D-Tour 2022 – Tag 4 – Niederhövels – Bad Laasphe

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Bericht – Mi, 18.05.2022

Gestern bin ich auf dem D4 bis Niederhövels gekommen, weil es danach – zumindest nach meiner Liste – für sehr viele Kilometer keinen weiteren Campingplatz gibt. So habe ich mir also den einzigen Campingplatz in der Gegend (Im Eichenwald, Mittelhof-Roddern) ausgesucht, sicherheitshalber angerufen (alles ok) und bin dann dahingefahren. Das Gute ist, dass der “nur” 1,5 km abseits der Route liegt. Das Schlechte ist, dass er nicht unten an der Sieg liegt, sondern oben am Berg. Also nochmal zusätzliche recht steile Höhenmeter. Nicht so optimal ist auch, dass er teurer ist als der Campingplatz an der Rur (Gut Wittscheidt), aber dafür bekommt man auch wesentlich mehr geboten. Schöne Umgebung mit vielen Bäumen, die Schatten spenden… und – vor allem – ein toller moderner Sanitärbereich. Hier gibt es Klopapier auf dem Klo, Seife zum Händewaschen, geräumige Duschen ohne Duschmarke, dafür genug Platz, um Wechselklamotten & Co. an einem geschützten Platz in der Dusche unterzubringen, saubere Waschbecken im Haus zum Geschirrspülen mit warmem Wasser und sogar einen Raum mit Waschmaschinen (und Trocknern) – Waschmarke für 2,50 € – sodass ich meine verschwitzen Klamotten, die ich die letzten Tage abends aussortiert habe, mal waschen konnte. Das hatte der Campingplatz an der Rur alles nicht; d.h. eine Dusche natürlich schon, aber klein, ohne Ablagen und für 50 Ct. extra. Bin hier jetzt sehr zufrieden. Wird schwer zu toppen. Nur fehlt leider ein Trockenraum (Trockner gibt es, aber da dürfen meine Sportklamotten nicht rein), so dass ich die klammen Klamotten nachts im Zelt aufgehängt habe (leichte Reiseklappbügel sind was Feines!), wo sie aber nicht/kaum getrocknet sind. Daher heute morgen die Sachen in die Sonne gehangen, u.a. an die Äste eines Baumes, das Zelt besonders gemütlich abgebaut und schon mal den Bericht bis hierher geschrieben, um der Sonne und meinen Klamotten noch etwas Trockenzeit zu geben. Trödeln mit gutem Gewissen. Tolles Gefühl, das man im Alltag sehr selten erlebt. Losgefahren bin ich dann immerhin schon um 10:30 Uhr… mit trockener Wäsche. Der Tag verspricht gut zu werden und beginnt schon mit strahlend blauem Himmel.

Unterwegs ging’s durch diese urige kleine Unterführung:

Ihr wisst ja, dass ich unzählige Sieg-Überquerungen getätigt, aber schon lange aufgehört habe, die Sieg oder ihre Brücken zu fotografieren, aber die eine hier war was Besonderes, weil sie rechts und links Figuren (Mann & Frau) auf dem Geländer stehen hat. Das kommt auf dem Bild vielleicht nicht ganz so gut rüber, sah in echt aber sehr schön aus.

In der Universitätsstadt Siegen gab es dann diese interessante Konstruktion. Ein schöner breiter Radweg unter einer Autostraße direkt neben der Sieg. Heute war es ganz angenehm, weil man vor der Sonne geschützt wurde. Auch bei Regen stelle ich mir das gut vor… allerdings habe ich keine Lampen gesehen, so dass es sich nachts vielleicht nicht ganz so gut anfühlt da zu fahren!?

Apropos, Sieg. Ja, ich habe sie doch noch mal fotografiert, um Euch zu zeigen, wie schmal sie in Siegen schon geworden ist.

Siegen hat sicher seine schönen Ecken und ist bestimmt ganz toll, aber von sicherer Radverkehrsinfrastruktur haben sie leider keine Ahnung… wie so viele andere Städte auch nicht. Die glauben tatsächlich, dass ein bisschen rote Farbe am Straßenrand Radfahrer schützt. Dem ist jedoch nicht so! Ganz im Gegenteil. Solche sogenannten “Radschutzstreifen” steigern die Gefahr für Radfahrer in unverantwortlicher Weise. Ich bin auf dieser Tour notgedrungen schon öfter auf Straßen gefahren (weil kein Radweg da war), aber niemals bin ich so eng von Autos überholt worden, wie in Siegen auf dem rot markierten “Radschutzstreifen”. Das ist aber auch wirklich dämlich gemacht, weil es den Autofahrern optisch signalisiert, dass die Radfahrer da ja ihre eigene Spur haben und sie alles richtig machen, wenn sie nur in Ihrer Autospur bleiben. Der Mindestüberholabstand von 1,5 m zwischen Rad und Auto (innerorts, außerorts sogar 2 m!) muss aber auch dann eingehalten werden, was scheinbar niemand weiß… oder wissentlich ignoriert. Und, wenn der Abstand von 1,5 m beim Überholen nicht eingehalten werden kann, muss man eben dahinter bleiben. Das haben die Autos bei mir auch immer brav gemacht… eben außer in Siegen auf dem roten Streifen. – Ich glaube, Verkehrsplaner in den Städten und am besten auch alle Beamte & Politiker in den Rathäusern, die bei Verkehrsplanung mitentscheiden, sollten verpflichtet werden regelmäßig ihre eigene Radinfrastruktur nutzen. Dann würde sich vielleicht endlich mal was zum Besseren ändern. Schaut Euch doch mal die Niederlande an oder Städte wie Kopenhagen. Da kann man viel lernen.

Und tatsächlich noch ein Bild von der Sieg bei einer Überquerung… und zwar bei der Letzten… wie ich dachte.

Unterwegs gab’s immer mal wieder schöne Kirchen zu bestaunen, aber oft ließen die sich aufgrund meiner Position oder wegen des Verkehrs nicht vernünftig fotografieren… und extra Anhalten oder gar vom Rad absteigen mache ich nur höchst ungern, denn vor allem möchte ich ja fahren und vorankommen. So entstehen die meisten Fotos vom Rad aus, oft sogar während der Fahrt (natürlich nur, wenn es die Situation erlaubt; z. B. auf Rad- & Feldwegen).

Hier kommt mal so eine Ausnahme, wo ich tatsächlich anhalten und absteigen musste, um die Obernautalsperre im Naturpark Sauerland Rothaargebirge zu fotografieren, die Hecke am Wegesrand aber so hoch ist, dass ich vom meinem flachen Liegerad aus nichts sah.

Neulich hatte ich Euch zwei Bäume gezeigt, die zusammengewachsen sind. Heute kann ich Euch das Gegenteil zeigen. Zunächst ist es nur ein Stamm, aber daraus werden dann plötzlich zwei Stämme. Das ist dann wohl Scheidung auf baumisch.

Nach den schlechten Erfahrungen der letzten Tage mit grenzwertigen Steigungen hatte ich vor der heutigen Etappe einen gehörigen Respekt, denn heute sollte der mit 656 m ü. NN. (laut GPS) höchste Punkt der kompletten Tour erreicht werden. Da mir schon die Steigungen bis auf 400 m ü. NN. ordentlich zugesetzt hatten, befürchtete ich für die mehr als 600 m ü. NN. das Schlimmste… aber es kam – zum Glück – ganz anders. Es lief heute ausgesprochen gut! Was zum einen mit der Strecke selbst zu tun hat und zum anderen auch mit meiner Einstellung und meiner Vorbereitung. Fast alle Anstiege waren heute auf ordentlich geteerten Straßen – sogar die wenig befahrenen Waldwege – und nicht so holprige Schotterpisten wie z. B. beim Verlassen des Heimbachtals. Vielleicht waren die Steigungen heute tatsächlich auch etwas weniger steil… oder ich bin mittlerweile einfach schon fitter geworden, was sehr gut sein kann. Das rechte Knie hat sich heute morgen wieder eine ganze Weile gemeldet, aber bei den Steigungen, die erst nach ca. 45 km anfingen, so gut wie gar nicht mehr. Klingt paradox, ist aber so. Darüber hinaus habe ich meinen Körper gut mit Energie versorgt und einige Kilometer vor dem langen Anstieg mit einem belegten Brötchen sowie einem halben Teilchen und etwas Cola versorgt, damit der Körper direkt auf die Energie zugreifen kann. Wie ich schon auf der ersten großen Tour 2016 am ersten Tag festgestellt habe, ist ein hungriger, unterzuckerter Körper bei solchen Anstrengungen keine gute Idee und wirkt sich auch negativ auf die Stimmung aus. Daher vorbeugen und rechtzeitig Energie nachliefern. Nachdem ich ungefähr die Hälfte des Aufstiegs absolviert habe und eine kleine Pause brauchte, habe ich noch das restliche Teilchen und den letzten Schluck Cola hinterhergeschoben. Mindestens genauso wichtig war aber, dass ich mich beobachtet und schlechte Angewohnheiten durch Ablenkung ersetzt habe. Als nach dem Stausee die ersten krasseren Steigungen anfingen, merkte ich, dass ich wie gebannt auf die Höhenmeter-Anzeige meiner Navi-App (Locus Maps 4 auf Android) gestarrt habe. Dabei schien das Ziel noch so weit, dann der Stausee lag bei “nur” 370 m ü. NN. und ich musste auf über 600 m rauf. Das war irgendwie demotivierend. Daher habe ich zunächst versucht, mir Zwischenziele zu setzen und mir z. B. gesagt, dass ich jetzt 10 hm schaffen will und dann eine kurze Verschnaufpause mache. Eigentlich keine schlechte Taktik, aber das wären noch sehr viele 10 hm Etappen gewesen. Auch kein Motivator. Dann aber merkte ich, dass ich manchmal freiwillig 1-2 hm mehr gemacht habe, weil die Pause sonst in einem sonnigen Abschnitt gelegen hätte. Da habe ich erst gemerkt, dass ich eigentlich fit genug bin, um längere Strecken bergauf am Stück zu fahren und mein eigener “mach 10 hm und dann gönn Dir ˋne Pause” Motivationsversuch mich letztlich limitiert hat. Hmm. Dann fiel mir ein, dass ich mich auf der Tour 2016 manchmal mit Singen selbst motiviert habe. Das Problem war und ist allerdings, dass ich von vielen Liedern den Text nur bruchstückhaft kenne. Also habe ich den Musikplayer auf dem Handy angemacht und ein paar der runtergeladenen Lieblingssongs in zufälliger Reihenfolge abspielen lassen, was ich beim Radfahren bisher noch nie gemacht habe. Die Ablenkung durch die geilen Songs war so gut, dass ich für eine Weile gar nicht mehr auf den Höhenmesser geschaut habe und erst 50(!) hm später gemerkt habe, wie weit ich mit gleichmäßigem Tritt und musikalischer Ablenkung (ja und natürlich mit elektrischer Unterstützung) schon gekommen bin. Das war ein Aha-Erlebnis und ich wusste, dass ich es schaffen werde! Ein riesiger Motivationsschub! Mittlerweile habe ich außerdem (weitgehend) akzeptiert, dass es nun mal andere Gegenden gibt, die nicht so flach sind wie meine Heimat. Also gehören Steigungen eben mit dazu und ich kann sie bezwingen, wie ich mir gerade selbst bewiesen habe.

Anschließend wurde ich übrigens mit tollen Abfahrten belohnt. Perfekt glatter Asphalt, so gut wie kein Verkehr und – zumindest anfangs – oft sogar schnurgerade, wie auf dem Bild unten zu sehen, so dass man einfach mal rollen lassen kann, ohne vor der nächsten Kurve bremsen zu müssen, damit man nicht rausfliegt. Auf der Geraden waren so kurzzeitig sogar mal 60 km/h drin. Ohne Treten wohlgemerkt. Nach Abfahrten kam manchmal zunächst wieder ein kurzer Anstieg, aber das störte mich jetzt gar nicht mehr. Einfach wieder die Playlist zur Ablenkung anmachen und raufstrampeln. Egal. Auf den Abfahrten habe ich die Musik wieder ausgemacht, weil a) ich mich ohne Musik dann besser aufs Fahren konzentrieren kann (bei hohem Tempo bergab, später auch mit mehr Kurven, braucht es schon die volle Aufmerksamkeit), b) bei dem Fahrtwind ohnehin wenig zu verstehen gewesen wäre und – vielleicht der wichtigste Punkt – c) ich möchte mir die Motivationsmusik als (nicht ganz so geheime) Geheimwaffe für schwere Aufstiege bewahren und nicht sinnlos bei Abfahrten abnutzen. (Nachträglicher Spoiler: Die Motivationsmusik habe ich im weiteren Verlauf der Tour – trotz einiger weiterer Steigungen – so gut wie nicht mehr gebraucht. Alles eine Kopfsache!)

Tja, eigentlich hatte ich mich ja bei der letzten Flussquerung schon von der Sieg verabschiedet. Ich muss gestehen, dass mir der Abschied nicht schwergefallen ist, weil mich der Siegtal-Abschnit der Tour ja nicht so begeistert hatte. Zu viele Steigungen und zu viele Strecken auf Straßen ohne Radweg, wobei das ja jetzt letztlich auch lehrreich war. Vielleicht haben mich Rur und Sieg auch einfach nur auf dem falschen Fuß erwischt. Freitag noch bis spät gearbeitet, Samstag gepackt und mit zu wenig Training und auch zu wenige Schlaf und ziemlich gestresst in die Tour gestartet. Aber so langsam merke ich, dass ich mich wieder ins Tourleben eingroove und vermutlich auch deswegen langsam gelassener werde. Das braucht halt immer etwas Zeit.

Aber ich schweife ab. Ich wollte erzählen, dass ich völlig überrascht war, dass direkt an der Route die Siegquelle liegt! Das hatte ich bei der Planung nicht gesehen und war ziemlich geflasht. Da fährt man 2 volle Tage an der Sieg entlang und erlebt den Fluss und seine Entwicklung (fast) von der Mündung in den Rhein bis er dann hinter Siegen nur noch recht schmal ist… und – ja ich habe mich auch oft über seinen Radweg geärgert – und plötzlich hat man a) ohne wesentliche Probleme den höchsten Punkt der Tour bezwungen und b) plötzlich so eine kleine, unschuldige Quelle von dem Fluss vor sich, den man schon hinter glaubte… und von dem ich mich gedanklich schon verabschiedet hatte. Das Wiedersehen war schön. Fast wie bei einem alten Freund, den man nach Jahren wiedertrifft. Bei den bald folgenden ersten Abfahrten habe ich laut gejubelt. Irgendwo müssen die Glücksgefühle ja hin. Ein sehr intensiver und möglicherweise entscheidender Tag der Tour heute. So, nun aber zu den Bildern der Quelle.

Kurz danach rauschte ich außerdem noch an der Lahnquelle vorbei. Wo ich schon mal hier bin, wollte ich mir die dann auch noch anschauen. Bin sogar extra ein kurzes Stück zurückgefahren, weil ich schon vorbei war, als ich realisierte, was das ist. Auf der Karte sieht das ja noch recht interessant aus:

In der Realität aber irgendwie ziemlich enttäuschend. Da war die Siegquelle wesentlich besser!

Und hier ein Blick ins Tal und über die anderen Hügel/Berge hier. Immer noch recht hoch und einige Abfahrten voraus. Klasse.

Und hier mal Häuser mit Schieferverkleidung. Das kenne ich aus dem Bergischen Land… aber bergisch ist das Land hier ja auch. 😉

Und zuletzt mal ein bisschen was über den Campingplatz in Bad Laasphe sowie mein Zelt und die Unterbringung des Fahrzeugs. Ich bin heute auf der Parzelle von irgendwelchen Dauercampern einquartiert worden, die aber aktuell nicht da sind. Ungewöhnlich, das hatte ich so auch noch nie, aber meinetwegen. Nachteil: Etwas eng, so dass ich nicht alle Heringe setzen konnte, aber ist ja windstill, also kein Problem.

Vorteil: Hier haben wohl die meisten Dauercamper-Parzellen ihr exklusives, eigenes kleines Sanitärhaus mit Waschbecken, Dusche und WC. DASS ich sowas nur mich alleine habe, hatte ich ebenfalls auf noch keinem Campingplatz.

Hier ein Blick ins Vorzelt, meiner “Fahrradgarage”, aber auch Gepäckraum und Küche. Je nach Witterung wird mit offener oder geschlossener “Tür” gekocht. Das runde vorne ist der Trangia (Brennspirituskocher), der gerade mein Essen kocht. Im Hintergrund in gelb erkennt man das eigentliche Schlafzelt mit Insektenschutz.

Im kleinen Vorzelt des Schlafzeltes (also hier hintenherum) ist genug Platz für den Anhänger, der fast völlig verschwindet, wenn man alles schließt.

Wie üblich habe ich nach dem Zeltaufbau und Einräumen erstmal geduscht, dann im offenen Vorzelt sitzend auf dem Trangia gekocht und direkt aus dem Topf gegessen. Dann noch schnell Geschirr abspülen, Zähneputzen und ins insektensichere Schlafzelt, um noch in Ruhe zu bloggen.

Fazit:

Ich glaube, ich bin jetzt so langsam im Tour-Modus angekommen.

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.