D-Tour 2022 – Tag 26 – Stadtoldendorf – Detmold

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Bericht – Do, 09.06.2022

Ich habe ganz gut geschlafen in meinem kleinen Zelt, das in dieser Nacht im großen Festzelt stand. Zwar klapperte immer mal wieder was im Wind, aber dank meiner Ohrstöpsel habe ich davon nachts nichts mehr mitbekommen. Bis kurz vor der Abfahrt um 10 Uhr war es noch trocken, aber dann setzte leichter Nieselregen ein, der nicht auf dem Regenradar zu sehen war. Daher bin ich im Regensetup gestartet. Dennoch war die Laune ganz gut, denn erstens habe ich direkt in Stadtoldendorf einen Bäcker an meiner Route gefunden, so dass die Verpflegung schon mal gesichert war und zweitens werde ich schon sehr bald an die Weser kommen und nun auch auf dem Rückweg meine alte Deutschland-Nord-Süd-Strecke von 2016 kreuzen.

Da hinten vor dem Bergrücken fließt die Weser und mein Weg führt quasi direkt darauf zu.

Hatte ich eigentlich gestern geschrieben, dass in Westdeutschland alles gut geteert ist und es hier – im Gegensatz zu Ostdeutschland – so gut wie kein Kopfsteinpflaster mehr gibt (außer vielleicht in historischen Altstädten)? Tja, Holzminden begrüßt einen direkt mit Kopfsteinpflaster… wobei das deutlich feiner und daher weniger holprig ist als die meist recht groben Kopfsteinplaster im Osten. Ich kenne mittlerweile alle Arten von Kopfsteinpflastern und sehe ihnen den Holprigkeitsfaktor schon von Weitem an. 😉

Und da ist sie, die Weser! Heute fahre ich nur ein sehr kurzes Stück an ihr entlang; nur von Holzminden bis kurz vor Höxter. Dann geht es für mich wieder weiter nach Westen.

Diese netten Figuren eines Pärchens und eines Fotografen habe ich 2016 schon fotografiert.

In Höxter gab es eine Umleitung für den Radweg. Da muss ich irgendwo mal falsch abgebogen sein… aber war gar nicht schlimm, denn so habe ich dieses nette kleine Gässchen entdeckt, welches ich sonst nicht gesehen hätte.

Um aus dem Wesertal rauszukommen, ging es natürlich erst mal etwas hoch, aber war nicht allzu schlimm. Alles noch ganz gut zu fahren. Kein Vergleich mit den Steigungen auf dem D4 auf der Hinfahrt. Und von oben hat man immerhin eine gute Aussicht.

Nachdem es zwischenzeitlich mal wieder richtig sonnig war und ich mir die Regenklamotten schon lange wieder ausgezogen habe, fuhr ich dann aber am Nachmittag auf diese dunklen Wolken zu. Diesmal gab’s keine helle Lücke, durch die ich (fast) trocken schlüpfen könnte. Also habe ich kurz vor dem “Zusammenstoß” mit der Regenfront noch schnell meine dritte und letzte Essenpause für heute gemacht und dann wieder die volle Regenmontur angezogen (heute bestimmt schon zum dritten Mal). Zum Glück war es nur “normaler” Regen, also kein Gewitter oder so. Also mit Regenjacke (inkl. Kapuze, die ich über die Kappe ziehe), Regenhose und Regenschutz für die Füße/Schuhe alles kein großes Ding. Das Unangenehmste an den Klamotten ist eher, dass man noch stärker schwitzt, weil der kühlende Fahrtwind nicht mehr an den Körper kommt. Aber irgendwann war auch dieser Regen vorbei, und ich habe zumindest die Regenhose und Füßlinge wieder ausgezogen und die Jacke so weit wie möglich aufgemacht.

Am Ende der heutigen 98 km – mit ein paar Abkürzungen im Vergleich zum Original-D3/R1-Radweg – habe ich das heutige Wunschziel Detmold erreicht. Der Campingplatz ist eigentlich ganz nett, aber bisher vermutlich der teuerste überhaupt. Allein schon für die 1 kWh Strom, die ich brauche, um meine Fahrrad- und Handy-Akkus über Nacht aufzuladen, wollen die insgesamt pauschal 4,50 € haben und ließen sich auch nicht erweichen, mir einen Rabatt zu geben, weil ich als Radfahrer deutlich weniger Strom brauche als ein Wohnmobil oder Wohnwagen, mit Kühlschrank, Licht, evtl. Fernseher usw. – Bei den meisten Campingplätzen habe ich entweder nach Verbrauch (sehr selten!) oder eine kleine Pauschale (meist weniger als den vollen Preis) bezahlt, und hin und wieder wurden mir die Stromkosten sogar ganz erlassen bzw. war Strom einfach im Preis mit drin. Kosten hier also für eine Person im Zelt mit Strom für 18,50 €. Und das, obwohl die sanitären Anlagen gerade im Umbau sind und es statt dessen nur einen kleinen Container für Dusche und WC gibt. Geht natürlich alles, aber dafür dann der hohe Preis? Naja. – Auch ja, fast schon unnötig zu erwähnen, dass WLAN extra gekostet hätte, aber ich habe vorrübergehend mein Kontingent an mobilen Daten erhöht, so dass ich kein WLAN brauchte. WLAN gab es zwar auf vielen (nicht allen) Campingplätzen im Prinzip kostenlos, aber auf den meisten funktionierte das nur nah am Hauptgebäude, und die Zeltwiese war meist zu weit weg. Es passt ins Bild, dass die Waschmaschine, die ich heute dringend brauchte, weil ich kaum noch saubere Sachen habe, mit 3,- € für 90 Minuten auch am oberen Ende liegt. Meist wird 2 – 2,50 € verlangt; einmal sogar nur 1 € und in zwei Jugendherbergen durfte ich sogar ohne Extrakosten waschen. – Auf dem Foto sind nur die Regensachen aus dem Wäscheständer. Später kamen noch die gewaschenen Sachen hinzu. Mal sehen, wann die Morgensonne die durchgetrocknet hat. Komme vermutlich erst etwas später los.

Ich muss euch noch von meinen Beinahe-Wildunfall erzählen. Ich fuhr gerade über einen der mittlerweile seltenen ungeteerten Feldwege, wo es nur zwei Spuren für die Reifen und Gras in der Mitte gibt. Da sah ich plötzlich in vielleicht 25 m Entfernung auf beiden Spuren je einen Hasen – oder ich vermute eher einen Hasen und eine Häsin – fröhlich auf mich zuhopsen. Vermutlich waren die verliebt und hatten nur Augen für sich. Dass ich ihnen entgegenkam, bemerkte das liebestolle Paar nicht. Da ich keinen Zusammenstoß wollte, habe ich dann mal scharf gebremst, als die beiden nur noch 5 m oder so entfernt waren. Durch mein Bremsgeräusch haben sie mich dann endlich bemerkt. Der/die Hase/Häsin auf meiner Spur ist dann sehr schnell ins seitliche Grün abgehauen. Der/die Andere hat kehrt gemacht und ist auf seiner/ihrer Spur ein ganzes Stück zurückgelaufen und dann nach einer Kurve verschwunden. Krasses Erlebnis. Normalerweise hauen die Viecher ja immer sehr schnell ab, wenn man näherkommt. Dass die genau auf mich zugelaufen kamen, war schon echt überraschend.

Heute gab es für mich drei wesentliche Highlights. Erstens das Erreichen der Weser bzw. das Kreuzen der 2016er-Strecke. Zweitens bin ich heute schon in meinem Heimat-Bundesland Nordrhein-Westfalen angekommen. Wow, in den letzten Tagen fliegen die Bundesländer nur so an mir vorbei. Und, last, but not least, habe ich eben auf der Fortschrittsseite gesehen, dass ich heute die Marke von 2000 gefahrenen Kilometern überschritten habe! 2021 km in 26 Tagen, wobei man die 5 Tage Zwangspause in Dresden ja abziehen muss. Also 2021 km in 21 Tagen. Da bin ich ja schon fast an den 100 km Tagesschnitt dran, die ich ursprünglich mal angepeilt hatte. Das war allerdings noch, bevor ich wusste, wie heftig die Steigungen auf dem D4 werden. Seit der Zwangspause trete ich aber auch ordentlich rein, um Zeit aufzuholen… und nutze auch immer mal wieder eine Unterstützungsstufe mehr, als eigentlich notwendig wäre. 😉 Einerseits ist es zwar sehr schön auf Tour, aber anderseits ist da nach den bisherigen Erfahrungen auch immer im Hinterkopf, dass bei einer längeren Restfahrzeit theoretisch auch mehr am Rad kaputt gehen könnte. Zwar ist heute wieder keine(!) Speiche gebrochen, obwohl (oder weil?) ich jetzt ja genug in Reserve habe, und auch die Schaltung und Bremsen funktionieren sehr gut. Auf der Rückreise, also hinter Zittau wurden die Bremsen auch wesentlich weniger gefordert als auf dem D4. Und schon recht bald sollte es ohnehin deutlich flacher werden; spätestens, wenn ich den Niederrhein erreicht habe. Einerseits freue ich mich auf meine Familie und möchte schnellstmöglich nach Hause, auf der anderen Seite werde ich das Tourleben schon vermissen, denn nie habe ich den Kopf so frei wie auf langer Radreise. Das Internet am Handy ist tagsüber immer aus, wenn ich nicht gerade was online checken muss, und es zählt nur “wo muss ich lang”, “wo gibt’s Essen und Trinken”, “wie wird das Wetter” und “wo übernachte ich heute”? (Naja, und notfalls auch mal “wer repariert mir mein Rad”?) Sonst gibt es fast nichts, um das man sich kümmern müsste. Das Leben auf Tour ist eigentlich sehr einfach. Man muss nur auf sich selbst hören und sich nur um sich selbst kümmern. Das ist ein unglaublicher Luxus, weil man sich im Alltag (sowohl in der Firma als auch im Privaten) ja doch immer auch sehr stark um die Probleme anderer kümmern muss. Nicht falsch verstehen! Das kann auch sehr erfüllend sein und sogar Spaß machen…. aber natürlich kann das auch ganz schön stressen. Alleine auf Tour bin ich nur mir selbst Rechenschaft schuldig… und mit mir selbst komme ich ganz gut klar. 😉

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.