D-Tour 2022 – Tag 11 – Chemnitz – Naundorf

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Bericht – Mi, 25.05.2022

Ich habe – wie auch die die letzten Nächte schon – recht gut geschlafen. Schlafe abends sehr schnell ein und wache meist nur noch einmal (höchstens zweimal) in der Nacht auf. Ok, die Nächte sind leider immer noch zu kurz; u.a. weil das Bloggen abends so lange dauert und der Wecker recht früh klingelt, da es erfahrungsgemäß mindestens 2 Stunden dauert von Weckerklingeln über alles einpacken, Zeltabbauen und alles auf Rad und in Anhänger verstauen. Wenn man sich etwas Zeit lässt, dauert’s auch schnell länger. Heute habe ich mir absichtlich etwas Zeit gelassen, weil es gerade etwas regnete, mir der Regenradar aber verraten hat, dass es bald aufhören wird. Also habe ich im trockenen Zelt schon mal alles, so gut es ging, vorbereitet, war noch Zähneputzen und Trinkblase auffüllen etc., so dass ich das Zelt dann tatsächlich im Trockenen abbauen konnte. Leider waren die Außenzelte natürlich durch den Regen klatschnass. Kann man halt nix machen. Dann noch in der Rezeption vorbei, um zu bezahlen, denn gestern Abend ging das nicht mehr, weil der Rechner schon runtergefahren war. Habe hier günstige 10 € bezahlt. Eigentlich sollten noch 3,- € pauschal für den Strom hinzukommen. Da ich aber im Gegensatz zu einem Wohnwagen oder Wohnmobil nur wenig Strom brauche – nämlich nur ca. 1 kWh für Fahrrad- und Handyakkus – hatten wir uns eigentlich gestern auf 1,- € Stromkosten geeinigt, was immer noch viel gewesen wäre. Heute morgen dann hat sie mir den Strom jedoch ganz erlassen. Danke!

Um ca. 10:45 Uhr ging es dann endlich los. Direkt in Rabenstein eine Bäckerei gefunden und mich für den Tag eingedeckt.

Auch wenn es dann eine recht lange Etappe geworden wäre, hatte ich für heute damit geliebäugelt, bis nach Dresden zu fahren. Im Süden von Dresden – leider etwas abseits der Strecke – gibt es einen Campingplatz. In einem Telefonat mit dem Campingplatz erfuhr ich, dass ich dort nur zelten könne, wenn ich bis 19 Uhr da bin. Danach wäre keiner mehr da und ich könne/dürfe auch nicht später kommen und mich dann erst morgens melden. Hmm, die lange Strecke bis 19 Uhr? Das wird wohl kaum klappen. 🙁 Damit ist das Ziel schon mal geplatzt. In Dresden gibt es zwar auch einige Jugendherbergen, aber ich war ja gerade erst in einer und möchte wieder zelten, da das Wetter gut bleiben soll und ich auch noch keine Wäsche waschen muss. Da war ich jetzt erstmal etwas demotiviert und planlos. Daher erstmal los ins nahe Chemnitz. Naja, streng genommen bin ich ja schon in Chemnitz, aber ich meine das Stadtzentrum. Was ich bisher nicht wusste: Durch die Stadt Chemnitz fließt der Fluss Chemnitz… und ich habe mich gefragt, ob man den damals – analog zum Stadtnamen – dann auch Karl-Marx-Fluss genannt hat. Ich glaube nicht, aber wäre ja lustig gewesen.

Wo wir gerade beim Thema sind. Natürlich habe ich auch die Karl-Marx-Büste gesehen.

Insgesamt ist Chemnitz nicht gerade eine schöne Stadt. Vermutlich wurden im zweiten Weltkrieg große Teile der Innenstadt zerstört und dann im DDR-Stil mit vielen Plattenbauten und anderen wenig charismatischen Gebäuden wieder aufgebaut. Dennoch ist Chemnitz natürlich eine recht große Stadt mit Straßenbahn, Einkaufszentren usw. – Und sogar (mindestens) einem Hochhaus, wie hier das Dorint Hotel, welches aber vermutlich nach der Wende entstanden ist.

Vor allem auch in den Randbezirken findet man aber auch eine ganze Mege sehr ansehnlicher Gebäude, die oft schön renoviert sind.

Anderen Gebäuden lassen die alte Größe erahnen, müssten aber komplett saniert werden.

Hier wurde schön mit Farben gespielt… aber diese absichtlich schief/falsch gemalten Rahmen triggern mich irgendwie.

Hier das prächtige Schloss Augustusburg aus der Ferne. Der Radweg kommt hier von Westen und könnte direkt weiter nach Osten eine 2,8 Kilometer lange Steigung hochführen. Statt dessen nimmt der Radweg hier einen Umweg, biegt erst nach Süden und dann später wieder nach Norden ab, was eine Strecke von ca. 8 Kilometern und sogar ein paar Höhenmeter mehr beschert. Vermutlich wäre die Strecke schöner zu fahren als die recht steile Autostraße den Berg hoch. Egal, ich wollte ja nach Dresden und konnte mir “unnötige” Umwege nicht leisten, und mittlerweile habe ich auch überhaupt kein Problem mehr damit, auf der Straße zu fahren, selbst dann, wenn es steil wird und mich Autos bei Gegenverkehr nicht überholen können. Tja, dann bleiben sie eben eine Weile hinter mir. Ich denke und schaue aber auch ein bisschen für die Autofahrer mit, so dass ich sie schon mal vorbeiwinke, wenn ich vorne früher sehen kann, dass frei ist… oder fahre sogar schon mal rechts ran, um ein paar Autos vorbei zu lassen. Ja, und um selbst etwas zu verschnaufen, wenn es sehr steil ist. Zurück zur Strecke: Ich hatte mich bereits dafür entschieden, die Abkürzung zu nehmen. Das schlechte Gewissen, somit nicht ganz dem D4 gefolgt zu sein, hielt sich in Grenzen, war aber vorhanden. Letztlich ist der D4 ja nur Mittel zum Zweck, denn das eigentliche Ziel ist ja die West-Ost-Durchquerung Deutschlands und nicht das 100%ige Befahren des D4. Allerdings wurde mein Gewissen schnell erleichtert, denn der Umweg nach Süden war aufgrund einer Baustelle nicht zugänglich und die Umleitung, welche meist mehr Kilometer bedeuteten, war meine geplante Abkürzung. Abkürzen mit gutem Gewissen. Super!

Heute waren mal wieder jede Menge heftiger Anstiege dabei. Mal auf gut zu fahrenden Straßen, aber oft auch auf Schotter- oder anderen Rüttelpisten. Oben angekommen, wird man aber oft mit schönen Ausblicken über die Hügellandschaft belohnt.

Hmm, ich dachte eigentlich immer, Frankenstein sei hässlich, aber ich fand den Ort eigentlich ganz hübsch. 😉

Viele schöne Eisenbahnbrücken gibt es auch immer wieder zu sehen, da man Züge nicht so die Berge rauf und runter schicken kann, wie man es offensichtlich mit Radfahrern machen kann.

Ich frage mich, ob dieser Baum von alleine rechts und links um die Stromleitungen herumgewachsen ist oder ob man ihn dazu gezwungen hat. Sieht jedenfalls sehr interessant aus.

Nochmal zurück zur Übernachtungsplanung: Da ich ja nach 19 Uhr auf dem Campingplatz in Dresden nicht mehr aufgenommen würde und es mittlerweile aufgrund der vielen krassen Steigungen (es ging heute dauernd rauf und wieder runter, nicht nur ein bisschen, sondern jedes Mal direkt so richtig) ohnehin utopisch war, zu erträglichen Zeiten bis Dresden zu kommen, habe ich mir notgedrungen überlegt, heute nur bis zu einem Campingplatz südlich von Freiberg zu fahren, also quasi heute eine Kurzetappe einzulegen und dafür dann idealerweise morgen eine besonders lange Etappe als Ausgleich zu fahren. Da der Campingplatz vor Freiberg leider ein paar Kilometer abseits der Strecke liegt, habe ich sicherheitshalber mal angerufen, ob das klargeht…. aber leider ging niemand ans Telefon und dann sah ich auch auf Google-Maps, dass dieser vorübergehend geschlossen sei. Na super! Was für ein Mist! Jetzt gibt es gar keine Campingplätze mehr, die einigermaßen nah an der Strecke liegen und heute erreichbar sind. – Zum zweiten Mal heute frustriert und weiterhin keinen Plan, wo ich heute unterkomme. Also erst mal weiterfahren und später, wenn es dann Zeit für eine Unterkunft wird (also ab frühestens 18 Uhr) weiterüberlegen/suchen. Vielleicht dann einfach mal bei Bauern fragen, ob sie ein Stück gemähte Wiese oder eine Scheune haben, wo ich mein Zelt aufstellen darf… und idealerweise auch noch eine Steckdose, damit ich meine Akkus aufladen kann. – Da es jetzt noch zu früh für eine solche Suche ist, also erst mal weiter…

Die nächste größere Stadt ist Freiberg. Im Gegensatz zu Chemnitz ist Freiberg insgesamt sehr schön anzuschauen mit vielen alten, gut restaurierten Gebäuden. Hier der Marktplatz mit einem Ritterdenkmal und dann ein Turm, welcher früher vermutlich Teil der Stadtmauer/-verteidigung war. – So schön ich die Stadt auch fand, so sehr hat mich jedoch ihr Kopfsteinpflaster zermürbt. Freiberg hat wahnsinnig viel großes Kopfsteinpflaster im gesamten Innenstadtbereich. Nicht gut für Radfahrer!
[Anm. Tina: Freiberg, die Silberstadt … da habe ich schnell mal im Bücherregal nachgeschaut: Sabine Ebert hat mehrere historische Romane darüber verfasst – sehr spannend, wie ich finde; “Das Geheimnis der Hebamme” ist das erste tolle Buch dieser Reihe. Lohnt sich!]

Nach Freiberg ging’s in den Wald und – natürlich – mal wieder auf schlechten Wegen und extrem steil rauf. Das war schon oft sehr grenzwertig und einmal bin ich nur mit höchster Stufe 5 und auf dem losen Boden gelegentlich leicht durchdrehenden Rädern überhaupt raufgekommen. War knapp, aber hat geklappt. Solche Strecken mögen was für Tagestouren für E-Mountainbike-Fahrer sein, aber doch nicht für Tourenfahrer als Teil einer D-Route!

Mittlerweile könnte ich dann doch mal eine Unterkunft vertragen. Im Wald, fast ganz oben, fand ich dann diese nette Hütte hier. Die ist innen geräumiger als sie aussieht. Da hätte mein Zelt problemlos Platz drin gehabt, und mein Rad hätte ich hinter der Hütte verstecken können. Eigentlich eine Überlegung wert… wenn da nicht das Stromproblem wäre. Ich habe heute durch die vielen krassen Steigungen bereits den Akku gewechselt und vom zweiten bestimmt auch schon ein Drittel verbraucht. Bis Dresden und ich glaube auch hinter Dresden kommen aber noch einige Steigungen, so dass ich für morgen auf jeden Fall volle Akkus brauche, um unter diesen Bedingungen eine nennenswerte Reichweite zu haben. Also habe ich die Idee verworfen und bin weitergefahren.

Da es auch nicht so leicht ist, geeignete Bauernhöfe an der Strecke zu finden, habe ich mir dann vorgenommen, jeden, den ich so auf der Straße treffe, von meiner Notlage (keine Campingplätze, brauche Platz für ein Zelt und etwas Strom) zu erzählen und zu fragen, ob jemand eine Idee hätte, wo ich unterkommen könnte. Im nächsten größeren Ort sah ich eine Frau auf einem Rad am Straßenrand stehen (später kamen noch weitere hinzu, die sich scheinbar zu einer Radtour verabredet hatten). Ich hielt an und fragte, ob sie aus der Gegend sei. Ja. Dann kam meine Erklärung und sie überlegte, kam recht bald auf das Freibad in Naundorf und hat sogleich angerufen, um zu fragen, ob da noch jemand ist. Ja, es war noch jemand da (sehr viele sogar, wie ich später feststellte) und ich könne da mein Zelt aufgeschlagen. Strom würde ich auch bekommen und wahrscheinlich spränge sogar noch eine Dusche dabei raus. Naundorf ist nur 5 km entfernt und liegt ohnehin auf meiner Strecke. Perfekt!

Eigentlich ist das hier kein Campingplatz, aber in solchen Notfällen lassen sie immer mal wieder Wanderer und/oder Radfahrer hier übernachten. Mein Rad und mein Zelt stehen jetzt in einem halboffenen Partyraum/Schuppen unter festem Dach, ich habe duschen können und mir eben was gekocht. Ach, und kurz nach der Ankunft, habe ich sogar noch ein Radler im Glas kaufen können, das sie mir im frisch zusammengemixt hat, obwohl ja eigentlich längst geschlossen und aufräumen angesagt war. Nett! Habe nämlich heute in keinem der Läden, in denen ich war, um meine Vorräte vor dem Feiertag nochmal aufzufüllen, gekühltes Radler in Dosen gefunden. Entweder gar nix, oder nur in Glasflaschen, die ich nicht nur wg. des Gewichts nicht so gerne habe.

So, jetzt sitze ich also in meinem Zelt ganz allein auf dem Freibad-Gelände und kann die Sanitären Anlagen wie Dusche und Toiletten benutzen.

Ich muss sagen, IM Freibad ist noch wesentlich besser als VOR dem Freibad, wie in Stadtallendorf.

Da dies ja eigentlich kein Campingplatz ist, gibt es natürlich auch keinen offiziellen Preis für die Übernachtung. Auf meine Frage, was ich schuldig wäre, fragte der Mann nur zurück, was ich zahlen wolle. Ich sagte, dass ich auf einem Campingplatz jetzt 10,- € bezahlt hätte, und die hat er dann auch bekommen. Ich glaube, wenn ich nur 5,- € gesagt hätte, hätte er vermutlich auch akzeptiert, aber 10,- € sind immer noch ein sehr guter Preis. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich nur 30 Minuten vorher noch überhaupt nicht wusste, wo ich heute übernachte und ob ich überhaupt Strom bekomme. Jetzt gibt es sogar Dusche und Toilette dazu. Was will man mehr?

Also, ich finde das Fahren ja wesentlich entspannter und auch motivierender, wenn man weiß, wo man abends unterkommt. Werde also wieder verstärkt morgens früh versuchen abzuschätzen, bis wo ich kommen kann, um dann schon telefonisch zu klären, ob der Plan zumindest von Seiten des Campingplatzes (oder der Jugendherberge o.ä.) klappt.

Ach ja, noch was: Auf der Speichenfront schien heute zunächst alles OK, denn ich habe zum Glück das charakteristische klack-klack der klappernden, gebrochenen Speiche heute nicht wieder gehört… bis 16:45 Uhr. Da ist diesmal sogar eine komplett weggeflogen… und überraschenderweise habe ich noch eine zweite gebrochene Speiche entdeckt und beide ausgetauscht. Jetzt habe ich nur noch eine Speiche in Reserve. Bei dem aktuellen Verbrauch ist das sehr wenig. 🙁 Meine Idee, dass es in der großen Stadt Dresden sicher einen Fahrradladen gibt, der auch solche Speichen anfertigen kann, ist übrigens hinfällig, weil ich am morgigen Feiertag durch Dresden fahre. Da wird kein Laden offen haben. Pech. – Habe schon überlegt, welche im Internet zu bestellen… aber wohin liefern lassen? Es müsste jemand bzw. ein Ort sein, der a) mitspielt und b) wo ich sicher vorbeikomme. Vielleicht eine Jugendherberge, aber ich weiß ja leider noch nicht, ob bzw. welche Jugendherberge ich als nächstes ansteuere… oder vielleicht eine DHL-Paketstation an der Strecke? Müsste ich mich mal erkundigen, ob das geht.

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.

1 Kommentar zu „D-Tour 2022 – Tag 11 – Chemnitz – Naundorf

  1. Hey Stefan, Franks Großvater kommt aus Freiberg. Und: du hast sogar das Haus seiner Kindheit fotografiert!
    Den Turm und die Stasse hat Frank gleich von alten Fotografien und Gemälden erkannt! 🙂
    Gute Fahrt weiterhin!