnte/wollte ich ja nicht nach Fulda zurück. 😉 Losgefahren bin ich dann immerhin um 9:15 Uhr.

Von Ulm, welches zu Baden-Württemberg gehört, ging es dann über die Donaubrücke, wo ich nach Neu-Ulm in Bayern kam. Ulm/Neu-Ulm ist eine Doppelstadt in zwei verschiedenen Bundesländern; nur durch die Donau getrennt. Ansonsten ist dann die Iller in weiten Teilen die Grenze zwischen den beiden Bundesländern, so dass ich immer mal wieder im einen und dann wieder im anderen Bundesland bin. Merkt man nix von – d.h. Schilder gibt es vor Ort keine – aber lustig ist es schon.

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Blick zurück auf Ulm.

Von der Jugendherberge, welche auf 562 m ü. NN liegt, ging es erst mal kräftig bergab auf 487 m ü. NN nach Neu-Ulm bzw. auf das Niveau der Donau und Illermündung. Von da an ging der Weg fast immer direkt an der Iller entlang, so dass das Höhenniveau langsam und kontinuierlich anstieg, was aber gut machbar war. Beim heutigen Endpunkt hatten sich die Iller und ich so schon wieder auf 590 m ü. NN raufgeschraubt. Die Unterkunft für heute lag nochmal 20 m höher.

Ich war übrigens überrascht, dass die Iller hier ein so breiter und recht viel Wasser führender Fluss ist. Nach den kleineren Flüssen wie Fulda, Sinn oder Wörnitz in den letzten Tagen hatte ich, weil es ja “nur” ein Nebenfluss der Donau ist, irgendwie wieder was Schmäleres erwartet. Ich finde die Iller durchaus beeindruckend und schön, denn sie führt recht viel Wasser, hat – im Gegensatz zu allen bisherigen Flüssen, an denen ich bisher entlanggefahren bin – eine recht hohe Fließgeschwindigkeit und wird auch durch diverse kleine (künstliche) “Wasserfälle” und sonstige Stromschnellen interessant. Außerdem fließt die Iller – bisher zumindest – angenehm gerade aufs Ziel zu, d.h. ohne allzu viel Schlenker und Schleifen. 😉

p1020138So begeistert ich von der Iller als Fluss bin, so enttäuscht bin ich vom Illerradweg, denn der ist echt eine Katastrophe. Von der bisher gefahrenen Strecke war der überwiegende Teil, d.h. bestimmt mehr als 50 km, nur Schotterspur rechts und Schotterspur links sowie in der Mitte mal mehr mal weniger Gras! Auf dem Donauradweg zwischen Donauwörth und Ulm gab es das ja auch schon, aber hier an der Iller wurde es noch schlimmer, weil die Spuren z. T. noch schmäler waren und der Schotter zwar manchmal angenehm fest, aber dann auch immer wieder unangenehm locker war. Für Zweiräder ist das mit den engen Spuren sicher noch ganz gut machbar, aber auch mit einem Zweirad würde ich nur ungerne so lange auf Schotter fahren. Mit dem LiegeDREIrad jedoch ist es aufgrund des Grünstreifens in der Mitte eine Qual, da man einfach sehr schlecht vorwärtskommt. Der Rollwiderstand mit drei Rädern ist ja ohnehin schon ein bisschen höher, was sich auf Schotter noch verstärkt, aber wenn mindestens ein Rad – manchmal sogar zwei Räder – über Gras rollen müssen, bremst das einfach extrem! Es kostet Kraft wie eine permanente Bergauffahrt, geht aber vor allem stark zu Lasten der Geschwindigkeit, was das größere Problem ist. Eigentlich wollte ich heute wieder gut 100 km fahren und bis hinter Kempten kommen, aber bei der Wegbeschaffenheit war das leider unmöglich. Von der Kraft/Ausdauer her hätte das vermutlich trotzdem noch geklappt, denn ich bin ja mittlerweile ordentliche, lange Steigungen gewöhnt, aber ich möchte nicht erst im Dunkeln ankommen.

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Dadurch ergab sich das Problem, dass die anvisierte Unterkunft aus meiner Tourenliste nicht erreichbar war und es unterwegs in erreichbarer Entfernung auf meiner Liste keine geeigneten Campingplätze oder – bei dem Wetter besser – Jugendherbergen gibt. Bei Memmingen gibt es zwar eine JH, aber die ist in Ottobeuren und damit ein ganzes Stück abseits der Route. Da ich ohnehin gerade so schlecht vorankomme, möchte ich ungern auch noch große Umwege fahren. Daher habe ich unterwegs mal mit der “Bett & Bike”-App sowie der Hotel-Suche von Google gesucht, was es denn für erschwingliche Unterkünfte in der Nähe bzw. einigermaßen auf der Route gibt. Die beiden Unterkünfte von Bett & Bike waren leider schon ausgebucht und alle anderen Unterkünfte waren in Memmingen, aber die Stadt Memmingen hatte ich bereits links liegen lassen und wollte auf keinen Fall dorthin zurückfahren. Von einer der belegten Unterkünfte bekam ich den Tipp, es mal beim Gästehaus Schmid in Volkratshofen zu probieren, doch leider ging da niemand ans Telefon. – Ich sah mich also schon mein Zelt im Regen auf irgendeiner Wiese aufstellen… oder zumindest bei Bauernhöfen fragen, ob ich mein Zelt wenigstens irgendwo in einer trockenen Scheune aufstellen kann. – Zum Glück habe ich etwas später nochmal beim Gästehaus Schmid angerufen und – siehe da – es ging nicht nur jemand dran, sondern sie hatten auch noch ein Zimmer für mich frei! 🙂 Also bin ich bei nächster Gelegenheit vom Illerradweg Richtung Volkratshofen abgebogen. Bevor ich auf eine Teerstraße stieß (herrlich!), verengte sich der Weg allerdings zu einem Trampelpfad. Unglaublich, dass das der offizielle Abzweig vom Illerradweg Richtung Volkratshofen war.

Im Prinzip ist ja eine Qualität des Illerradwegs (zumindest auf den ersten gut 50 km), dass er sehr naturnah ist, d.h. keine Stadt im Weg, fast immer nah am Fluss und Wald… auf der anderen Seite brauchen Radreisende ja auch einiges, nämlich Restaurants/Cafés/Biergärten für Pausen, sonstige Einkaufsmöglichkeiten und eben Unterkünfte. Hier könnte man – finde ich – deutlich mehr machen. Und wenn es schon nichts in unmittelbarer Nähe gibt, dann könnte man wenigstens Hinweisschilder und Wegweiser mit Kilometer-Angaben aufstellen. – Aber deutlich wichtiger wäre es, einmal mit der Teermaschine von Neu-Ulm nach Oberstdorf an der Iller entlang zu fahren. 😉

Ach ja, nachdem es ja gestern Abend und in der Nacht schon geregnet hatte, war auch für heute Regen angesagt. Ich hatte allerdings Glück, denn am Morgen war es trocken und blieb trocken bis 15 Uhr. Bis dahin hatte ich zwar sicherheitshalber schon mal die Regenjacke angezogen, aber alle Reißverschlüsse offen gelassen für möglichst gute Belüftung. Nach 50 km gegen 15 Uhr setzte dann aber doch noch der Regen ein. Den ganz schlimmen ersten Schauer wartete ich unter einer Brücke ab, die zum Glück gerade kam (siehe Bild; nicht schön, aber trocken). Die Zeit habe ich aber genutzt, um auch die Regenhose und die Überschuhe anzuziehen sowie die Jacke komplett zu schließen. Das war auch gut so, denn nach einer kurzen Regenpause setzte der Regen bald wieder für einige Zeit ein. Die Regensachen hielten aber gut dicht. 🙂

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Um 17:15 Uhr kam ich dann im Gästehaus Schmid in Memmingen-Volkratshofen an und entlug erst mal mein Rad und brachte alles aufs Zimmer. Mein Rad konnte ich im Fahrradschuppen trocken unterbringen. Sehr erfreut war ich, dass man hier sogar für ordentliche Preise gekühlte Getränke kaufen kann, da auf dem Illerradweg bisher ja absolut nichts war, wo man hätte einkaufen können. Sogar eine Flasche Wasser, ein gemachtes Bett, WLAN gratis, TV auf dem Zimmer und Handtücher im Bad gibt es. So viel Luxus bin ich nach 2 Wochen Camping und zweimal Jugendherberge gar nicht mehr gewöhnt. – Nötig ist das nicht, aber nett ist es schon. 🙂 Außerdem haben sie neben dem Frühstücksraum sogar eine komplette Küche zur Benutzung durch die Gäste. Da habe ich direkt mal den Wasserkocher für meine Instant-Nudeln genutzt. So konnte ich dem Trangia eine Pause gönnen bzw. etwas Brennspiritus sparen, denn wenn ich jetzt sparsam bin, wird die 1 Liter Flasche für die Tour wohl ausreichen, so dass ich nicht nachkaufen muss.

Und wie üblich noch der Track:

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