D-Tour 2022 – Tag 20 – Forst (Lausitz) – Zeschdorf

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Bericht – Fr, 03.06.2022

Nachtrag zu gestern: Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass auch gestern wieder zwei gebrochene Speichen ersetzt werden mussten; einmal nach ca. 30 km und einmal nach 40 km.

Auch heute waren es wieder zwei Stück. Nach 28 km beim späten Frühstück habe ich sicherheitshalber alle Speichen geprüft, ohne, dass was kaputt war. Dann ging jedoch eine Speiche kaputt, als ich sie nur leicht berührt habe (upps) und eine lockere Speiche, die ich noch etwas festziehen wollte, hat sich dann auch noch verabschiedet. Die hätten wohl beide nicht mehr lange gehalten. – Etwas bedenklich finde ich allerdings, dass jetzt erstmalig eine der neuen, silbernen Speichen kaputtging. Bisher waren es immer nur die schwarzen Original-Speichen, die sich verabschiedet hatten.- Noch habe ich ausreichend Ersatz, aber wenn weiterhin zwei Speichen pro Tag brechen, reicht der Vorrat nicht bis zu Hause. Dann bräuchte ich nochmal Nachschub… der ja nicht so einfach zu bekommen ist.

So, jetzt aber zurück zum Anfang. Ich bin gegen 9:45 Uhr losgefahren. Schon kurz nach dem Start ging es über diese schöne Strecke auf einer ehemaligen Bahntrasse durch den Wald. Sehr schön.

Kurz darauf wurde die Neiße etwas aufgestaut und sehr breit…

… aber hinter dem Stauwerk kam fast nur noch ein Rinnsal an…

… weil nämlich der Großteil des Wassers in den Malxe-Neiße-Kanal abgezweigt wurde…

… der das Wasser diesem Wasserkraftwerk zuführt. Ob das Kraftwerk noch in Betrieb ist, weiß ich nicht, aber könnte gut sein, denn sonst macht es ja keinen Sinn, das ganze Wasser weiterhin dorthin umzuleiten. Ein paar hundert Meter später endet der Kanal übrigens schon wieder und die Neiße erhält ihre ursprüngliche Wassermenge zurück.

Gestern habe ich ja schon viele kaputte Brücken gesehen. Heute kamen nochmal mindestens zwei Stück hinzu:

Aber es gibt hier und da auch funktionsfähige, moderene Brücken, die Deutschland und Polen verbinden.

Heute war übrigens wieder ein besonders tierischer Tag. Jedes Mal, wenn ich irgendwo im Schatten angehalten habe, haben sich sofort Horden von Insekten auf mich gestürzt. Da half nur, die Pausen kurz zu halten und schnell weiterzufahren, denn bei schneller Fahrt haben sie kaum eine Chance. – Aber es gab auch jede Menge größere Tiere zu bestaunen. Zunächst diesen Storch, noch etwas weiter weg in der Neiße-Aue (Foto ist rangezoomt).

Dann dieser hier nur ein paar Meter vom Weg entfernt, der sich auch gar nicht davon stören ließ, dass ich vorbeifuhr.

Dann gab es noch diesen Raubvogel, der über mir und der Aue kreiste. Ich war ganz froh, dass ich offensichtlich eine Nummer zu groß für ihn war und nicht zur Beute wurde. – Wer weiß, was das für eine Vogelart ist, darf das gerne in die Kommentare schreiben. 😉

Rainald Grebe singt in seinem Lied “Brandenburg” (Link: siehe gestriger Tagesbericht) ja, dass dort angeblich wieder Wölfe wohnen würden. Wölfe habe ich zwar nicht gesehen, aber immerhin diesen Fuchs, der dann aber sogar abhaute, obwohl 50-100 Meter zwischen uns lagen.

Die nächste größere Stadt war Guben (polnisch: Gubin), welche einige prächtige alte Häuser zu bieten hat. – Noch viel wichtiger war für mich aber eine Bäckerei, denn ich war schon 27 km gefahren, was weit länger als die übliche Stunde gedauert hat, die ich bis zum Frühstück fahren möchte. Wurde echt dringend Zeit für etwas Verpflegung.

In Guben läuft übrigens gerade die Körperwelten-Ausstellung. Die wollte ich immer schon mal sehen… aber leider habe ich aktuell keine Zeit für sowas. Muss sehen, dass ich weiterkomme. Die fünf Tage Zwangspause in Dresden wegen Defekt am Rad haben schon zu viel Zeit gekostet.

Der Radweg an der Neiße ging dann zwar wieder schön geteert und oben auf dem Deich weiter, aber er war jetzt wesentlich schmäler als gestern, so dass ich so gerade Platz für mein Rad hatte. Mit Gegenverkehr wäre es echt schwierig geworden, aber am heutigen Freitagmittag war zum Glück wieder nicht viel los. Der Weg neben dem Deich (links, ca. 2 Meter tiefer) ist hier auch keine Option; zumindest nicht für Leute mit mehrspurigen Fahrzeugen oder Anhängern.

Insgesamt kam ich sehr gut voran und stand recht bald schon – für mich etwas überraschend – vor der Oder; hier mit Pegelhäuschen. – Wow, äh, klar, ich wollte heute mindestens bis Frankfurt (Oder) kommen. Da ist schon klar, dass ich von der Neiße an die Oder wechsele, aber da war ich seelisch noch nicht drauf eingestellt. Während die Neiße ein netter kleiner Fluss ist, kann man die Oder hier schon als Strom bezeichnen.

Hmm, wenn hier die Oder ist, dann muss doch hier auch die Mündung der Neiße in die Oder sein… aber die war gar nicht so leicht zu finden und zu erreichen. Dazu muss man an dem Pegelhäuschen durch ein Tor (wg. Schweinepest bei Wildschweinen), dann ein Stück über die frisch gemähte Wiese vorm Deich und schließlich einem von mehreren Trampelpfaden durch höheres Gras folgen, um dann endlich die Mündung zu sehen. Das ist doch ein toller Ort. Ich finde, da hätte die Gemeinde mal einen offiziellen Zugang schaffen können. Ist doch ein guter Touristenmagnet. – Auf dem Bild seht ihr die Neiße von rechts kommen und in die 2-3 xal breitere Oder fließen. Die Grenze zwischen Deutschland und Polen verläuft ab jetzt nicht mehr in der Mitte der Neiße, sondern in der Mitte der Oder.

Die Oder führt sich bei mir direkt sehr gut ein. Ein 2-3 mal breiteter Fluss hat auch einen 2-3 mal breiteren Deich und einen entsprechend breiteren schön geteerten Radweg oben auf dem Deich. Top! – Ok, später liegt der Radweg auch mal hinterm Deich, so dass man die Oder nicht immer sehen kann, aber er bleibt eigentlich immer schön fahrbar und breit.

In den Oderauen gibt es immer mal wieder kleine Tümpel mit Seerosen, Fröschen usw. – Richtige kleine Biotope.

In Eisenhüttenstadt überquere ich zunächst den Oder-Spree-Kanal und bin überrascht über die schöne Stadtkulisse. – Ich meine, der Name klingt eher nach hässlicher Industriestadt.

Aber Eisenhüttenstadt ist wirklich schöner als man denkt. Schöne Häuser… vielleicht auch wegen einer reichen Vergangenheit als Stadt der Eisenverhüttung?

Ein sowjetisches Kriegerdenkmal; leider sind die Inschriften nur auf russisch, so dass ich es nicht lesen/übersetzen kann.

Als ich Eisenhüttenstadt fast schon wieder verlasse, sehe ich noch diese Fabrikruine in direkter Nähe zur Oder. Keine Ahnung, ob das mal eine Eisenhütte war, aber heutzutage passiert da sicher nichts mehr.

Wie erwähnt, verläuft der Radweg an der Oder später hauptsächlich hinterm Deich. An einem sonnigen, sehr warmen Tag wie heute, ist Schatten leider dann oft für viele Kilometer Mangelware… und wenn doch mal Bäume nah genug stehen, um etwas Schatten zu werfen, kamen heute immer sofort die Insekten und kreisten um meinen Kopf. Nervig! – Aber der Ausblick ist trotzdem schön.

Erste Eindrücke der nächsten größeren Stadt:

Ich bin in Frankfurt, oder? – Nein, ich bin in Frankfurt (Oder)!

Sorry, aber der Wortwitz musste sein. Konnte mich nicht zurückhalten. Allein auf dem Rad hat man viel Zeit, um sich so einen Blödsinn auszudenken und selbst Spaß dabei zu haben… und manchmal schreibe ich den Quatsch dann abends auch auf… wenn ich noch dran denke.

Einerseits sind Städte ja schön, weil sie Infrastruktur zum Einkaufen (Bäckereien, Supermärkte, Tankstellen etc.) und oft auch schöne Fotomotive bieten… aber was uns Tourenradlern (vor allem) in Städten als “Radweg” verkauft wird, ist echt eine Zumutung. Erst extrem grobes, holpriges Kopfsteinpflaster an der Oder in Frankfurt und dann auch noch ein recht langes Stück von dieser Rüttelstrecke. Dringender Appell an die Stadt Frankfurt (Oder) und viele andere Gemeinden mit Radwegen: Es reicht nicht, nur Schilder aufzustellen! Man muss die Strecke auch Rad-tauglich machen! Solche Marterstrecken für Mensch und Material braucht echt keiner! Da nehme ich es keiner Speiche übel, wenn sie früher oder später bricht. Echt schlimm. Man müsste ja nicht mal die ganze Straße sanieren. Ein Teerstreifen rechts und ein Teerstreifen links würden für den Anfang ja schon genügen.

Ursprünglich wollte ich heute den Oder-Neiße-Radweg noch bis Kostrzyn weiterfahren und dann dort übernachten, da nur wenige Kilometer später der D3-Radweg beginnt, der mich wieder zurück ins Rheinland bringen soll. Von der Entfernung her hätte ich das auch heute locker geschafft…

… aber Tina gab mir heute morgen den Tipp, dass ich doch eigentlich schon hinter Frankfurt (Oder) Richtung Berlin abbiegen könnte, um einige Kilometer zu sparen und damit einen Teil der verlorenen Zeit wieder aufzuholen. Wäre zwar nett, den D3 komplett von Anfang an zu fahren, aber das würde mich tatsächlich unnötig weit in den Norden führen, was einen Umweg bedeutet, den ich mir aktuell nicht mehr leisten kann, um hoffentlich doch noch rechtzeitig und aus eigener Kraft wieder nach Hause zu kommen. Für den weiteren Verlauf des D3 gibt es sicher auch noch den ein oder anderen unnötigen Schlenker, der ich mir sparen werde, um Zeit aufzuholen… falls ein direkterer Weg nicht massiv mehr Höhenmeter bedeutet. Ist ein Berg im Weg, fährt man i.d.R. doch lieber außen rum… auch, wenn es weiter ist, geht das dann vermutlich doch schneller bzw. zumindest mit weniger Anstregung.

So bin ich jetzt also in Lebus – nächste Stadt nach Frankfurt (Oder) – nach Westen zu einem Campingplatz in Zeschdorf abgebogen und plane, morgen von hier möglichst direkt Richtung Grünheide (Tesla Giga Factory 4) und Berlin aufzubrechen. Damit werde ich Berlin hoffentlich einen Tag früher erreichen, als ich gestern noch dachte.

Den Campingplatz hier (Seecamp am Oderbruch) kann ich für Leute mit Zelt übrigens nur bedingt empfehlen, denn das ist hier der erste Campingplatz, bei dem ich keinen Strom bis ins Zelt gelegt bekomme. Auf der Zeltwiese gibt es einfach keine Stromanschlüsse, aber mit meinem Zelt darf ich mich auch nicht auf einen der Wohnmobil-Stellplätze mit Strom stellen, obwohl da eben noch einiges frei war. – Fadenscheinige Begründung: Der Platz ist halt so geplant, dass die Zelte unten am Wasser stehen, und dass es da keinen Strom gibt, ist halt so. Sie hätten den Platz ja auch nur übernommen. – Häh? – Ja und? – Ja, ich habe ein Zelt, aber heißt ja nicht, dass ich damit auch unbedingt auf die Zeltwiese muss, wenn ich andere Wünsche habe. Und, wenn ihr die neuen Eigentümer seid, dann entscheidet ihr doch, wer wo stehen darf. Scheinen die nicht zu kapieren… oder wollen es aus Prinzip nicht. – Also, sie waren freundlich, aber leider nicht besonders hilfreich. – Immerhin durfte ich meine Fahrradakkus hochbringen und da jetzt im Gastraum anschließen, um sie zu laden, was ein anderer E-Biker wohl auch schon gemacht hat. Die liegen da jetzt aber so halb-öffentlich rum. Finde ich nicht so gut. Immerhin wird da nachts abgeschlossen. – Hier unten auf der Zeltwiese habe ich übrigens noch zwei andere Gruppen, die wohl mit dem Auto angereist sind, gesehen, die große Kabeltrommeln dabeihatten… welche ihnen hier aber eben leider nichts nutzen. Doof. – Um 9 Uhr macht die Rezeption wieder auf. Dann kann ich meine Akkus wieder abholen. Dann also zum zweiten Mal der unnötige kleine Fußmarsch zur Rezeption, denn ohne Motorunterstützung dürfte es mit dem schweren Rad nicht so leicht werden, hier die grasbewachsene Steigung wieder hochzukommen.

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.

1 Kommentar zu „D-Tour 2022 – Tag 20 – Forst (Lausitz) – Zeschdorf

  1. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Stefan! Chapeau, wie Du die Unwägbarkeiten auf Deiner tollen Tour meisterst: Wetterkapriolen, Baustellen, zu Schotterpisten degenerierte Radwege, mürrische Fähr- und Campingplatzbetreiber, kaum voraussehbare technische Probleme…. ja, das fordert mir größten Respekt ab! Mit Spannung lese ich Deine Berichte, es ist ein wenig wie ein Krimi, den man nicht beiseite legen möchte, bis er zu Ende ist. Bleib’ gesund, fit bist Du ja schon ohnehin! Sicherlich wirst Du mit Tina später gehörig nachfeiern. Eine weiterhin glückliche, erlebnis- und erfolgreiche nunmehr Ost-West Deutschlandtour wünschen Dir Walter und Petra!