D-Tour 2022 – Tag 18 – Oppach – Görlitz

Track (→ Vollbild)

Bericht – Mi, 01.06.2022

Ich habe ganz gut geschlafen, aber mal wieder zu kurz, weil es gestern eh schon spät war und dann auch das Bloggen wieder recht lange gedauert hat.

Insekten habe ich morgens schon oft am Zelt sitzen sehen, aber, dass mehrere Schnecken von innen am Außenzelt saßen war neu. Das hatte ich noch nie. Im Gegensatz zu den Insekten, die spätestens beim Zeltabbau von alleine wegfliegen, musste ich die Schnecken vor dem Zusammenlegen einzeln “abpflücken”. [Anm. Tina: Tja, Bio-Laden-Wiese halt – hahaaa!]

Als ich dann wieder alles gepackt hatte, bin ich noch schnell zum Besitzer, um den Schlüssel zum Raum mit Dusche und WC abzugeben und zu fragen, was ich denn für die Übernachtung schuldig bin. Da meinte er, dass das schwierig wäre und er da auch mit seiner Frau drüber gesprochen hätte. – Äh, aha, okay. – Und dann sagte er doch tatsächlich, dass ich gar nichts bezahlen müsse, weil ich mir schon die Mühe gemacht hätte, mit dem Rad von Aachen bis hierhin zu fahren. Wow, das ist wirklich supernett! – Wir haben uns dann noch ein bisschen über die Region Oberlausitz, die Menschen dort, Politik, Religion usw. gesprochen… also buchstäblich über Gott und die Welt. Wir haben da im Detail nicht in allen Punkten übereingestimmt und auch ein bisschen fair diskutiert, aber uns dennoch gut unterhalten.

Letztlich bin ich dann um 11 Uhr losgekommen und habe mich auf den nur 3 km kurzen Weg zum “Rad Land” im Nachbarort gemacht. Dort angekommen, habe ich meine Notsituation bzgl. Tour und Bremsdefekt geschildert und es hat sich sofort jemand drum gekümmert. Als Shimano-Partner hatten die alle notwendigen Ersatzteile in mehr als ausreichender Menge vorrätig, so dass umgehend beide Bremsen (vorne links und rechts) repariert werden konnten. Neben dem Defekt mit der Spezialfeder vorne rechts, waren alle Bremsbeläge (also auch vorne links) ziemlich runter. Vorne links wurde wohl teilweise schon mit dem blanken Metall gebremst, weil der eigentliche Bremsbelag komplett weg war. Dabei haben die Bremsbeläge gerade mal 2000 km runter. Ich meine, die hätten sonst länger gehalten, aber diese letzten gut 1000 km auf Tour haben den Bremsen oft alles abverlangt. Starke, lange Gefälle mit hohem Gewicht haben den Bremsverschleiß deutlich erhöht. Damit hatte ich nicht gerechnet, weil die Bremsbeläge aus meiner Sicht ja noch recht neu waren. – Anyway, jetzt ist alles neu und bremst wieder sehr gut. Ich habe sicherheitshalber auch die Bremsscheiben wechseln lassen. Die wären zwar eigentlich noch gegangen, aber haben schon etwas gelitten, weil die Bremsbeläge so weit runter waren. Und zusätzlich habe ich noch zwei Ersatzbremsbeläge mitgenommen. Ich hoffe zwar, dass der Rückweg über D12 und D3 nicht ganz so schlimm wird wie der Hinweg über den D4, aber wer weiß. Wenn die Bremsen jetzt mal wieder nachlassen oder sogar ganz kaputt gehen sollten, kann ich die notfalls selbst wechseln. Um 13 Uhr waren die Bremsen repariert und auch die Speichen am Hinterrad nochmal vom Fachmann gecheckt.

Theoretisch hätte ich jetzt mit dem reparierten Rad wieder dem D4 nach Zittau folgen können, aber ich habe mich statt dessen entschieden, ausschließlich auf oder direkt neben der B96 nach Zittau zu fahren, denn erstens ist das die direkte und damit kürzeste Verbindung nach Zittau und somit bestimmt 10 km kürzer als der D4, und zweitens bin ich bei einer Bundesstraße sicher, dass der Fahrbahnbelag recht gut ist. Beim D4 habe ich schon zu viele negtive Überraschungen erlebt. Jetzt – so kurz vor dem Ziel – habe ich echt keinen Bock mehr auf Überraschungen und wollte weder mir noch dem Rad unnötige Strapazen antun. Hauptsache erst mal die West-Ost-Durchquerung abschließen, damit die Pflicht-Mission dieser Tour endlich doch noch abgeschlossen werden kann. – Alles danach ist dann nur noch die Kür… und nicht mehr ganz so wichtig. Also, jetzt kein Risiko mehr, und die etwas über 30 km nach Zittau schön über die Straße.

Laut Wettervorhersage, Regenradar und Himmel (siehe nächstes Bild) sah es übrigens so aus, als ob sehr bald eine Gewitterzelle auf mich zukommt. Also habe ich vor der Abfahrt von der Werkstatt die kompletten Regenklamotten angezogen… aber ich hatte Glück, denn der Regen war schneller als ich, so dass ich dem Regen nur hinterhergefahren bin, und bald wurde es sogar schon wieder richtig sonnig. Bei der nächsten Pause an einer Tankstelle habe ich dann die Regenklamotten endlich wieder ausgezogen, da die sehr warm sind, vor allem, wenn dann auch noch die Sonne rauskommt.

Richtung Zittau hatte ich eine wesentliche Steigung zu bewältigen, was aber gut ging. Oben angekommen, sah ich dieses Schild, bevor es Richtung Zittau bzw. Neiße fast nur noch bergab ging. Hinter mir liegt die Elbe, welche bei Cuxhaven in die Nordsee fließt. Vor mir liegt die Neiße, welche in die Oder fließt, die in die Ostsee mündet. Passt.

Also immer schön weiterstrampeln, bis das erlösende Ortschild kam. Nach der Nord-Süd-Durchquerung (Flensburg – Oberstdorf), habe ich jetzt Deutschland auch von A (wie Aachen) bis Z (wie Zittau) durchfahren! 🙂

Wobei ich meine Tour im Westen ja am Dreiländereck D-NL-B begonnen habe. Also geht’s von Zittau direkt weiter ein bisschen Richtung Süden nach Tschechien, um auf die andere Neiße-Seite zu kommen und zum offiziellen Dreiländerpunkt D-CZ-PL zu gelangen.

Kaum in Tschechien angekommen – nach insgeamt knapp 36 km Fahrt heute, ist wieder eine Speiche gebrochen. Also schnell ausgetauscht und weiter. Leider schon Routine. – Übrigens, nur 900 m vor dem Campingplatz in Görlitz, also nach gut 78 km, wurde noch ein Speichenwechsel fällig. Damit ist der übliche Schnitt von zwei gebrochenen Speichen pro Tag leider wieder erfüllt. Noch habe ich einige in Reserve. Müssten dann jetzt noch 17 Stück sein.

Dass ich in Tschechien bin, sieht man u.a. auch an leicht unterschiedlichen Verkehrschildern. In Deutschland werden Fußgänger i.d.R. als Frau mit Kind dargestellt. In Tschechien ist es wohl ein Mann (mit Hut) und ein Mädchen mit Schleife im Haar. Irgendwie süß.

Ein herzliches Hallo an die Neiße! Ich werde Dich ab jetzt eine ganze Weile begleiten.

Auf dem Weg zum Dreiländereck kam ich noch an diesem netten See vorbei. Ok, aktuell nicht ganz so das beste Badewetter, aber bei besserem Wetter und am WE ist hier bestimmt jede Menge los. Es gibt auch Beachvolleyball, Kiosk usw.

Anfahrt aufs Dreiländereck von der tscheschichen Seite. Die Grenze zu Deutschland liegt mitten in der Neiße. Die Genze zwischen Tscheschien und Polen liegt in der Mitte eines kleinen Zuflusses der von rechts kommt.

Mein Rad am Dreiländerpunkt mit den Fahnen von Deutschland, Tschechien, Polen und der Europäichen Union.

Ach ja, und ich war natürlich auch da. – JETZT bin ich wirklich am Ziel der Tour! Insgesamt habe ich jetzt 5 europäische Länder (D, NL, B, CZ, PL) sowie 5 deutsche Bundesländer durchfahren. => Mission erfüllt! Ab jetzt beginnt quasi der Rückweg.

Ab jetzt geht es für ca. 300 km auf dem Oder-Neiße-Radweg entlang; erst an der Neiße, später an der Oder. Aktuell stehen übrigens alle 100-200 Meter solche Grenzsteine auf der deutschen Seite. Die offizielle Grenze verläuft ja in der Flussmitte, so dass ich die Grenzsteine eigentlich direkt am deutschen Neißeufer erwartet hätte, aber die stehen hier mal rechts und mal links des Weges und bei breiten Überschwemmungsgebieten auch schon mal ca. 100 m von der Neiße entfernt. Also, irgendwie vermisse ich da ein Konzept, wo die zu stehen haben. Sollte doch eigentlich so nah an der echten Grenze sein wie möglich, oder? Ich bin aber vor allem überrascht, wie viele dieser Grenzsteine hier stehen. An den Grenzen zu den Niederlanden, Belgien oder auch Luxemburg kenne ich sowas gar nicht. – Nerds beachten bitte, dass der Grenzstein die Nummer 42 trägt. Wem das nichts sagt, dem sei dringend die Lektüre des Buches “Per Anhalter durch die Galaxis” bzw. auf englisch “The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy” (Affiliate-Links) von Douglas Adams empfohlen.

Ebenfalls irritiert hat mich übrigens der kilometerlange Elektrozaun am Oder-Neiße-Radweg. Wozu soll der gut sein? Ich dachte, Grenzzäune wären in der EU nicht mehr nötig! Zum Teil stehen die Zäune aber auch dann am Radweg, wenn dieser etwas weiter im Inland verläuft. Sehr merkwürdig… und auch hässlich.

Schöneres gibt es in den Ortschaften zu sehen. Zum Beispiel schön restaurierte Fachwerkhäuser in Hirschfelde…

… oder dieses ehemalige Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal etwas südlich von Ostritz…

… oder auch dieses Gebäude, welches über den Gehweg gebaut ist, sowie der große Marktplatz mit seinen prächtigen Häusern in Ostritz selbst.

Kurz vor Görlitz treffe ich dann auf die Überreste des Braunkohletagebaus in der Oberlausitz. Aus dem rheinischen Braunkohlerevier bei mir zuhause in der Nähe kenne ich Ähnliches. Da gleichen sich der West- und der Ost-Rand der Republik ziemlich. Zuerst das letzte noch erhaltene Großgerät – Bagger 1452 – aus dem ehemaligen Tagebau Berzdorf.

Und schließlich der Blick über den Berzdorfer See, welcher nach Ende des Tagebaus durch Füllen mit Wasser entstanden ist und heute Teil eines Naherholungsgebietes ist.

Von hier hat man auch schon einen guten Blick auf die Landeskrone, den Görlitzer Hausberg. Ich erinnere mich noch, dass Tina und ich 2002 dort bei recht schlechtem Wetter rauf sind und sehr enttäuscht waren, dass das Restaurant oben am Gipfel nicht offen hatte.

Den ganzen Tag über bin ich quasi hinter dem schlechten Wetter hergefahren… aber hier treibt mich jetzt eine Regenfront vor sich her. Sie hat mich ein paar Minuten vor dem Campingplatz eingeholt, aber da fielen zum Glück nur wenige Tropfen. Es fing dann erst stärker an zu regnen, als ich schon in der trockenen Rezeption war und mich mit dem Campingplatz-Besitzer(?) über die Location “Kühlhaus” sowie meine Tour unterhalten habe. Das Kühlhaus war – wie weitere identische Kühlhäuser in anderen Regionen – zu DDR-Zeiten wohl Teil einer strategischen Reserve zur Versorgung der Bevölkerungen in Krisenzeiten. Man muss bedenken, dass damals noch kalter Krieg war und jederzeit damit gerechnet wurde, dass es einen bewaffneten Konflikt zwischen NATO und Warschauer Pakt geben könnte… was zum Glück nie passiert ist. Nach der Wende wurden diese Kühlhäuser dann nicht mehr benötigt und wurden entweder zivil genutzt oder – wie hier – umfunktioniert in Campingplatz, BMX-Strecke, Co-Working-Spaces usw.

Aufgrund des Regens wurde mir erlaubt bzw. sogar empfohlen, mich nicht oben auf die normale Campingwiese zu stellen, sondern mein Zelt unter dieser Überdachung aufzuschlagen, was ich gerne angenommen habe.

So geht dann nach Kochen und Duschen ein ereignisreicher Tag zu Ende, an dem ich trotz spätem Start durch die Bremsen-Reparatur immerhin noch 79 km gefahren bin. Vor allem auch dank der zuletzt wesentlich höheren Durchschnittsgeschwindigkeit die Neiße flussabwärts.

Offiziell ist es Tag 18 der Tour, aber da ich bekanntlich 5 Tage in Dresden verloren habe, habe ich also in 13 aktiven Tourtagen Deutschland von West nach Ost, von A(achen) bis Z(ittau), von Dreiländereck zu Dreiländereck durchquert. Ohne Reparaturpausen wie heute oder auch vor einigen Tagen in Gera, als das Speichenproblem zum ersten Mal auftrat, wäre es sicher auch in 12 Tagen möglich gewesen, aber 13 Tage für fast 1.200 km ist ja auch nicht schlecht. 🙂

Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich bisher erreicht habe, und bin jetzt erstmal ziemlich entspannt, weil das Hauptziel erreicht ist. Jetzt schaue ich einfach mal, wie gut das Rad jetzt nach den ganzen Reparaturen wieder hält (hoffentlich besser). Spätestens auf dem D3 von der Oder zurück in Richtung niederländische Grenze sollten sich hier und da ein paar Abkürzungen finden lassen, um die verlorene Zeit zumindest teilweise wieder rauszuholen. Mal sehen, ob das klappt, und ob ich in der verbliebenen Zeit mit eigener Kraft auf dem Rad wieder ganz nach Hause komme. Wäre schön und das ist auch weiterhin das Ziel, aber wäre auch kein Beinbruch mehr, wenn nicht.

Video

Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.

1 Kommentar zu „D-Tour 2022 – Tag 18 – Oppach – Görlitz

  1. Juchhuuuuu, Glückwunsch zum erreichten Ziel

    Super, dass es jetzt läuft!

    Hab mir grad mal deinen Rückweg angesehen und bin gespannt auf viele weitere interessante Bilder und Berichte