D-Tour 2022 – Tag 23 – Rädigke – Bernburg

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Bericht – Mo, 06.06.2022

Puh, gestern Abend war ich mit allem (Zelt, Duschen, Essen, Bloggen etc.) endlich mal früher fertig und habe ausnahmsweise mal vor Mitternacht geschlafen. Sonst dauert’s meist länger, bis der Bericht fertig ist. Dann habe ich fast 7 Stunden durchgeschlafen, was zum einen zeigt, dass ich mich gut ans Schlafen im Schlafsack auf Isomatte im Zelt gewöhnt habe (anfangs war ich noch alle 1-2 Stunden kurz wach) und auch, dass ich es wohl dringend nötig hatte. 😉

Gestern Abend bemerkte ich, dass mal wieder alle meine Langarm-Fahrradshirts und halblangen Sportunterhosen verschwitzt waren. Zum Glück gab es auf dem Campingplatz auch eine Waschmaschine. Da kam dann auch gleich noch die Treckinghose mit rein, die ich immer beim Radfahren anziehe, wenn es nicht zu kalt ist. Eigentlich wollte ich die Sachen draußen auf die vorhandenen Wäscheleinen hängen, aber da für die Nacht Regen angekündigt war, habe ich die Klamotten abends erst mal im Zelt aufgehängt. Natürlich waren die dann morgens noch nicht ganz trocken, so dass ich sie morgens dann noch für eine Weile in die Sonne auf die Wäscheleinen gehängt habe, um sie ganz durchzutrocknen, bevor ich die wieder einpacke bzw. zum Teil auch direkt wieder anziehe.

Durch die Wäsche wurde es heute Morgen also eh schon etwas später. Als ich dann alles gepackt hatte und nur noch die Fahrrad-Sandalen für die Klickpedale anziehen musste, bin ich noch mit einem netten, jungen Pärchen aus Berlin ins Gespräch gekommen, die gerade gestern erst ihre erste Fahrradreise begonnen haben und auf dem gleichen Campingplatz übernachtet haben. Sie haben 4 Monate für die Reise reserviert, aber noch gar keine konkreten Pläne, wo sie eigentlich hinwollen. Vielleicht nach Frankreich und dann vielleicht nach Italien oder so. Zwar haben sie sich natürlich schon ein bisschen auf Fahrradreisen vorbereitet, aber bisher wohl wenig auf konkrete Streckenplanung und das Finden von Campingplätzen. Da dies hier ja auch erst meine zweite große, mehrwöchige Tour ist, bin ich vermutlich auch noch nicht der Super-Experte, habe aber schon einige positive (und ein paar negative) Erfahrungen gemacht, so dass ich den Beiden zumindest ein paar Tipps mit auf den Weg geben konnte, die vielleicht auch für andere Radreiseanfänger hilfreich sein könnten.

Ein wesentlicher Tipp für einfach zu fahrende Strecken: Meist sind Radwege an Flüssen – selbst flussaufwärts – ganz gut zu fahren, weil Flüsse ein recht konstantes leichtes Gefälle bzw. flussaufwärts leichte Steigung haben. Wenn der Radweg meist nah am Fluss bleibt, gilt das dann auch für den Radweg. Manchmal – insbesondere in engen Tälern, wie ich ja z. B. an der Rur und Sieg leider feststellen musste – wird man auf den Radwegen aber auch die Hänge hoch- und runtergeschickt, was dann weniger schön ist. Sehr schön/leicht zu fahren war z. B. der Weserradweg, aber es gibt sicher noch viele andere schöne Flussradwege. Ebenfalls empfehlenswert sind i.d.R. Bahnradwege, d.h. Radwege auf ehemaligen Bahntrassen, da diese eine maximale Steigung von 3% haben. Mehr schafft so ein Zug nämlich normalerweise nicht. Grundsätzlich kann man sich auch an den D-Routen (externer Link: Liste & Karte) ganz gut orientieren, wobei das nicht immer heißt, dass die leicht zu fahren sind. Den D3 (West-Ost) würde ich Anfängern NICHT empfehlen, der D9 (Nord-Süd) war dagegen sehr schön. Ich bin den halben D12 (Oder-Neiße-Radweg) gefahren, welcher auch recht einfach war. Das kleine Stück D6 (Donauradweg) zwischen Donauwörth und Ulm (ca. 100 km) war zwar nicht besonders schön (selten an der Donau), aber meist schon recht angenehm zu fahren. Wenig Höhenmeter.

Zum Thema Unterkünfte: Ich habe mir von ArchiesCampings die Liste der Campingplätze (Europa Landesspezifische POIs) als GPX-Datei heruntergeladen und kann mir die dann in meiner bevorzugten Karten-/Navi-App (Locus Maps auf Android; mit Premium-Abo für Offline-Karten und Offline-Routing) bei Bedarf einblenden. Die Liste ist – glaube ich – ganz gut gepflegt, aber es schadet nichts, wenn man sich einen Campingplatz rausgepickt hat, mal in Google Maps danach zu suchen. Manchmal habe ich dann schon gesehen, dass der Campingplatz mittlerweile geschlossen ist. In der GPX-Datei stehen auch direkt die Telefonnummern, um persönlich beim Campingplatz nachzufragen. Meist stimmen die Nummern, machmal waren sie aber auch falsch/veraltet und ich habe auf der Webseite des Campingplatzes die aktelle Nummer oder eine Handy- statt Festnetznummer gefunden. Eine GPX-Datei mit den Standorten aller deutschen Jugendherbergen gibt es hier: externer Download. Grundsätzlich sehr gute Erfahrungen habe ich übrigens mit dem Zelten bei Kanu- oder sonstigen Wassersport-Vereinen gemacht. Die erlauben neben Wassersportlern eigentlich immer auch Radfahrern mit Zelt zu übernachten. Ich habe schon mehrfach auf solchen Plätzen übernachtet und wurde bisher immer sehr herzlich empfangen. Der Umgangston ist meist familiär, die Plätze meist angenehm klein und die Übernachtung i.d.R. sogar etwas günstiger als auf einem “normalen” Campingplatz. Ich fühle mich da immer sehr gut aufgehoben. Wenn ich die Wahl zwischen zwei Campingplätzen habe, gewinnt bei mir immer der Kanu-/Wassersport-Verein.

Ach ja, gaaaaanz liebe Grüße an das besagte Pärchen. Wir haben uns leider nicht mal namentlich vorgestellt, aber ihr wisst, dass Ihr gemeint seid, wenn ihr das hier lest. Ich wünsche Euch alles Gute auf Eurer 4-monatigen Fahrt. Würde mich freuen, wenn Ihr einen Kommentar schreibt oder eine private Email schickt, wenn ihr eines Eurer Ziele erreicht oder am Ende wieder zurück in Berlin seid. 🙂

So ging es dann heute also erst um 11 Uhr los. Wie gestern schon erwähnt, ging es bereits kurz nach dem Start nach Sachsen-Anhalt, d.h. das 8. Bundesland meiner bisherigen Reise. Wie schon Rainald Grebe in seinem Lied “Brandenburg” singt, gibt es hier tatsächlich viele Alleen. Manche sind schon sehr alt, manche noch jung, wie diese hier.

Heute war irgendwas anders als sonst. Irgendwas, dass ich auf der ganzen bisherigen Tour noch nicht hatte… ach ja, jetzt weiß ich’s: Gegenwind! Die vorherschende Windrichtung war auf der ganzen bisherigen Tour aus Süd-West, d.h. ich wurde sowohl auf der West-Ost-Etappe (D4) als auch auf der Süd-Nord-Etappe (D12) quasi immer geschoben (Rückenwind), wenn denn überhaupt Wind war. Meist war das Wetter ja tagsüber recht gut.

Apropos Wind; Hier mal einer der relativ seltenen Windparks, die ich auf der Reise gesehen habe. Ich bin sehr überrascht, oder sollte ich eher schockiert sagen, dass es – zumindest entlang meiner gefahrenen Route – bisher relativ wenig Windräder und auch nicht allzu viel Photovoltaik zu sehen gab, obwohl ich ja auch an vielen Bergen vorbei- (oder zum Teil auch drüber-) gefahren bin, wo es oben bestimmt oft ergiebige Winde gibt. Auch auf private, geschäftliche und behördliche Dächer muss viel mehr PV! Vereinzelt sieht man Solarthermie oder eben auch PV-Module, aber insgesamt viel zu wenig. So wird das mit der Energiewende in Deutschland nix! Da muss massiv ausgebaut werden!

Auf dem Hinweg bin ich noch von Dresden aus ein Stückchen an der Elbe entlanggefahren, auf dem Rückweg überquere ich sie jetzt nur kurz bei (Dessau-)Roßlau.

Und direkt danach überquert man die Mulde, die nur wenige Meter später in die Elbe mündet.

In einem Park in Dessau:

Ebenfalls in Dessau: Eine alte Fabrik, die eher wie eine Burg aussieht. Da war noch richtig Kunst am Bau. Kann (oder will) sich heute wohl keiner mehr leisten. Heute müssen Fabriken schnell und günstig hochgezogen werden und funktional sein.

In Dessau – nach gut 50 km Fahrt – habe ich mich übrigens erstmals verpflegen können, da vorher absolut nichts an der Strecke lag, das am Feiertag (Pfingstmontag) offen hat. In den ganzen kleinen Dörfern gibt es sowieso keine Geschäfte. Und selbst in Dessau musste ich extra von der Route abweichen, um zu einer Tankstelle zu gelangen. Die Aral hatte dann aber wirklich alles. Belegte Brötchen, Teilchen, gekühlte Getränke (sogar Radler in Dosen; sonst oft nur in Glasflaschen) und sogar einen REWE-to-go, so dass ich mir theoretisch auch Zutaten für ein Abendessen hätte kaufen können, aber ich war noch versorgt.

An vielen Kirchen in den ostdeutschen Bundesländern standen Schilder “Offene Kirche”. So auch an dieser Kirche in Elsnigk.

Aber im Gegensatz zu den anderen Kirchen war dieses Schild hier besonders schön und einladend. [Anm. Tina: Danke an Martin Luther für diese nette Einladung!]

Apropos Schilder bzw. nochmal Ortsnamen. Da waren auch heute wieder interessante dabei.

Zum Glück wird’s nicht mit “ss” geschrieben, aber beim Lesen hört man den kleinen, feinen Unterschied nicht. Der Ort sah aber ganz normal aus und es gab auch keine besonderen Gerüche. Alles gut.

Mich würde ja echt mal interessieren, wie es dazu gekommen ist, dass ein Ort “Hundeluft” genannt wurde. Mir fällt da auf Anhieb keine gute Erklärung ein.

Nächstes Schild: Hier habe ich mich gefragt, ob mein schwerbepacktes Liegedreirad-Anhänger-Gespann eigentlich schon als LKW zählt. 😉

Kurz vor Bernburg zeichnete sich dann dieses Ungetüm am Horizont ab. Eine Fabrik – wie ich später gesehen habe, wohl zur Zement-Herstellung – mit unglaublichen Ausmaßen. Sehr lang gestreckt…

… und auch sehr hoch! Man vergleiche die Höhe des Gebäudes mit dem Hochspannungsmast davor. Ok, das war ein relativ kleiner Hochspannungsmast, aber der steht ja sogar noch davor also etwas näher an der Kamera und erscheint daher etwas größer, bleibt im Vergleich aber trotzdem winzig.

Vielleicht nicht ganz so beeindruckend, aber dafür wesentlich schöner anzuschauen, ist die Saale-Schleuse mitten in Bernburg.

Und nur wenige hundert Meter später ist auch schon mein heutiger Campingplatz erreicht: direkt an der Saale auf dem Gelände des örtlichen Wassersportvereins. Wie oben schon erwähnt, mag ich solche netten, kleinen Plätze sehr. Links die Saale mit den Bootsanlegern und rechts mein grünes Zelt. Unter der Trauerweide ist der Stromkasten, und überdachte Sitzgelegenheiten gibt es sogar auch. Top!

Blick aus meinem Zelt. Könnte kaum besser sein.

Der Platz ist zum Teil auch sehr schön dekoriert:

Übernachtung kostet mich nur 10,50 € zzgl. 50 Cent fürs Duschen. – Teurer war dagegen das Essen im italienischen Restaurant. Ich saß sehr schön draußen direkt neben der Saale. Und lecker war es auch. – Übrigens hatte ich am Anfang der Tour fast nur Campingplätze, wo ich mich selbst verpflegen musste, in letzter Zeit hatte ich aber meist die Möglichkeit, direkt vor Ort was zu essen und zu trinken zu bekommen, was ich aufgrund von besonderen Anlässen (Hochzeitstag, Geburtstag) oder einfach, um mir was für das bisher Erreichte was zu gönnen (und auch etwas aus Bequemlichkeit), meist in Anspruch genommen habe.

Anderes Thema: Ich muss schon sagen, dass ich bisher ziemlich viel Glück mit dem Wetter gehabt habe (klopf-auf-Holz, toi, toi, toi). Auch gestern Abend und heute morgen war es zum Zeltauf-/abbau usw. trocken. Über Nacht muss aber wohl ein Regenband über uns hinweg gezogen sein, denn abends hatte ich es auf dem Regenrader von Westen ankommen sehen und morgens war es dann schon östlich von mir… und das Zelt war auch etwas nass von außen. Und das Beste: Da ich diesmal scheinbar so gut geschlafen habe, habe ich nicht mal gemerkt, dass es nachts geregnet hat.

Ich hatte ja schon erzählt, dass ich heute erstmalig Gegenwind hatte. Der frischte vor allem am Nachmittag auf, als mir ein weiteres Regenband aus Süd-Westen entgegenkam Oh, oh… es sah recht dunkel aus und man konnte z. T. schon sehen, dass in einiger Entfernung Regen aus den Wolken fiel. Ich war mir schon sicher, dass ich heute überraschend doch noch die Regenklamotten anziehen muss, wollte aber noch warten, bis es wirklich nötig wird, weil man in den warmen Regenklamotten ja doch immer noch etwas mehr schwitzt als ohnehin schon. Aber nach einiger Zeit sah es eher rechts und links vor mir dunkel aus… und in der Mitte war ein etwas hellerer Korridor, so dass die Hoffnung aufkeimte, dass ich das Regenband genau in einer kleinen Lücke unterqueren könnte. Das hat auch ziemlich gut geklappt. Zwar habe ich später doch noch ein paar Tropfen abbekommen, aber so wenig, dass ich mir gar nicht erst die Mühe mit den Regenklamotten gemacht habe. Lohnte sich einfach nicht, weil es kurz dahinter schon wieder so hell war, dass der Regen bald wieder ganz aufhören musste… und so war es dann auch. In Bernburg bin ich dann sogar schon wieder in strahlendem Sonnenschein eingefahren.

Hey, ihr glaubt es kaum, aber heute musste ich nur eine(!) Speiche ersetzen. Morgens hatte ich vor der Abfahrt noch alle kontrolliert und einige wenige Speichen ein bisschen nachgezogen, aber nach 45 von 98 km heute musste eine alte, schwarze Speiche ersetzt werden. Jetzt habe ich noch 9 Ersatzspeichen; evtl. plus eine, aber die ist vermutlich etwas zu kurz (das war eine Fehlproduktion und kostenlose Zugabe der Werkstatt). Mittlerweile bereue ich es ein bisschen, dass ich “nur” 20 Ersatzspeichen habe anfertigen lassen, aber mir kamen 20 schon viel vor. Hatte zuerst an 10 gedacht und habe erst im letzten Moment auf 20 erhöht. Besser wär’s wohl gewesen, mindestens so viele Ersatzspeichen zu haben, wie Speichen am Rad sind. 😐 Vielleicht sollte ich mir in der nächsten größeren Stadt nochmal einen Fahrradladen suchen, die auch Speichen in Speziallängen anfertigen können.

Habe eben mal grob überschlagen, dass ich noch ca. 800 km vor mir habe; wobei da die geplanten Abkürzungen (Vermeidung von “unnötigen” Schlenkern im Radweg D3/R1, wovon es einige gibt) noch nicht eingerechnet sind, d.h. könnte sogar noch etwas weniger werden. Ich habe noch 10 volle Tage (notfalls plus den Großteil eines weiteren Tages) bis zur abendlichen Abschlussfeier meiner Großen. Da sollte ich wohl da sein, um mir keinen Ärger mit meiner Tochter einzuhandeln. 😉

800 km / 10 Tage = 80 km/Tag. Im Durchschnitt würden also 80 km pro Tag (oder wegen Abkürzungen sogar etwas weniger) reichen, um pünktlich nach Hause zu kommen. Klingt machbar, wenn keine weiteren, unvorhersehbaren, größeren Verzögerungen mehr kommen. In den nächsten Tagen werden ein paar mehr Höhenmeter kommen. Weiß noch nicht, ob da wieder um die 100 km möglich sind, aber müsste ja nach der obigen Rechnung auch nicht unbedingt. Aber jeder Kilometer mehr ist ein Kilometer mehr Puffer für Unvorhergesehenes… und es gibt bei Bedarf ja sogar noch weiteres Abkürzungspotential. Ich will ja nur nach Hause und muss den D3 nicht unbedingt in voller Länge ausfahren. Mal sehen, wie’s sich entwickelt…

Ach ja, und meine Motivation war heute auch wieder besser, obwohl ich erst so spät losgekommen bin und mich erst sehr spät um eine Übernachtungsmöglichkeit gekümmert habe. Vielleicht, weil ich ganz gut geschlafen habe, vielleicht wegen des netten Gesprächs heute Morgen, vielleicht, weil die Fortschrittskarte jetzt doch schon “ganz gut” zeigt, weil ich der Heimat langsam aber sicher näherkomme… oder wahrscheinlich ein bisschen von allem.

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Stefan Leupers ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seinen ersten Computer bekam er 1984 mit 11 Jahren. Er studierte Diplom-Informatik an der RWTH Aachen und beschäftigt sich seit 1993 mit Linux. Zu seinen Interessentgebieten zählen seit dem Studium Kommunikationssysteme sowie seit 2013 auch Heimautomation; insbesondere FHEM. Seit 2016 fährt er Liegedreirad und seit 2018 Elektroauto. Die Elektroautos werden - zumindest von Frühling bis Herbst - vorwiegend mit selbst erzeugtem PV-Strom vom eigenen Dach geladen.