D-Tour 2022 – Tag 19 – Görlitz – Forst (Lausitz)

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Bericht – Do, 02.06.2022

Habe gut geschlafen am alten Kühlhaus. Hübsch ist der Klotz nicht gerade, aber vermutlich funktional. Der Verein, der das Gelände jetzt betreibt, versucht alle Stockwerke des Gebäudes nutzbar zu machen – z. B. als Lagerräume – aber da gibt es wohl ein großes Problem. Die Denkmalschutzbehörde verlangt, dass die Aufzüge im Original erhalten bleiben. Aufzugfirmen könnten zwar die alten Aufzüge wieder in Stand setzen, würden für die alte Technik aber keine Gewährleistung übernehmen. Die gäbe es nur für neue Aufzüge, was aber von der Behörde nicht erlaubt ist. Hilfe! Übertreibt es da die Behörde nicht etwas? So ein Aufzug ist ja immerhin von außen nicht zu sehen. Ich hoffe, sie finden doch noch eine Lösung.

Am Morgen hat mich Görlitz einerseits verzweifeln lassen, andererseits wieder mal verzaubert. Ich bin leider erst recht spät – kurz vor 10:30 Uhr – losgekommen vom Kühlhaus und dann habe ich für die ersten 10 km fast zwei Stunden gebraucht, weil es etwas schwierig war, zu einer Bäckerei und einem Supermarkt für die Tagesverpflegung zu kommen und dann vor allem auch wieder zurück zur geplanten Route. Außer den Einkäufen haben vor allem eine gesperrte Eisenbahnbrücke sowie sehr viel grobes Kopfsteinpflaster, welches zum Langsamfahren zwang, für zusätzliche Verzögerungen gesorgt. Eigentlich wollte ich noch einen kleinen Abstecher etwas weiter in die Görlitzer Altstadt machen, wo Tina und ich 2002 (oh, schon 20 jahre her!) für eine Woche Urlaub gemacht haben. Aufgrund der (fehlenden) Zeit und des vielen Kopfsteinpflasters habe ich das dann aber gelassen und mich mit den Görlitzer Stadtansichten begnügt, an denen ich sowieso vorbeikam. Hier ein paar Beispiele schöner Häuser:

Natürlich darf die berühmte Brücke zwischen der geteilten Stadt – Görlitz in Deutschland und Zgorzelec in Polen – nicht fehlen; rechts die polnische Seite.

Und hier die deutsche Seite an der Brücke:

Das Frühst… äh… Mittagess… äh, Brunch gab’s um kurz nach 12 Uhr an diesem schönen Rastplatz unweit der Neiße. Davon könnte es ruhig noch etwas mehr geben. Eigentlich reicht mir aber auch schon eine Bank im Schatten… und, wenn lange keine kommt, parke ich mein Rad auch schon mal im Schatten eines Baumes oder Hauses und bleibe einfach auf dem bequemen Rad sitzen, während ich esse.

Wie schon gestern, stach mir auch heute wieder der kilometerlange Elektrozaun ins Auge, der mich schon seit Zittau auf deutscher Seite begleitet. Ich konnte mir immer noch keinen Reim darauf machen, welchen Sinn der haben soll. Im nächsten Ort sah ich dann eine Frau, die gerade Rasen mähte, und ich habe einfach mal nachgefragt. Sie erklärte mir, dass das ein Schutzzaun gegen Wildschweine ist, um die Ausbreitung der (afrikanischen) Schweinepest zu verhindern. Der Zaun ginge hoch bis Frankfurt (Oder), was so um die 300 km wären. Wow. Ganz schön aufwändig und sicher auch recht teuer. Zaun für 300 km beschaffen, aufstellen, warten und später irgendwann auch wieder abbauen. An zwei Stellen habe ich Mäharbeiten um den Zaun herum gesehen. Ob sich das rechnet!? Der Zaun hat an einigen Stellen auch Lücken. Einen 100%igen Schutz gibt es daher nicht, aber das ist vermutlich ein bisschen so wie bei Impfungen. Es müssen nicht alle geimpft sein, aber wenn viele geimpft sind, kommt es selten zu Ausbrüchen. So ähnlich ist das vermutlich auch mit dem Zaun. – Bin ich froh, dass das Rätsel endlich gelöst ist.

Auf der Nord-Süd-Tour 2016 bin ich durch “Rothenburg ob der Tauber” gefahren und in “Rotenburg an der Fulda” habe ich sogar übernachtet. Diesmal bin ich durch “Rothenburg/Oberlausitz” gefahren, welches einen direkt mit einem schönen Rastplatz begrüßte, welchen ich aber gerade nicht brauchte. – Habe ich damit jetzt alle Rot(h)enburgs in Deutschland gesehen oder gibt es noch mehr?

Übrigens ist der Oder-Neiße-Radweg bisher größtenteils sehr gut zu fahren. Meist ist er schön geteert. Sogar hier im Wald sind sie einmal komplett mit der Teermaschine durchgefahren. SO geht Radweg! Da könnten sich die Gemeinden am D4 mal eine große Scheibe von abschneiden! – Ja, auch hier gibt es immer mal kurze Passagen mit weniger gutem Belag, aber das ist verkraftbar. – Wo wir hier gerade das Bild vom Wald sehen. Es sind zweimal Eichhörnchen auf den Weg gesprungen und ein bisschen vor mir hergelaufen, bevor sie dann wieder abgebogen sind. Ich konnte zwar beide fotografieren, aber die sind doch recht klein, so dass sie hier nicht zu sehen sind.

Weitere Highlights am Wegesrand. Diese kleine Kirche hat sich hinter Bäumen versteckt.

Und hier ein kleines Miniatur-Fachwerkhaus (siehe Schild für Größenvergleich) direkt am Radweg. Das gehört vermutlich zu der (heute geschlossenen) Gaststätte dahinter.

Ich dachte ja schon, dass der Oder-Neiße-Radweg (D12) bisher bereits ganz gut gewesen wäre… was er ja auch – vor allem im Vergleich zum D4 – ist, aber jetzt kam ein langes Stück welches absolut top ist. Bisher fuhr man nicht immer in Neiße-Nähe und bog auch schon mal in den Wald ab und hatte ein paar Höhenmeterchen hier und da… aber dann wurde der gut geteerte Radweg auf die Deichkrone gelegt, so dass man immer guten Blick hat und – genau wie die Neiße – immer ein leichtes Gefälle. Das rollte wirklich perfekt! – Der einzige Kritikpunkt ist, dass der Weg recht schmal ist. Zwar kommen zwei Radfahrer so gerade aneinander vorbei, aber wenn viel Verkehr ist und man vielleicht auch mal langsamere Radfahrer überholen möchte, wird es schon schwierig; vor allem bei Gegenverkehr. Daher war ich froh, das heute (ein Werktag, außerhalb der Ferien, am späten Nachmittag / frühen Abend) sonst fast niemand unterwegs war. An einem belebten Wochenende oder Feiertag wäre meine Bewertung vermutlich etwas anders ausgefallen, aber egal. Ich habe diesen Streckenabschnitt heute weitestgehend alleine genießen können… und bin so sogar noch schneller am Tagesziel angekommen als gedacht.

Dann kam ein Abschnitt, wo in recht kurzer Folge mindestens vier Brückenruinen zu sehen waren; siehe Bilder. Vermutlich wurden die Brücken im Zweiten Weltkrieg zerstört und dann aber merkwürdigerweise nie wieder aufgebaut. Ok, ich verstehe, dass man direkt nach dem Krieg, der die deutsch-polnische Grenze an die Neiße (und weiter nördlich an die Oder) verschoben hat, wahrscheinlich besseres zu tun hatte als Brücken zwischen den ehemaligen Feinden zu bauen… aber die DDR und Polen waren doch sozialistische Bruderstaaten. Da hätte ich eigentlich erwartet, dass man mehr Brücken früher oder später wieder aufbaut.

Und zum Abschlss ein schöner Blick über die Neiße (gerade nicht zu sehen) Richtung Polen. Auch dort ist es grün und der Himmel blau. Ist schon irgendwie merkwürdig, wenn man die Neiße anschaut und die beiden Ufer betrachtet. Im Prinzip sehen beide Seiten gleich aus und doch wird diesseits und jenseits der Grenze eine andere Sprache gesprochen, herrschen andere Gesetze usw. Noch krasser ist es, wenn man sich vorstellt, dass es hier bis 1945 noch keine Grenze gab.

Heute konnte ich nach 114 km mein Zelt in Naundorf hinter einer Gaststätte aufschlagen und sogar noch ein ordentliches Abendessen bekommen. Ihr fragt Euch sicher: “Naundorf”, da hast Du doch schon im Freibad übernachtet. Ja, wird genauso geschrieben, aber – nein – das hier ist natürlich ein anderes Naundorf. In Deutschland gibt es insgesamt über zwanzig Orte mit Namen Naundorf zzgl. weiterer, die Nauendorf heißen. Dieses Naundorf hier ist ein Ortsteil von “Forst (Lausitz)” in Brandenburg. Und damit habe ich heute – tadaaa – das sechste Bundesland meiner Tour erreicht. Mit der Abschluss der West-Ost-Etappe gestern, der heutigen 100+ Etappe sowie dem Erreichen von Brandenburg habe mir das Abendessen redlich verdient (finde ich). Natürlich konnte ich auch duschen und sogar meine durchgeschwitzten Klamotten der letzten Tage waschen. Mal sehen, ob die über Nacht auf der Wäschespinne draußen trocken werden. Ansonsten muss die Morgensonne wohl etwas nachhelfen.

Und zum Abschluss noch die bitter-böse, aber irgendwie auch liebevolle Brandenburg-Hymne vom Klavier-Kabarettisten Rainald Grebe:

Zu Thüringen hatte Rainald Grebe übrigens auch was gemacht. Ebenso genial! – Ist allerdings auch schon etwas älter, so dass man die damals aktuellen Bezüge zu Personen des Zeitgeschehens vielleicht heute nicht mehr alle ganz versteht. Aber trotzdem sehens-/hörenswert!

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.