D-Tour 2022 – Tag 10 – Eisenberg – Chemnitz

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Bericht – Di, 24.05.2022

Abschiedsfoto von der Jugendherberge Froschmühle. Die Verabschiedung war genauso herzlich wie die Begrüßung. Der Preis war top und es wurde sogar das Frühstück rausgerechnet, weil ich das nicht in Anspruch genommen habe. Neulich in Bad Hersfeld ging das angeblich nicht. Habe jetzt einiges weniger als die Hälfte bezahlt! – Abfahrt gegen 9:30 Uhr.

Das erste große Tagesziel heute: Ein Fahrradladen im ca. 20 km entfernten Gera. Das nahegelegene Eisenberg hat zwar auch einen Fahrradladen, aber der liegt im Norden der Stadt und ich streife die Stadt auf meiner Route nur knapp südlich. Die Fahrradläden in Gera sind viel näher an der geplanten Strecke, und außerdem ist Gera viel größer und hat entsprechend mehr Fahrradläden, von denen mir hoffentlich wenigstens einer helfen kann. Zunächst ging es wieder ein Stückchen auf einem Bahnradweg. Die sind einfach immer wieder super, weil sie schnelles Vorankommen und guten, glatten Teer garantieren. Genau das, was ich mit halb-kaputtem Rad brauche. Bloß keine zusätzlichen Schläge aufs Hinterrad.

Was man nicht so alles am Wegesrand sieht. Wenn ihr Zaunanlagen bauen würdet, würdet Ihr Eure Firma auch wie das legendäre, sehr ausbruchssichere frühere US-Gefängnis nennen?

Und mal wieder ein neuer Fluss. Darf ich vorstellen? Die weiße Elster! – Nein, kein Vogel, sondern ein Fluss!

Hier benennt man Flüsse/Bäche, aber nicht nur nach Vögeln sondern auch nach Fischen.

Keine Ahnung, wer die Dame ist und warum sie es verdient hat, in weißem Stein gehauen und mit einem Dach auf Säulen geschützt zu werden, aber jemand wird schon einen Grund gehabt haben. Sieht jedenfalls nett aus.

Heute ging es übrigens wild zu… äh, nee… heute habe ich viel Wild gesehen. Erst diese hier…

… und einige Stunden später dann noch diese hier. So ganz wild waren die auch alle nicht, da eingezäunt und recht gechillt.

Nach ca. 1:30 h Fahrt, gegen 11 Uhr, in Gera angekommen und erst mal Brötchen, Teilchen und Getränke für den Tag besorgt, da es vorher keine Möglichkeit gab. Dann zum ersten Laden, der von sich sagt, alle Arten von Rädern zu reparieren. Laden war zu, Besitzer auf Handy erreichbar, aber gerade zu weit weg. Dann zum zweiten Laden, der passenderweise “Die Speiche” heißt. Ich denke, DIE müssen ja wohl bei Speichenbruch helfen können. Tja, erst mal lange warten (wie andere Kunden auch schon), dann endlich mit jemandem gesprochen, aber – nein – sie würden zwar gerne helfen, hätten aber keine passenden Speichen da. Auf zum dritten Laden – schon etwas weiter weg von der Route. Bisher hatte ich übrigens fürs Routing immer mein Navi-App Locus Maps 4 (LM) benutzt, mit dem für (Liege-)Räder optimierten Offline-Routing und war mit den Routing-Ergebnissen auch immer sehr zufrieden. Da ich mir den dritten Laden mit Google Maps (GM) rausgesucht habe und GM auch Routing für Radfahrer kann, dachte ich, probier das doch einfach mal aus. Nun, ja, ich bin alles andere als begeistert. Der hat mich durch Parks und Fußgängerzonen mit viel Kopfsteinpflaster und eben Fußgängern geschickt, die schnelles Vorankommen unmöglich gemacht haben. Nein, da bleibe ich doch lieber bei LM mit dem integrierten BRouter fürs Offline-Routing. Das funktioniert besser. Besonders mit meinem speziellen Profil fürs Liegerad. – Immerhin hatte ich zwischendurch einen guten Blick auf diese, äh, ja, was ist denn das? Eine alte Burg mit neueren Anbauten oder ein neues Gebäude im Stil einer alten Burg mit Turm?

Im dritten Laden habe ich zwar schnell mit jemandem reden können, aber leider konnten auch sie nicht helfen, weil sie die Speichen nicht in der Länge dahaben und auch nicht selbst kürzen können, weil ihnen das Werkzeug dazu fehlt. Nach dem Kürzen muss das Ende ja wieder ein Gewinde bekommen. Immerhin empfahl er mir einen weiteren Laden etwas weiter im Süden, den ich sicher früher oder später auch so ausprobiert hätte, aber der Tipp war wirklich gut, denn im BIKE HOUSE Weiser in der Reichsstraße konnte man mir tatsächlich schnell und kompetent helfen, weil sie in der Lage sind, Speichen auf die notwendige Länge zu kürzen! Hurra! Insgesamt haben sie drei gebrochene Speichen entdeckt und ersetzt. Gestern hatte ich ja nur eine gesehen. Außerdem boten sie von sich aus an, mir noch ein paar weitere Speichen der passenden Länge anzufertigen, damit ich die bei potentiellen weiteren Problemem vorrätig habe. Sehr gut mitgedacht, wollte ich aber sowieso noch nach fragen. (Mein Kollege Cölestin wird jetzt sagen, dass er schon immer gesagt hat, ich solle Ersatzspeichen dabei haben. Ja, du hattest recht!) Insgesamt hat mich die ganze Aktion mit den vier Fahrradläden inkl. der Reparatur selbst jetzt ca. 2 Stunden und 40,- € gekostet. Den Preis finde ich ok, die verlorene Zeit schmerzt mehr.

Nun ja, immerhin ist das Rad jetzt repariert und ich kann wieder fahren, ohne bei jedem Schlagloch Angst haben zu müssen… dachte ich, denn nur wenige Kilometer später,hörte ich von hinten wieder das charakteristische klack-klack, welches ich seit gestern Abend leider zu gut kenne. Ergo: Wieder eine Speiche gebrochen. Immerhin habe ja jetzt Ersatzspeichen dabei… und – genauso wichtig – in meinem Werkzeugset befindet sich sogar ein passender Speichenschlüssel, mit dem man die Speichen festschrauben und die Spannung verändern kann. Ich habe das zwar noch nie selbst gemacht und auch bei der Reparatur eben nicht zugucken können, weil ich noch Sachen umgeräumt und telefoniert habe. Aber aus den Erklärungen, die der Mechniker mir gegeben hatte, und scharfem Anschauen, konnte ich die alte Speiche selbst entfernen und die neue einsetzen. Hurra!

Danach ging es weiter. Irgendwie fühlte sich die Fahrt aber für eine Weile nicht so richtig gut an. Erstens fehlte ein richtiges Ziel, denn die nächsten Städte sagten mir vom Namen nichts, und ich wusste ja auch noch nicht so genau, wie weit ich heute komme. Zwar hatte ich schon mal geschaut, wo die nächsten Campingplätze sind, aber ich hatte keinen Plan, welche ich davon heute realistischerweise erreichen kann. Daher wollte ich einfach erstmal ein paar Stunden fahren und sehen, wie’s läuft.

Unterwegs trotzdem ein paar Impressionen gesammelt, wie z. B. diese geschwungene Fußgängerbrücke…

… oder einen schönen Bauernhof im Grünen.

Übrigens bin ich ein großer Fan von schicken Buswartehäuschen. Schon 2016 hatte ich – vor allem in Norddeutschland – schöne Exemplare gesehen, aber dieses Modell hier ist auch sehr schön! Da wartet man doch fast schon gerne auf den Bus. 😉 Bei uns zuhause gibt es oft nicht mal ein Dach, das vor Regen oder Sonne schützt. 🙁

Nach einer Weile war ich total überrascht, dass sich Thüringen explizit von den Radfahrenden verabschiedet. – Ich hatte das für heute überhaupt noch nicht auf dem Plan, aber ich bin tatsächlich jetzt schon im fünften und – für die erste große Etappe Aachen-Zittau – letzten Bundesland angekommen, nämlich in Sachsen! Yippieyayeah! Auch auf der Karte der bisher gefahrenen Strecke sieht das ja schon ziemlich gut aus. Allzu weit ist es bis Zittau nicht mehr. Wenn alles gut läuft vielleicht noch drei Tage, oder so?

Auch heute waren wieder einige Höhenmeter dabei, aber erstens haben sich mein Kopf und die Beine daran gewöhnt und zweitens waren keine (zu) steilen Abschnitte dabei. Alles noch ganz gut machbar. Und, immerhin wird man am Ende manchmal mit einer so grandiosen Aussicht belohnt. Es weiter Blick ins Land; hier Richtung Süden.

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich mich an solchen Panoramen mit sattem grün und blauem Himmel mit weißen Wolken nicht sattsehen kann. Herrlich!

Auf was ich allerdings gut verzichten könnte, sind unebene Wege wie diese schlimme, recht lange und enge “Straße”. Eigentlich möchte ich dieses Etwas gar nicht mit dem Namen Straße adeln. Das ist ein Folterinsturment für alle Fortbewegungsmittel! Das gehört auf eine Autoteststrecke, um zu sehen, ob die Verarbeitung stimmt, aber im öffentlichen Verkehrsraum ist das eine Zumutung. Wenn ich einen Zentimeter zu weit nach links komme, rüttelt es so heftig, dass ich denke, mir fliegt gleich das Schutzblech um die Ohren. Zum Glück können die beiden, neuen GFK-Schutzbleche an den Vorderrädern einiges ab. Die alten Plastikdinger hätten sich bei den Torturen hier schon x-mal selbst zerlegt.

Auch dies hier ist offizieller Teil des D4… und DAS ist noch der gute Teil. Etwas später konnte man kaum noch den Pfad erkennen. Unglaublich! Das kann doch nicht so schwer sein, für einen solchen nationalen West-Ost-Radweg übet die ganzen schlechten Wege mal mit der Teermaschine drüber zu fahren.

Apropos D4. Heute morgen habe ich mehrfach ein älteres Pärchen (also etwas älter als ich) mit Tourtaschen auf Rädern gesehen. Mal haben sie mich am Berg überholt, dann ich sie, weil sie eine Pause machten und so ging das nochmal. Und letztlich habe ich sie dann in Gera wiedergetroffen, weil sie sich auch bei der Bäckerei und/oder Netto was geholt haben, wie ich es getan habe. Tja, es stellte sich heraus, dass sie aus Dresden sind, mit den Rädern per Bahn nach Aachen gefahren und dann – genau wie ich – die Mittellandroute, also den D4, gefahren sind! Witzig, dass die zeitgleich die gleiche Strecke gefahren sind. Sie fahren jetzt aber nicht bis Zittau, sondern “nur” bis nach zuhause in Dresden. – Eines der ersten Dinge, die der Mann über die Strecke sagte, war übrigens, dass es da am Anfang ja einige echt heftige Steigungen gegeben habe. OK, ich bin also nicht der Einzige, der das so empfunden hat. Damit bekommt mein anfängliches “Gejammer” eine gewisse Objektivität, dennoch würde ich mich über ähnliche Streckenabschnitte heute weniger beschweren. Auch jetzt sind ja nicht alle Abschnitte gleich gut. Schlimmes Kopfsteinplaster, Anstiege, z. T. auch recht steil, aber vielleicht weniger lang, oder lang, aber weniger steil, usw. gibt es auch jetzt immer wieder und ich fluche manchmal leicht, ergebe mich dann aber in mein Schicksal. Immerhin, die Motivations- und Ablenkungsmusik habe ich bisher kein zweites Mal auspacken müssen. Die spare ich mir immer noch für Zeiten auf, wo ich sie mal so richtig nötig habe.

Zurück zu schöneren Dingen, wie diesem alten, aber offensichtlich renovierten Feuerwehrhaus von 1911.

Hmm, so wahnsinnig kreativ finde ich diese Namensgebung ja nicht. Da haben die sich einfach gesagt: Wir sind in Sachsen und hier ist viel Wald. Nennen wir unseren Ort doch “Waldsachsen”. Dort habe ich eine kleine Rast gemacht.

Ihr seht doch auch das Gesicht…. oder drehe ich jetzt durch?

Andere Stelle, etwas später als eben, aber ich bin immer noch bzw. wieder weit oben und habe einen herlichen Ausblick. Und, das Schöne, wenn man oben ist. Es geht auch wieder runter!

Hinter Glauchau gibt es am Stausee einen Campingplatz. Die Zeit für einen Campingplatz war eigentlich perfekt und auch die Kilometerleistung war mit ca. 85 km für so einen kaputten Tag wie heute (wg. Werkstattsuche und Reparatur) schon ganz ok… aber erstens habe ich gesehen, dass nur 12 km später noch ein Campingplatz kommt. Wow, diese Campingplatzdichte hat es – glaube ich – auf der ganzen bisherigen Tour noch nicht gegeben. Und beide liegen quasi direkt an der Strecke. Bevor ich mich aber entschieden habe, weiterzufahren, habe ich erst noch beim zweiten Campingplatz angerufen, ob ich kommen kann. Ja, alles gut. Bis 20 Uhr ist sogar noch jemand an der Rezeption. Ansonsten solle ich mir einfach einen Platz suchen. Duschen funktionieren ohne Duschmarke (Klasse, Duschen ohne Stress!) und die Stromkästen sind offen. Zum Glück habe ich den Adapter von CEE blau auf Schuko wieder mit dabei. Ohne den wäre ich auf vielen Campingplätzen – so auch heute – aufgeschmissen gewesen; ohne Verlängerungsschnur natürlich auch.

Kurz nach der Entscheidung weiterzufahren, hörte ich wieder das charakteristische klack-klack von hinten. Die nächste Speiche war fällig. Häh, das kann doch wohl nicht wahr sein! Nachdem die neue Speiche drin war (jetzt habe ich nur noch 3 in Reserve), habe ich mal die Festigkeit aller Speichen im Hinterrad geprüft und festgestellt, dass mehrere sehr locker sind. So dass sie vermutlich keine Kräfte aufnehmen können. Also habe ich jetzt mal alle losen Speichen festgezogen. Natürlich sollte man das eigentlich auf einem Zentrierstand machen, um kein Unwuchten in die Felge zu bekommen, aber sowas habe ich jetzt zufällig gerade nicht dabei. Muss also nach Gefühl gehen. Da ich bisher keinen Unterschied im Fahrgefühl und auch kein Schleifen an der Hinterrad-Parkbremse festgestellt habe, scheint es ok zu sein. Ich hoffe wirklich, dass die Speichenbrüche damit jetzt endlich der Vergangenheit angehören… und wenn ich wieder zuhause bin, werde ich mich mal nach extra-stabilen Speichen in passender Länge umschauen.

So sind es heute – trotz aller Widrigkeiten durch die schlechten Startvoraussetzungen – immerhin doch noch ca. 97 km geworden! Der Track zeigt sogar über 102 km, aber aufgrund der langen Pausen an Werkstätten gibt es einige Punktwolken, wo die GPS hin- und hergetanzt ist, obwohl ich mich nicht bewegt habe. Das ist vor allem innerhalb von Gebäuden natürlich immer besonders schlimm, aber ich halte die Aufzeichnung mit Absicht nicht an, weil die Gefahr groß ist, dass ich hinterher vergesse, die Aufzeichnung wieder zu starten. Dann lieber ein paar Punktwolken bei Pausen in Kauf nehmen, die sich später am Rechner recht leicht entfernen lassen.

Heute morgen und auch über weite Strecken des Tages hätte ich nicht gedacht, dass ich heute tatsächlich noch so viele Kilometer schaffe und bis Chemnitz komme. Zu DDR-Zeiten hieß Chemnitz übrigens Karl-Marx-Stadt, wurde dann aber nach der Wende irgendwann wieder in den alten Namen zurück umbenannt. Gut so.

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.