Deutschlandtour – Tag 12 – 72,5 km – Bad Mergentheim -> Schillingsfürst

Mittwoch, 14.09.2016:

Wecker – wie üblich – um 7 Uhr und Abfahrt schon um 5 Minuten vor(!) 9 Uhr. Also ein klein bisschen schneller gewesen heute Morgen, aber der Campingplatz Willinger Tal, südlich von Bad Mergentheim, lud ja auch nicht gerade zum längeren Verweilen ein. 🙁 Die Wiese war, zumindest auf der linken Seite, wo ich nah beim Stromkasten stand, sehr hart und steinig, so dass die Heringe nur schwer in den Boden zu bekommen waren und nicht besonders tief reichten. Angeblich soll es auf der rechten Seite etwas besser sein, aber da gibt’s eben keinen Strom. Die sanitären Anlagen funktionieren zwar, aber es scheint dort nur selten sauber gemacht zu werden. Insgesamt wirkt das nicht besonders gut gepflegt und etwas verkommen. Dabei war der Campingplatz mit 11,85 € sogar noch 85 Cent teurer als der sehr gut gepflegte, sehr empfehlenswerte Camping in Gemünden am Main, wo ich in der Nacht zuvor war.

Im Zentrum von Bad Mergentheim fand ich schnell eine Bäckerei und deckte mich mit 2 belegten Brötchen und einer kalten Cola ein. Heute wollte ich ja mal testen, ob sich meine morgendliche Laune bessert, wenn ich sofort frühstücke und nicht erst nach über 1 Stunde Fahrt wie sonst. Frühstück auf dem Rad also diesmal schon um 9:30 Uhr; siehe Foto (Tauber im Hintergrund). Ergebnis: Es ändert nichts. Scheinbar brauche ich morgens so oder so ca. 1 Stunde auf dem Rad, um mich richtig einzugrooven und wohl zu fühlen. Es liegt also nicht am fehlenden Essen, sondern wahrscheinlich einfach am frühen Morgen. Eigentlich nicht meine Zeit… aber aufgrund der noch erträglichen Temperaturen für solche Touren bei warmen/heißen Wetter wie jetzt dringend zu empfehlen.

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Rast mit Mittagessen (zweites Brötchen und Rest Cola, denn Radler habe ich noch keines bekommen) um 13:30 Uhr nach gut 46 km. – Ich habe vormittags bestimmt fünf Läden (Supermärkte und kleinere Tankstellen abgeklappert), aber keiner hatte gekühltes Radler in Dosen. Manche hätten was in Flaschen gehabt, aber die sind mir zu schwer auf dem Rad, außerdem brauche ich nicht direkt ein Sixpack.

Manchmal steht vor Brücken ja ein Schild, welches anzeigt, über welchen Fluss man gleich fährt. Noch viel schöner als ein langweiliges braues Straßenschild ist der Flussname jedoch an der folgenden Brücke verewigt. Sehenswerter wurde auf meiner Reise kein Fluss angekündigt:

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Unterwegs sieht man übrigens jede Menge interessanter oder lustiger Kfz-Kennzeichen:

p1000975Beim Anblick dieses Kennzeichens musste ich spontan überlegen, wo ich an Kilometer 200 gewesen bin. Ich weiß auch nicht warum. 😉
Das muss an Tag 2 irgendwo südlich der Elbe, ca. zwei Stunden vor Zeven und eine Stunde vor dem großen Regen gewesen sein.

p1000959Gestartet bin ich heute auf 266 m ü. NN. Lange Zeit gab es nur mäßig Steigungen, mal ein bisschen rauf, mal ein bisschen runter. Nichts wildes, aber nach Rothenburg ob der Tauber rauf war dann heftig. Zum Glück hatte ich mir in meiner kleinen Tourenliste eine Vorwarnung notiert, so dass es mich zumindest nicht unvorbereitet traf. Von Detwang (~340 m ü. N.N.) führte eine kurvenreiche Straße (leider ohne Radweg) nach Rothenburg hinauf (~ 430 m ü. N.N.). Als Motorradfahrer hätte man da rauf und runter sicher Spaß, als Radfahrer evtl. auch noch bergab, aber mit vollbepacktem Rad bergauf war doch recht mühsam, aber Rothenburg wollte ich nicht verpassen. Wo ich schon in Rotenburg an der Fulda übernachtet habe, wollte ich mir Rothenburg ob der Tauber wenigstens (nochmal) ansehen. Nochmal deswegen, weil ich vor ca. 30 Jahren als Kind/Jugendlicher schon mal da war. An viel konnte ich mich nicht erinnern, außer das ich damals beeindruckt war, dass ein großer Bus in einem schmalen Gässchen eine Ladung Japaner direkt vor einem Hotel rausließ. Heute sind es wohl eher neureiche Chinesen, die eine solche Deutschland- oder Europa-Tour mit Besuch der historischen Altstadt von Rothenburg absolvieren. Einer der chinesischen Touristen hat mich beim Verlassen der Stadt sogar noch im Fahren fotografiert. Ich werde also vermutlich demnächst in irgendeiner chinesischen Familie beim Bild-Vortrag als eine Attraktion von Rothenburg ob der Tauber auftauchen. – Was heißt eigentlich Liegedreirad auf Chinesich? Auf Englisch heißt es ja “Recumbent Tricycle”. Vorschlag meiner Frau Tina: “Li Ge Traik”. 😉

Hier zunächst ein paar Rothenburg-Impressionen:

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p1000961An einem Rothenburger Hotel stand übrigens ein schöner Spruch:

Friede den Kommenden
Freude den Bleibenden
Segen des Scheidenden

Wenn die Ihre Gäste auch so behandeln, dann ist doch alles in Ordnung. 🙂

Nach Rothenburg ging es ein bisschen wieder runter, so auf 385 m ü. N.N., bevor es dann nach Schillingsfürst nochmal richtig hoch ging auf 500 m (siehe Foto) und der Campingplatz Frankenhöhe (Nomen est Omen) liegt sogar auf 524 m ü. NN. Puh, heftig, aber alles geschafft und um 17:30 Uhr auf der Zeltwiese des Campingplatzes angekommen. 🙂

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Die letzte Strecke von Rothenburg aus war dann übrigens nicht mehr so besonders schön, da man größtenteils auf normalen Straßen ohne Radweg fahren musste. Es waren zwar nicht allzu viel Fahrzeuge unterwegs, aber auf Straßen ist es trotzdem nicht so angenehm zu fahren.

Dass es heute wieder einiges an Wärme und Höhenmetern gab, erkennt man daran, dass die ersten 3 Liter Wasser heute um 16:34 Uhr nach knapp 69 km aufgebraucht waren.

Kurz bevor der Anstieg nach Schillingsfürst so richtig anzog, überholte mich ein – wie ich – gut bepacktes Fahrrad, allerdings ein normales Zweirad. Das hatte hinten eine Hamburg-Fahne dran, so dass ich fragte, ob er aus Hamburg komme bzw. von da aus losgefahren sei, was er bejahte. Ich erzählte, dass ich in Flensburg losgefahren sei und so kamen wir ein wenig ins Gespräch. Er hat demnächst ein Treffen mit Familie und/oder Freunden am Tegernsee. Während die anderen wohl aus Hamburg mit dem Flugzeug anreisen werden, hat er diesmal gesagt, er fährt von Hamburg aus mit dem Fahrrad hin. Seine Route ist also gar nicht mal so viel kürzer als meine und er ist wohl auch größtenteils den D9 gefahren, so dass wir über die Strecke fachsimpeln konnten. 🙂
Es stellte sich heraus, dass er die 60 Jahre wohl schon knapp überschritten hatte, aber er sah sehr fit und gut trainiert aus und das war er wohl auch, denn das Tempo, mit dem er den Berg nach Schillingsfürst hochfuhr, war nicht schlecht. – Wir haben uns nach einer kleinen Rast und einem Plausch oben in Schillingsfürst dann wieder verabschiedet, weil er heute noch bis nach Dinkelsbühl auf den Campingplatz wollte. – Das hätte mir zwar auch gefallen, aber dann wäre es noch später als gestern geworden und da war es schon grenzwertig, da es mittlerweile um 20 Uhr dunkel ist.

Auf dem Campingplatz traf ich dann auf der Zeltwiese, wo sogar ein überdachter, beleuchteter Bereich mit Bierzeltgarnitur zum Sitzen vorhanden ist, ein jüngeres Pärchen – also jünger als ich – die auch gerade auf dem gleichen Radweg unterwegs ist wie ich, allerdings erst ab Würzburg, da sie aus Bayreuth kommen. Sie sind also heute die gleiche Strecke gefahren wie ich, nur ein klein bisschen kürzer, weil sie letzte Nacht auf dem Campingplatz bei Weikersheim waren, was ca. 14 km hinter Bad Mergentheim liegt, wo ich übernachtet habe. Auch hier konnten wir uns gemeinsam über die guten und schlechten Seiten der heutigen Strecke auslassen. Echt nett.

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Apropos, nette Begegnungen:

  1. Als ich gestern gerade in Würzburg auf der Promenade stand und Fotos von der Burg etc. machte, sprach mich ein älterer Herr auf Englisch an – vom Slang her offensichtlich ein Amerikaner – der erzählte, dass er zuhause auch ein Liegedreirad fahre.
  2. Gestern Abend fuhr ich gerade im Süden von Bad Mergentheim und suchte den Weg zum Campingplatz Willinger Tal. Ich hatte dazu schon mein Handy als Navi angeschmissen und mir einen (nur einen!) Ohrstecker vom Kopfhörer ins Ohr gesteckt, damit ich die Ansagen hören konnte, aber trotzdem noch was vom Verkehr mitbekomme. Die Navigation war dann aber gar nicht mehr nötig, weil ein Rennradfahrer mit mir gleichzog und mich ansprach… woher ich komme, wohin ich noch fahre usw. Er selbst war gerade einfach nur unterwegs von der Arbeit nach Hause, aber er hat wohl selbst von Bad Mergentheim schon mal eine Tour über die Alpen nach Bozen gemacht, hat also auch Tourenerfahrung. Als ich ihm sagte, dass ich zum Campingplatz Willinger Tal möchte, sagte er, dass er mich ein Stück begleiten würde, um mir den Weg zu zeigen. Es lag wohl eh auf seinem Nach-Hause-Weg, aber trotzdem sehr nett.
  3. Heute Morgen dann in Bad Mergentheim hat mich ein junger Mann im Park gewarnt, dass vor der Unterführung Glasscherben liegen. Sehr nett! So konnte ich die Scherben ganz langsam umfahren.

Es gibt also doch noch nette Menschen auf der Welt, und ich habe insbesondere gestern und heute einige getroffen! Aber auch vorher schon auf den Campingplätzen oder wenn man jemand fragt, wo die nächste Bäckerei oder der nächste Supermarkt ist. Überall gibt es nette Menschen, die gerne helfen, wenn man sie nur freundlich fragt. Klasse!

Eine Sache, die mich (und übrigens auch das junge Pärchen hier auf der Zeltwiese) stört, ist, dass es gut die Hälfte der Radler auf den Radwegen nicht für nötig halten zu grüßen bzw. zurückzugrüßen. Von mir kommt in 99% der Fälle ein “Moin”, “Hallo” oder “Servus” (je nach Gegend), manchmal – bei besonders vollgepackten Rädern oder besonders nett lachenden Radfahrer oder sonstigen Passanten – gerne auch mal eine Hand zum Gruß.
Und wie üblich noch der Track:

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PS: Ich habe an Tag 10 unbeabsichtigterweise Quatsch erzählt. Ich bin jetzt nämlich nicht nur durch fünf, sondern sogar durch sechs Bundesländer gefahren! Durch den Schlenker ins Taubertal bin ich jetzt auch ein Stück in Baden-Württemberg gefahren. Schön, dass ich das auch noch mitnehmen konnte.

Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.