D-Tour 2022 – Tag 7 – Bad Hersfeld – Hörschel (bei Eisenach)

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Bericht – Sa, 21.05.2022

Der Morgen startet mit einem Blick in mein unaufgeräumtes Jugendherbergszimmer. Da ich den Schlafsack gestern an der Freibad-Tür etwas schnell – ohne Auslüften zusammengepackt habe, habe ich das hier über Nacht nachgeholt, und rechts habe ich zwischen Fenster und Bett eine Wäscheline gepannt damit alles über Nacht gut trocknen kann. Das hat gut funktioniert. Die meisten größeren Wäschestücke hängen mit Klappbügeln am Bettrand. Hat ‘ne Weile gedauert, das alles wieder einzuräumen. Dadurch habe ich dann leider das Frühstück verpasst, welches es nur von 7-9 Uhr gibt, aber ich bin ja eh kein großer Frühstücker. Also kein Problem. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich das Frühstück schon am Vorabend abbestellt, aber das geht leider nicht; d.h. es gibt keinen Rabatt auf den Zimmerpreis, wenn man nicht frühstückt. Schade.

Gestern hatte ich meine alte Bekannte – die Fulda – erst wiedergetroffen, doch heute hieß es schon wieder Abschied nehmen. Sie hat sich zwar nichts anmerken lassen, aber ich glaube, die Fulda war ein bisschen beileidigt, weil ich auf dem Weg zur Werra war, denn ich vermute, dass sich die beiden Flüsse in Hann. Münden gestritten haben, wer der wichtigere Fluss ist und da sie sich nicht einigen konnten, verlieren bei ihrem Zusammenfluss beide ihren Namen und die vereinigten Flüsse starten gemeinsam neu unter dem Namen Weser. Da war ich ja 2016 auf der Nord-Süd-Tour; siehe alter Bericht.

Bald bin ich schon wieder auf einem Bahnradweg unterwegs, was grundsätzlich gut ist. Zwar ist dieser weder so lang noch so schön wie der Bahnradweg Rotkäppchenland gestern, aber immerhin. Man ist ja froh über jeden Meter autofreie, gut geteerte glatte Strecke. Diese Teilabsperrungen vor Straßenquerungen halte ich aber für unsinnig und sogar potentiell gefährlich. Naja, ich hatte gutes Wetter und kaum Verkehr auf der Strecke, so dass ich damit keine Probleme hatte.

Apropos, Radinfrastuktur: Im weiteren Verlauf der Strecke gab es noch einige benutzungspflichtige Radwege, die auch eher abschreckend und gefährlich als sicher sind. Wieso sollte ich auf einem Radweg fahren (müssen), der mit holprigem Pflaster statt glattem Teer gebaut wurde? Wieso sollte ich auf einem Radweg fahren, der andauernd abgesenkte Einfahrten durchquert, so dass es sich wie auf einer Buckelpiste anfühlt? Warum sollte ich auf einem Radweg fahren, bei dem die Bordsteine nicht auf Nullniveau abgesenkt sind, sondern man Angst um Reifen und vielleicht sogar Felgen haben muss, wenn man da rauf/runter fährt? Und – last but not least – warum sollte ich extra die Straße überqueren, um einen linksseitigen, engen, schlecht gepflasterten Radweg zu nehmen, wenn man 200 Meter weiter sowieso in einen Feldweg einbiegt, um der Radroute zu folgen? Das macht überhaupt keinen Sinn und es wäre in allen oben aufgeführten Sitationen besser, einfach auf der Straße zu fahren. Stellt Euch mal vor, man würde Autostraßen so bauen wie diese Radwege. Da wäre aber was los in Deutschland! Schlechte Radwege kann man aber leider noch ungestraft bauen… aber vielleicht wird ja der ein oder andere Politiker dafür doch mal bei einer Wahl abgestraft!? Auf jeden Fall sollten Stadträte, Verkehrsplaner etc. dazu verdonnert werden, auch mal ihre eigenen Radwege zu nutzen. Dann würde sich vielleicht was ändern.

Aber genug geschimpft. Es gibt ja auch Lustiges auf Tour. Zum Beispiel dieses Schild auf einem Firmenparkplatz. 🙂

Hier in der Gegend hat’s mehrere dieser recht freistehenden Berge. Ich frage mich, wie die entstanden sind? Gibt bzw. gab es hier Vulkanismus oder wie entsteht sowas? Was sagen die Geologen?

Und die nächste Erhebung, über die ich grüble. Eine riesige Kalihalde, die wohl – wie ich jetzt nachgelesen habe – der Abraum vom Abbau von Kalisalzen ist. Aufgrund der teilweise weißen Farbe dachte ich erst, dass sei quasi ein riesiges Freiluft-Salzlager, aber es ist wohl nur der unnütze Abraum. Der Abraum selbst ist aber wohl z. T. stark salzhaltig und kann auch Umweltprobleme auslösen.

Und hier noch ein zweite Halde. Das sind riesige Dimensionen! Schaut Euch nur mal an, wie klein der natürliche Hügel und die Häuser im Vordergrund sind. Ich habe gelesen, dass die Halden bis zu 250 Meter hoch sind. – Beim Braunkohletagebau (z. B. bei uns im rheinischen Revier oder auch in der Lausitz) werden riesige Löcher in die Erde gegraben, so dass klar ist, das großer Aushub – wie z. B. die Sophienhöhe bei Jülich – entsteht, aber Kalisalze werden doch normalerweise unter Tage gefördert, so dass wesentlich weniger Abbraum entstehen sollte. Erstaunlich, dass dennoch so große Halden entstehen.

Aber kommen wir wieder zu was Schönerem, z. B. diesem Kunstwerk einer Gänseliesel mit drei Gänsen in Ransbach. Es soll in der Dorfmitte daran erinnern, dass dort früher die Gänse im Winter umherliefen und der Bereich deswegen heute noch “Gänspetsch” heißt.

Auch wenn es die Fulda vielleicht nicht mag: Hallo Werra, wie geht’s? Wir haben uns damals in Hann.[+oversch] Münden ja nur kurz gesehen, aber ab jetzt werde ich Dich ein Stückchen begleiten.

Zwischendurch muss auch mal eine Pause sein. Hier nicht nur mit Bank, sondern sogar auch mit Tisch.

Hmm, alte Brücke abgebaut, aber Pfeiler einfach stehen lassen? Komisch.

Nette kleine Kirche in Wartha…

… wo auch die Burgruine Brandenburg steht.

Ich war total froh, endlich im 4. Bundesland meiner Reise – nämlich in Thüringen – angekommen zu sein… aber nach einer Weile sah ich plötzlich wieder hessische Radwegschilder. Da wechselt der D4 einfach nochmal das Bundesland, um durch Herleshausen zu führen, wo gerade eine Info-Stelle direkt am Radweg entsteht. Ist schon fast fertig. Die Stelle dort ist interessant, weil hier wohl früher ein bedeutender Grenzpunkt zwischen West-Deutschland (Herleshausen) und Ost-Deutschland (Wartha) war. Zum Glück brauchen wir innerhalb Deutschlands sowas seit der Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990 nicht mehr.

Ca. 1 km weiter steht an der Straße nach Wartha das folgende Schild. Leider erschließt sich mir – auch nach einer kurzen Internet-Recherche – nicht, was genau am 24. März 1990 um 9 Uhr passiert sein soll. Die Wiedervereinigung war doch erst am 3. Oktober und betraf ja auch erstmal nur Deutschland. Ok, der sog. eiserne Vorhang zwischen den West-Mächten (NATO) und den Ost-Mächten (Warschauer Pakt) bröckelte da eh schon, aber was genau ist an dem Tag um die Uhrzeit passiert? Wurde ein Vertrag unterzeichnet oder trat einer in Kraft? Wenn’s jemand weiß, bitte gerne einen Kommentar hinterlassen oder mich anschreiben.

So, nach 71 km auf einem schnuckeligen, kleinen Campingplatz des örtlichen Kanu-Vereins angekommen. Diese Kanu-Vereine sind eine feine Sache für Kanu- aber natürlich auch Radreisende. Ich hatte 2016 in Donauwörth schon mal das Vergnügen, auf einem solchen Campingplatz zu übernachten. Die sind eigentlich immer sehr klein, unkompliziert, fast schon familiär und auch noch günstig… und i.d.R. nur für Zelte. Letztlich also in den meisten Punkten besser als die großen, “professionellen” Campingplätze. – Die Lage direkt an der Werra ist natürlich top, auch, wenn die Autobahn A4, die dort oben über die Werrabrücke führt, und – stärker noch – die nahe Bahnstrecke gelegentlich zu hören sind. Egal, ich habe ja Ohrstöpsel. Mir gefällt’s hier bisher sehr gut.

Ach, da fällt mir noch was ein: Der ein oder andere wird sich wundern, warum es heute “nur” 71 km waren, obwohl es sonst immer um die 86 km waren und eigentlich mal ca. 100 km am Tag angedacht waren. Tja, eigentlich wäre ich gerne noch 1-2 Stunden weitergefahren, was – je nach Topologie – weitere 20-40 km bedeutet hätten, aber leider sind Campingplätze – wie schon die ganze Zeit auf dieser Tour – sehr rar. Ich musste mich entscheiden, schon nach 71 km und gegen 17 Uhr Schluss zu machen, oder noch ca. 60 km mehr zu fahren, weil der nächste Campingplatz erst wieder hinter Gotha kommt. Das hätte vielleicht nochmal 5 Stunden gekostet, so dass ich erst gegen 22 Uhr dort angekommen wäre. Mir persönlich zu spät, aber auch auf den Campingplätzen wird man sich um diese Zeit wohl meist nicht mehr anmelden können. Ok, wäre ich nicht erst um 11 Uhr losgekommen, sondern vielleicht schon um 9 Uhr, wäre das vielleicht sogar machbar gewesen. Leider hat die Auswahl der Bilder und das Schreiben des Tagesberichts mal wieder länger gedauert, so dass ich wieder nicht früh genug ins Bett gekommen bin. Ich hoffe, es hat sich wenigstens gelohnt und ihr habt Spaß beim Lesen und beim Bilder und Strecke gucken.

Und noch was: Habe jetzt insgesamt 580 km zurückgelegt, also schon mehr als die Hälfte der wichtigsten, großen Etappe von Aachen (bzw. von zuhause) bis Zittau, also die West-Ost-Durchquerung Deutschlands auf dem Fahrrad. Alles danach ist ja quasi nur noch die Heimfahrt. 😉

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.

1 Kommentar zu „D-Tour 2022 – Tag 7 – Bad Hersfeld – Hörschel (bei Eisenach)

  1. Hallo Stefan,
    herzlichen Glückwunsch zur überstandenen Halbzeit der Strecke!
    Lese die ganze Woche schon ganz interessiert mit, deine Berichte sind echt super!
    Virl Erfolg noch!