D-Tour 2022 – Tag 25 – Bad Harzburg – Stadtoldendorf

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Bericht – Mi, 08.06.2022

Das Interessante an einer solchen Tour durchs ganze Land ist, wie unterschiedlich die Natur jeden Tag und auf jedem Campingplatz ist. Mal ist der Boden schön weich und erdig, so dass sich die Heringe mit der Hand reindrücken lassen, mal ist der Untergrund sandig, mal steinhart, so wie auf diesem Campingplatz. Wenn ich meinen kleinen Campinghammer nicht dabei gehabt hätte, wäre es nicht möglich gewesen, die Heringe zu versenken. Die beiden jungen Männer vom Niederrhein sind auch vom Boden verzweifelt und waren froh, sich meinen Hammer ausleihen zu können. Zurück zu den Unterschieden. Mal ist die Luft morgens trocken, so dass man auch das Zelt komplett trocken einpacken kann, mal ist das Zelt total nass vom Morgentau (ohne, dass es geregnet hat). Mal gibt es jede Menge Insekten (krabbelnde, kriechende und/oder fliegende), mal fast keine. Jeden Abend und jeden Morgen ein kleine Überraschung, auf die man sich einstellen muss.

Ich habe zwar nicht super geschlafen, aber zumindest schon mal besser als letzte Nacht.

Am Morgen gab es beim Packen noch zwei nette Begegnungen. Zuerst fragte das Pärchen mit dem Wohnmobil direkte neben mir, mit denen ich mich gestern schon über meine Tour und deren Pläne unterhalten habe, einen Kaffee angeboten. Sie hätten noch eine Tasse übrig. Fand ich supernett, habe aber freudlich abgelehnt, da ich ja keinen Kaffee trinke/mag. – Als ich auch fast bereit zum Aufbruch war, kam ein Radfahrer auf einer Art Rennrad vorbei, der sein komplettes Equipment in ganz wenigen Taschen am Rahmen und Lenker hatte. Absoluter Minimalismus! Er kam aus München und dies ist erst sein 4. Tourtag. Er fährt täglich so 150-200 km. Sein Ziel ist das Nordkap (ganz oben in Norwegen; nördlich des Polarkreises). Puh, er hat zwar auch ein paar Klamotten dabei, die er im Zwiebelprinzip anziehen kann, aber ich hoffe, dass es da oben nicht doch zu kalt für ihn wird. Das Wetter am Nordkap (und schon davor) hält so manche Überraschung parat. Na, ich drücke die Daumen, dass er es schafft. Wäre echt krass. [Anm. Tina: Interessant, dass sich noch jemand außer Dir ein extremes Ziel gesetzt hat (West-Ost, Nordkap von München aus, wow.]

Heute morgen habe ich die Speichen sogar noch vor der Abfahrt auf dem Campingplatz gecheckt und zu meiner Überraschung eine gebrochene Speiche gefunden. Gesehen hatte ich die zuerst nicht, weil die zwar gebrochen, aber noch irgendwie festgeklemmt war, aber als ich sie berührte, merkte ich, dass sie ganz lose war. Da ich nicht davon ausgehe, dass die Speiche über Nacht von alleine gebrochen ist, wäre diese Speiche wohl eigentlich noch dem gestrigen Tag zuzuordnen, obwohl ich gestern kein klack-klack gehört habe. Dabei hatte ich mich schon so gefreut, dass es mal ein Tag ohne Speichenbruch gibt. Ist aber auch egal, denn heute war diese Speiche die einzige, die ich austauschen musste. Also ist der Trend tatsächlich positiv. Vielleicht, weil mittlerweile einige Speichen neu sind und mehr Stabilität geben als die alten… oder weil ich öfter prophylaktisch die Speichenspannung prüfe und notfalls korrigiere.

Losgefahren bin ich dann um ziemlich genau 10 Uhr.

Da meine Ersatzspeichen so langsam zur Neige gehen, befürchte ich, dass die nicht ganz bis nach Hause reichen… zumindest, wenn vielleicht doch öfter mal wieder 2 Speichen pro Tag getauscht werden müssen. Daher wollte ich in einer der nächsten größeren Städte mal nach einem Fahrradladen recherchieren; spätestens in der Fahrradstadt Münster. Aber um 11:15 Uhr fuhr ich gerade durch Goslar und sah zufällig einen großen Fahrradladen für E-Bikes. Aus einer Intuition heraus bin ich sofort zu dem Laden abgebogen, bin rein und habe gefragt, ob sie Speichen beliebiger Länge anfertigen können, was zu meiner großen Freude bejaht wurde. Also habe ich schnell eine Referenzspeiche aus meinem Fundus geholt und den Mechaniker gebeten, 20 Ersatzspeichen zu machen. Er war seeehr überrascht, dass ich so viele haben möchte, machte sich dann aber sofort an die Arbeit. Ich habe so lange draußen gewartet und die Zeit für meine Frühstückspause genutzt. War eh gerade Zeit dafür. Also perfektes Timing. Gerade 35 Minuten später rollte ich mit 19 weiteren Ersatzspeichen wieder vom Hof. Die 20. hat die Maschine gefressen. 😉 Der Mechaniker ist dann noch mit nach draußen gekommen und hat mein Rad interessiert begutachtet. Er war übrigens gar nicht happy, dass sein Chef bei der Anschaffung der neuen Firmen-Poloshirts mit Logo für die Mitarbeiter gespart und die billigen Polyester-Shirts genommen habe. Da er gerade nicht so gut auf seinen Chef zu sprechen ist, war wohl auch ein bisschen mein Glück. Denn für die Speichen wollte er nur 10,- € für die Kaffeekasse haben. Er erzählte auch noch, dass heutzutage wohl fast gar nicht mehr selbst eingespeicht wird, sondern fast immer bereits eingespeichte Kompletträder bestellt werden. Da sich der Chef wohl auch keine Speichen verschiedener Längen aufs Lager legen wollte, konnte der Mechaniker wohl immerhin durchsetzen, dass Speichen einer Länge angeschafft werden, die dann auf die benötigte Länge gekürzt werden können. Gut für mich! – Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass der Mechaniker sehr zufrieden war, dass er mir mit dem Anfertigen von Speichen in Sonderlänge weiterhelfen konnte. Ich habe ihm – wie zuvor auch schon allen anderen tollen Fahrradmechanikern, mit denen ich zu tun hatte und die alle kompetent und schnell geholfen haben – sehr gedankt, weil er mir jetzt vermutlich die erfolgreiche Beendigung der Tour gerettet hat. 🙂

Erst wollte ich Euch hier den Fahrradladen empfehlen, aber um zu vermeiden, dass der Mitarbeiter Ärger bekommt, mache ich das jetzt mal nicht. Statt dessen zeige ich Euch den Rieslingturm aus Goslar.

In Seesen habe ich dieses “leicht” zerknautschte Auto am Straßemrand geparkt gesehen. Uih, was ist dem denn passiert? :-O

Es gibt immer mal wieder ein paar Höhenmeter zu bewältigen, aber jetzt meist auf gutem Untergrund (schön geteert). Der Nachteil: Rauffahren ist anstregend. Der Vorteil: Gute Aussicht übers Land.

Wenn es dann anschließend eine so schön gerade Abfahrt ohne Verkehr auf glattem Teer gibt, entschädigt das auch ein bisschen für die Mühen des Aufstiegs. Auf dem D4 und insbesondere auch in den ostdeutschen Bundesländern war das ja leider nicht immer der Fall.

Dies hier ist ein Blick auf die Leine. Das Merkwürdige ist aber, dass ich am Fluss keinen einzigen Hund gesehen habe… obwohl es doch immer heißt “Hunde an die Leine”. – Jaaaa, wie schon mal erwähnt, hat man viiiieeeeel Zeit, um sich Blödsinn auszudenken, wenn man den ganzen Tag auf dem Rad sitzt. 😉

Im Wetterbericht und Regenradar hatte ich schon gesehen, dass es heute früher oder später nass werden würde. Ich fuhr ja quasi auch aufs Regenband zu. Ich hatte lange Zeit die Hoffnung, dass ich es vielleicht noch bis zum Campingplatz schaffen würde, bevor der Regen mich erwischt. Das hat leider nicht ganz funktioniert. Ungefähr 5 km vor dem heutigen Ziel fielen dann doch Tropfen und es wurde recht dunkel, so dass ich die Regenjacke angezogen habe. Die Regenhose habe ich mal weggelassen, weil ich gehofft hatte, dass es nicht allzu schlimm wird. Meine Schöffel-Treckinghose war dann aber doch recht nass… ist aber später am Körper wieder sehr schnell getrocknet. Echt super, diese Hose!

Nach dem Regen gab’s dann noch eine schöne Abfahrt Richtung Stadtoldendorf (rechts hinten), wo ich zum Campingplatz bereits vorher rechts rein musste.

Als ich auf dem Campingplatz ankam, regnete es zwar nicht mehr, aber ich hatte schon gesehen, dass es heute Abend und – schlimmer noch – vermutlich auch morgen früh wieder regnen würde. Daher habe ich gefragt, ob irgendwo die Möglichkeit besteht, mein Zelt unter einem Dach aufzustellen. Die nette Dame an der Rezeption meinte dann, dass ich mich ins Festzelt auf der Wiese stellen könne. Das wäre erst am Wochenende wieder gebucht. Jau, super. Das sieht dann jetzt so aus. Das Festzelt ist übrigens dreimal so lang, wie das, was man hier sieht. Alles komplett leer und nach außen komplett geschlossen. – Heute war ich übrigens zum zweiten Mal froh, dass ich das lange, schwere 25 m Stromkabel dabeihabe, denn diese Länge brauchte ich vom Stromkasten zum Festzelt. Auf dem Campingplatz in Berlin hatte ich ja auch schon mal die volle Kabellänge benötigt.

Und zum Schluss mal ein Symbolbild, denn auch heute gab es natürlich mal wieder plötzlich endende Fahrradwege, die einen dann wieder auf die Straße zwingen. Manchmal sogar an unmöglicher Stelle, nämlich in einer Kurve hinter einer Kuppe. Da ich da nicht sicher rübergekommen wäre, bin ich vorsichtig noch etwas weiter auf dem (dann nur noch) Bürgersteig weitergefahren, bis ich sicher auf die Straße konnte. Insgesamt muss ich aber schon sagen, dass hier in Niedersachen die Qualität der Radwege insgesamt wesentlich höher ist als in den östlichen Bundesländern. Hier sind fast alle Wege gut geteert. In den östlichen Bundesländern sind Kopfsteinplaster und Wege aus Betonplatten mit Löchern leider immer noch sehr beliebt. Auch gibt es hier in Niedersachsen viel öfter begleitende Fahrradwege entlang von Land- und Bundesstraßen. Ich glaube, wir brauchen den Solidaritätszuschlag weiterhin. Es ist schon sehr viel erreicht im Osten, aber es bleibt auch immer noch was zu tun. Immerhin habe ich im Osten auch Baustellen gesehen, wo Kopfsteinpflaster in Teerstraßen verbessert werden.

Es ist übrigens total schlimm! Ich habe seit Tagen drei Ohrwürmer im Kopf. Immer, wenn ich mal wieder ein “Radweg Ende”-Schild sehe, ist es Jan Böhmermann mit seinem “Warum hört der Fahrradweg hier einfach auf?”. Oft braucht es aber auch gar kein Schild und das Lied ist trotzdem da. Noch viel schlimm-schönere Ohrwürmer sind aber “Thüringen” und “Brandenburg” von Rainald Grebe, die ich ja auch neulich schon verlinkt hatte. Tja, und da ich jetzt in Niedersachsen unterwegs bin, kommt noch die Niedersachen-Hymne hinzu. “Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen…” – Hiiiilfe.

Ach, ist es eigentlich normal, dat ick innerhalb der Berliner Stadtgrenze, aber manchmal auch noch danach, bei Selbstgesprächen in meinem Kopf im Berliner Dialekt rede? Ich mag die Berliner Schnauze.

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.